38. Delayed Justice

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꧁Taehyung꧂

Es ist kurz nach acht. Die Flure sind wie leergefegt und bis auf unsere Schritte ist kein Ton zu hören. Ich halte Jungkooks Hand. Als wir gemeinsam hier hergelaufen sind, Seite an Seite, lag die Hand des Jüngeren fest um meine. Er entschuldigte sie mehrfach dafür, doch ist seine Nervosität mehr als verständlich. Mit einem Kuss auf die Schläfe, habe ich versucht ihn zu beruhigen.

„Ah! Jungkook, Taehyung, da seid ihr ja endlich." Die Sekretärin der Schule. Unter ihrer braunen Hornbrille schauen uns grüne Augen entgegen. Sie ist nicht von hier. Sie schenkt uns ein freundliches Lächeln. Jungkook macht einen Schritt zurück. Ihre funkende Art irritiert ihn.

„Der Rektor wartet bereits auf sie beide in seinem Büro. Schülersprecher Kim und ihre Mitschüler Park Jimin und Kim Seokjin, werden sie ebenfalls begleiten. Was ein Glück hat das Ganze jetzt ein Ende."

Ich verstehe nicht, was hier vorgeht. Jungkook scheint es ähnlich zu gehen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als der Sekretärin zu folgen. Ihre Absätze hinterlassen laute Schritte auf den kalten Fliesen. Wir folgen ihr in den obersten Stock, das Treppenhaus hinauf und an das andere Ende des Flures

„Klopft einfach und geht rein", spricht sie noch, bevor sie uns alleine lässt. Auch wünscht sie uns viel Glück. Das kann Jungkook gebrauchen. Starr krallt er sich in meinen Arm, kaut auf seiner Unterlippe. Erst jetzt erkenne ich die drei Gestalten mit hängenden Körper auf den Stühlen vor dem Büro unseres Rektors.
Sie sprechen keinen Ton, schauen nicht einmal auf. Ich könnte schwören Jungkooks Herz rasen zu hören.

„Ich bin hier", flüstere ich in sein Ohr und streiche mit dem Daumen über seinen Handrücken.

„Herein?", ertönt es, nachdem ich kurzerhand an die hölzerne Tür geklopft habe. Schnelle schiebe ich den Jüngeren in das Innere des Büros und weg von diesen Monstern. Wenn ich könnte, würde ich sie alle—

„Jungkook! Schön, dass du hier bist. Taehyung, guten Morgen." Der ergraute Rektor begrüßt und höflich. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch. Ihm gegenüber befinden sich vier Stühle; zwei von ihnen sind besetzt.

„Alles in Ordnung? Habe diese Biester etwas zu euch gesagt?", erkundigt sich Seokjin, der mit überschlagenen Knien und gefalteten Händen auf einem der Stühle sitzt. Zu seiner Linken befindet sich Jimin, der uns ein sanftes Lächeln schenken. Namjoon, der mit dem Rücken an der linken Wand des Raumes lehnt, nickt uns stumm zu.

„Ich wurde von Schülersprecher Kim, Kim Seokjin und Park Jimin darauf aufmerksam gemacht und darüber informiert, dass die Schikanen von Jeong Hyuk und seinen Komplizen in den vergangenen Monaten wieder stark zugenommen haben und sogar ein Maß erreicht haben, an dem es nicht mehr abzusehen ist, die Polizei einzuschalten. Stimmt das, Jungkook?"

Der Jüngere betrachtet die Anwesenden im Raum mit den Augen eines Rehs. Ich spüre sein Zittern. Innerlich flehe ich, dass er die Kraft aufbringen kann, endlich auszusagen.

„Das stimmt." Leise und schwach, aber deutlich genug, um dem Rektor als Bestätigung zu reichen, stimmt Jungkook den Worten des älteren Mannes zu.

„Ich werde unverzüglich die Polizei in Kenntnis setzten und das von Kim Seokjin sichergestellte Videomaterial und die Aussagen der hier Anwesenden festhalten lassen. Im Namen der Schüler und des Kollegiums, möchte ich mich bei ihnen mit allem Respekt entschuldigen, Jungkook, dass sie so lange unter diesen drei Schülern leiden mussten und wir ihnen nicht früher geholfen haben."

Der Herr erhebt sich von seinem Platz und verbeugt sich leicht, aber dennoch sichtbar vor dem jungen Schüler. Namjoon schaut seinem Rektor mit geweiteten Augen überrascht entgegen.

Laut Namjoon ist der Fall Jungkook bereits seit langem bekannt, doch hat zuvor jeder Erwachsene die Verantwortung von sich geschoben und Jungkook den Hunden überlassen.

„Und Taehyung, ihnen danke ich auch, dass sie trotz ihrer Schwierigkeiten ein Herz an ihrem Bruder gefunden haben und sich seiner angenommen haben. Ihr Vater hat recht behalten, nachdem er den Entschluss gefasst hatte, Sie hier herzubringen. Sie können stolz auf sich sein."

Seine Worte lösen einen üblen Geschmack aus, doch tue ich es mit einem Nicken ab. Zuerst geht es um Jungkook und seine garantierte Sicherheit vor diesen Monstern.

„Die drei Schüler, die ihnen so viel Leid zugefügt haben, werden unverzüglich der Schule verwiesen und in polizeiliche Aufsicht übergeben."

Im Augenwinkel erkenne ich, wie der Jüngere auf seine Knie sackt und beginnt bitterlichst in seine Hände zu weinen. Er hält sie sich schützend vor das Gesicht. Sein Körper bebt. Unverzüglich stürzt Seokjin und Jimin auf den bitterlichst Schluchzenden zu. Der Älteste nimmt Jungkook behutsam in den Arm und streicht ihm über das matte Haar.

„Um ihnen beiden genügend Zeit zu geben, sich zu erholen, habe ich bereits mit ihrem Lehrer besprochen, Sie für diese Woche zu beurlauben. Auch sehe ich es als Entschädigung für Sie, Tauhyung, als angemessen, ihr anfängliches Fehlverhalten zu vergessen."

Seokjin schenkt mir ein zartes Lächeln, als er zu mir aufschaut. Ich selbst stehe da, wie angewurzelt, nie wissend, wie ich mit den ganzen Aussagen des Rektors anfangen soll. Das alles wirkt so surreal.

„Bitte, verständigen Sie schnellstmöglich ihre Eltern, aufgrund der Vorkommnisse. In den kommenden Wochen werden Sie von der Polizei und dem zuständigen Amt über den Verlauf des Verfahrens informiert."

Unsere Eltern?

Die Blase, in der ich mich befinde, seit dem Jungkook und ich miteinander geschlafen haben, bekommt Risse. In Trance stimme ich dem Mann mit einem Nicken zu.

Overlooked | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt