35. I see you

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꧁Jungkook꧂

„Was tust du denn?!" Der Ältere krallt seine Nägel in die Betonplatten am Rande des Pools. Das Wasser ist gar nicht kalt. Dennoch macht er sich Sorgen um mich.

„Komm da wieder raus", murrt Taehyung und beginnt wie eine hungrige Katze am Beckenrand entlangzustreunen. Ich befinde mich in der Mitte. Egal wie sehr er versuchen würde, mich zu erreichen. Ohne das Wasser zu berühren, bleibe ich für ihn außer Reichweite. Ich schließe die Augen und tauche kurz unter. Die Luftblasen kitzeln leicht auf meiner Haut.
Unterwasser ist es still, mein Körper fühlt sich leicht an.

„Jungkook!", höre ich ganz stumpf meinen Namen, als ich wieder an die Oberfläche zurückkehre. Meine Kleidung zieht mich etwas nach unten. Sie ist schwer und durchtränkt von Wasser.

„Was? Hast du etwa Angst vor etwas Wasser."

„Sehr lustig." Ich scheine ihn durch mein Handeln zu verängstigen. Seine Augen funkeln, sind weit aufgerissen. Er ist nervös.

„Jetzt komm schon rein. Es ist auch gar nicht so kalt", beschwichtige ich und patsche mit meiner Hand im Wasser. Es ist so angenehm.

„Ich komm' ins Wasser, wenn du eine Aussage machst."

Meine Miene verfestigt sich. Warum hat er das sagen müssen? Ich möchte vergessen.
Meine Kleidung wird immer schwerer. Vielleicht zieht sie mich einfach unter Wasser.

„Dadurch kannst du alles erst vergessen. Es zu ignorieren, löst deinen Schmerz und deine Furcht nicht, Jungkook."
Wut bahnt sich ihre Wege durch meine Adern. Ich möchte ihm nicht weiter zuhören, seine Worte nicht weiter erdulden. Er ist so blind.

„Du hast doch keine—" Er steigt in das Becken und jault für einen Moment auf, als das Wasser seinen Rücken erreicht.

„Ich werde dich nicht anfassen, nicht mehr."

Ich kann ihn nicht anschauen. Er macht mich wütend. Er verwirrt mich.

„Nenne mir bitte noch einen weiteren Grund, weshalb du es nicht tun willst", spricht er mit sanfter Stimme. Durch leichte Wellen bemerke ich, dass er auf mich zu kommt. So ein Lügner.

„Mein erster Grund ist genug. Akzeptiere das", verteidige ich mich und rücke ab. Er kommt immer noch näher. Er soll wegbleiben.

„Das kann ich nicht, Jungkook". Eine kurze Pause.
„W-Wer sagt, dass sie zurückkommen? Wer sagt, dass sie dich nicht in Frieden lassen werden? Wer sagt, dass—"

„Ich; Ich sage das", unterbreche ich ihn.

Die Wellen werden schwächer. Er rückt endlich ab.

„Aber warum? Warum tust du dir das an?" Taehyungs Stimme klingt verletzt. Ich schaue ihn wieder an. Er hat den Kopf gesenkt.

„Weil es schon immer so ist."
Unsere Blicke treffen aufeinander. Ich möchte doch nur, dass er versteht.

„Sie hören auf, ja, aber sobald sie wieder die Möglichkeit finden, machen sie weiter. Eine Anzeige wird sie nicht aufhalten."
Warum nur versteht er es nicht? Er kennt diese Monster nicht so, wie ich sie kenne. Sich gegen sie zu lehnen bedeutet nur mehr...

„Sie werden doch der Schule verwiesen, Jungkook. Sie werden nicht mehr da sein, um dich zu verletzten. Dafür sorgen wir: Jimin, Seokjin, Hoseok, Yoongi, Namjoon und ich. W-wir werden—"

„Und außerhalb? Auf dem Schulweg? In der Stadt? In der Gasse? Bei Feiern?" Ich bringe ihn zum Schweigen, doch bin ich noch nicht fertig.
„Wer sagt, dass ich da nicht ihrem Zorn ungebremst wieder ausgesetzt werden? Wer sagt das?"

„Jungkook... Bitte."

Ist das seine einzige Verteidigung?

„Was versprichst du dir davon, Taehyung?" Nun trete ich ihm näher.
Unsicher weicht er jedoch zurück, bis sein Rücken auf den Beckenrand trifft. Inzwischen trennen uns nur noch wenige Zentimeter.

„Soll das dein Gewissen bereinigen?",
flüstere ich. Mein Atem trifft auf die Haut seines durch das Wasser kalten Hals. Eine Gänsehaut zeigt sich.

„Ich sehe, was du tust, Kim Taehyung. Aber ich weiß nicht, was du damit bezwecken willst."

Er schaut mir tief in die Augen und küsst mich anschließend erneut, wie an diesem Abend.

„Ich möchte dich beschützen, Jungkook."

Overlooked | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt