꧁Taehyung꧂
Es ist ein wirklicher Kampf gewesen, den mürrischen Yoongi aus dem Bett zu treiben. Die Sonne stand bereits hoch oben am Himmel und er träumte noch immer friedlich vor sich hin. Währenddessen habe ich meinem Akku dabei zugesehen, wie er den Geist aufgegeben hat.
Seite an Seite schlendern der Ältere und ich nun - Yoongi trägt trotz des warmen Wetters eine Wolljacke - den Weg zurück zu dem Haus meiner Familie. Die Uhr schlägt halb vier.
„Und das ist wirklich dein Plan?", erkundigt sich der Ältere von uns beiden und mustert mich fraglich mit seinem katzenähnlichen Augen. Sie sind hellbraun.
„Zwei Wochen. 14 verdammte —mittlerweile noch 13 — Tage muss ich aushalten, dann können die mich grad' Kreuzweise. Da ich das alles erdulden muss, ist es das Mindeste, dass du mich auf ihre Hochzeit begleitest. Du bist mein seelischer Support, vergiss das nicht!", klage ich und lehne meinen Kopf an seine Schulter. Mein alter Freund hat mir wirklich gefehlt. Und er wird mir dann auch wieder schrecklich fehlen.Ein Glück, dass es so etwas wie Videochatten gibt.
„Oh! Tae-, da bist du ja." Die überraschte Stimme meiner zukünftigen Stiefmutter begrüßt uns, als ich ungeduldig auf die Hausklingel drücke. Nervös tippele ich etwas von einem Fuß zum anderen. Yoongi geht es nicht besser.
„Ja... Darf Yoongi mit rein?", falle ich mit der Tür ins Haus. Mein Blick geht dabei an der kleineren Frau vorbei, die ihr dunkles Haar hochgesteckt hat. Am Ende des Flures erkenne ich einen Jungen. Als sich unsere Blicke streifen, hält er kurz inne. Starr, wie vom Blitz getroffen. Zügig ergreift er die Flucht und verschwindet aus meinem Sichtfeld. Vermutlich ist er schnurstracks auf dem Weg zu meinem Zimmer — alten Zimmer.
„Natürlich, kommt doch rein. Habt ihr schon gegessen? Ich habe heute Morgen Kuchen gemacht. Setzt euch einfach schon mal an den Esstisch."
Gerade wollte ich widersprechen, als mein Freund seinen Ellenbogen leicht in meine Seite drückt. Er lächelt Yejin freundlich entgegen und bedankt sich für das Angebot. Schlussendlich werde ich von Yoongi ins Haus geschleppt. Unser Fußmarsch endet am Küchentisch, wo das ganze Chaos eigentlich seinen Lauf genommen hat. Ich ärgere mich so sehr.
„Hier, ich bringe euch gleich den Rest."
Sie deckt uns freundlicherweise den Tisch und verschwindet anschließend in der Küche. Währenddessen fügt sie noch hinzu „- Taehyung, dein Vater kommt gleich von der Arbeit. Er würde sehr gerne noch einmal mit dir sprechen. Möchtest du das, oder soll ich ihn für dich fürs' Erste abwimmeln. Was ist dir lieber, mein Guter." In Gedanken versunken spiele ich mit dem Besteck in meiner Hand. Yoongi schaut mich währenddessen bloß auffordernd an.Kurz bevor wir von dem Zuhause des Älteren losgelaufen sind, haben wir darüber gesprochen, wie ich meinem Vater gegenübertreten werde. Ich werde ihm Bedingungen stellen, um den Frieden in der Familie wiederherzustellen, beziehungsweise danach halbwegs am Leben zu halten. Fürs' erste.
„Ich würde gerne mit euch beiden dann reden, wenn da geht", antworte ich ihr, die dabei in der anschließenden Küche steht und vermutlich ein viel zu großes Stück für uns jeweils vorbereitet.
„Natürlich, mein Schatz. Sag' uns bitte alles, was dich bedrückt."
Es dauert nicht lange, da klimpern schon die Schlüssel am Schloss und mein Vater betritt den Hausflur. Yoongi kämpft noch immer mit den letzten Resten seines Kuchenstücks. Ich habe bereits kapituliert.
„Abend, mein-, oh... Hallo, Tae, Yoongi. Lange nicht gesehen." Der Ältere von uns beiden nickt, als mein Vater das Esszimmer erreicht. Er schaut müde aus.
„Haben wir uns beruhigt?", richtet er sich nun an mich und setzt sich darauf an den Tisch, mir genau gegenüber. Seine Ärmel sind nach oben gekrempelt.
„Papa wir—" „ — müssen reden", beendet er meinen Satz und legt die Hände auf dem Tisch ab. Sein Blick zeigt irgendwie etwas Reue. Jetzt fühle ich mich schlecht.
Yoongi und Yejin halten sich im Hintergrund. Keiner von ihnen atmet auch nur zu laut. Sie geben uns den benötigten Raum.„Hör zu, Tae. Das Überrumpeln gestern tut mir leid. Ich habe bei der ganzen Sache nicht daran gedacht, wie du dich fühlst. Wir hätte die früher davon erzählen sollen." Ich nicke bloß und schaue ihm abwartend entgegen. „Nichtsdestotrotz bleibt es dabei, dass Jungkook dein Zimmer behält. Du bist so lange weg gewesen. Trotzdem wollen Yejin und ich, dass es dir gut geht. Denkst du, du schaffst es für kurze Zeit auf der Couch zu kampieren. Dein Zimmer im Keller wird ja bald renoviert und dann hast du wieder deinen Rückzugsort. Ist das in Ordnung?" Ich nicke bloß. Der Gedanke, dass jemand fremdes in meinem Kinderzimmer wohnt, während ich im Keller hause, daran werde ich mich wohl nie gewöhnen können.
„In Ordnung... d-darf ich noch was zu der ganzen Sache sagen?"
Mein Vater und seine Verlobte schauen sich fraglich an. Sie ist zuvor an seine Seite getreten und hat ihre Hand auf seine Schulter gelegt. „Ich werde das alles anstandslos hinnehmen. Ich bin ruhig, versprochen. Darf Yoongi dafür mit auf die Hochzeit? Als Art Begleitung versteht sich. Bitte?" Flehend hoffe ich, dass die beiden zustimmen. Alleine auf dieser Veranstaltung? Das überlebe ich nicht.„Wenn dich das glücklich macht. An mir solls' nicht scheitern."
Auf Yoongis Gesicht zeichnet sich ein freudiges Lächeln wieder. Er bedankt sich herzlich bei meinem Vater und seiner Verlobten und wünscht ihnen alles Gute. Ich lehne mich dabei bloß zurück in meinen Stuhl. Die Fäuste, die ich das ganze Gespräch über unter der Tischplatte geballt hatte, entspannen sich allmählich.
Nicht mehr lange, dann habe ich Heesung wieder an meiner Seite, in meinen Armen. Und diesmal werde ich ihn und England nie mehr verlassen. Darauf kann meine Familie Gift nehmen.
꧁꧂
DU LIEST GERADE
Overlooked | Taekook
FanficFür die Hochzeit seines Vaters und dessen neuer Frau kehrt Taehyung aus Großbritannien zurück und erfährt kurzerhand, dass er von nun an einen Stiefbruder haben wird. Dieser scheint das ideale Gegen- und Ersatzteil zu dem freigeistlichen Sohn zu sei...