14. Bruises

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꧁Jungkook꧂

Die Augen von Mamas neuem Ehemann brennen buchstäblich Löcher in den Flur. Ich weiß selbstverständlich, weshalb er bildlich gesprochen; mit Messern der Wut in den Händen seinem Sohn beinahe nachgeht. Taehyung kann einem fast schon leidtun. Das entschuldigt aber nicht seine Feindseligkeit mir gegenüber. Wir sitzen im selben Boot.

Mama ist glücklicherweise in der Lage ihren Mann davon abzuhalten, seinem Sohn wutentbrannt nach zustürmen, ihn vermutlich sogar an den Haaren wieder an den Tisch zu ziehen, um ihm darauf die Leviten zu lesen. Was hat er denn auch anderes von Taehyung erwartet? Dass er von all der Veränderung voll eins begeistert sein wird? Ich habe Mama von Anfang an gewarnt, dass das eine schlechte Idee ist. Wie gesagt; dasselbe Boot. Mama kann von Glück sprechen, dass ich ihr diesen Versuch, ein neues Leben/Existenz aufzubauen, nicht vermiesen möchte. Ich möchte, dass es ihr wieder gut geht, dass sie wieder lacht.

Als ich das Esszimmer betrete, begrüßt sie mich — den Umständen entsprechend —mit einem schwachen ‚Guten Abend' und fragt, wo ich denn gesteckt habe. Ich winke ab. Im Augenblick möchte ich nichts mehr, als einfach in mein Bett zu gehen. Die blauen Flecken auf meiner Haut und die Verletzungen darunter, sie tun weh.

„Was hast du denn da, mein Schatz?", erkundigt sie sich auf einmal. Ihr Mann hat derweil fuchsteufelswild die Küche verlassen. Kurze Zeit später hört man nur noch eine schwere Tür ins Schloss fallen. Das Arbeitszimmer. Vater und Sohn sind sich anscheinend ähnlicher als zuerst vermutet.

„Koo, hörst du mich?" Überrumpelt drehe ich mich ihr zu. Sie sitz mit hängenden Schultern am Essenstisch. Ihr Weinglas fast geleert. Ich mache mir bei ihrem Anblick Sorgen. Sie soll sich nicht sorgen. Nicht um die anderen und vor allem nicht um mich. Ich hätte noch später nachhause kommen sollen, dann hätte sie mich so nicht gesehen. Meine Augenringe und Schrammen im Gesicht sprechen schließlich Bände.

„Mir gehts gut, Mama. Alles in Ordnung." Ich schenke ihr ein liebes Lächeln.
„B-bin bloß blöd gestürzt." Sie scheint nicht wirklich überzeugt, aber zu schwach, um der Sache weiter nachzugehen. Was ein Glück. Ich kann sie damit aber nicht noch zusätzlich belasten.

Ich verabschiede mich, gebe ihr einen leichten Kuss auf die Wange und verziehe mich nach oben. In meinem neuen Zimmer habe ich vorerst Frieden. Dieser Raum fühlt sich aber immer noch nicht wie mein eigenes Zimmer an. Die Wände lassen mich förmlich spüren, dass ich hier nichts zu suchen haben. Selbst riecht es dort nach fast drei Monaten noch immer fremd, nicht nach mir oder ansatzweise nach zu Hause. Dieses Gefühl, wenn man verreist ist und in einem fremden Bett schläft, so fühlt es sich an. Ob sich das dank Taehyung jemals ändern wird? Man mag es anzweifeln.

Erschöpft lasse ich mich auf dem Bett nieder, um endlich anzukommen. Meine Glieder ziehen in alle Himmelsrichtungen, pochen und zucken ab und an. Ich bin so müde — die verdreckten Straßenklamotten haften immer noch auf meiner Haut, kleben vor Schweiß. Für etwa eine Viertelstunde bleibe ich so reglos auf meinem Rücken liegen, beobachte die Zimmerdecke, die einzig von dem spärlichen Nachtlicht erhellt wird, das zu meiner Rechten auf dem Nachttisch steht. Dort drinnen befinden sich immer noch persönliche Gegenstände von Taehyung. Eines Tages muss ich sie ihm zurückgeben.

„Was ist mein Problem eigentlich? Am Ende stellen wir uns die gleiche Frage."

Durch das halbgeöffnete Fenster — Mama muss es zuvor sicherlich zum Lüften aufgemacht haben — höre ich, dass es Mitternacht schlägt. Seufzend kämpfe ich meinen rebellierenden Körper aus den weichen Federn und schlurfe in das anliegende Badezimmer. Im Flur schräg gegenüber meines neuen Zimmers. Die Dielen knarzen sachte. Kaum ist die Tür hinter mir verschlossen, das Schloss verriegelt, befreie ich mich von meiner Kleidung. Das Licht im Bad ist grell und ich brauche erst einen Moment, um mich daran zu gewöhnen. Ich trete in Angesicht des großen Spiegels, die verschmutze Wäsche bereits im Wäschekorb verstaut. Mit den Händen stütze ich mich am Waschbeckenrand ab.

Die blauen Flecken auf meiner Haut breiten sich immer weiter aus, werden bereits teilweise rot oder sogar lilafarben. Hart muss ich schlucken.
Jetzt ist nicht nur die Schule die reinste Hölle, sondern nun fängt es bereits zu Hause wieder so an, wie früher. Ich bin diese Schreiereien satt. Erschöpft lasse ich den Kopf hängen, lasse meinen Gefühlen in Form von stillem Weinen freien Lauf.

Ich dachte es wäre vorbei.

Overlooked | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt