17. Sketches and a jealous boyfriend

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꧁Taehyung꧂

Nach nicht einmal drei Stunden Schlaf schlage ich die Augen auf und treffe auf grelles Licht der frühen Morgensonne. Mein Handy verrät mir, dass es eigentlich Zeit dafür wäre, sich für die Schule fertig zu machen. Zu Hause in England bin ich immer früher als nötig bereits auf dem Campus umher gestreunte — freiwillig.

Ich rolle mich etwas zusammen, den Rücken den weichen Rückenpolstern zugewendet. Durch das warme Tageslicht kann ich im Gegensatz zur vergangenen Nacht auch das Ausmaß der Verwüstung vor meinem Schlafplatz ausmachen. Nachdem Jungkook nämlich in mein Zimmer zurückgestolpert ist, — er hat so verängstigt geguckt — habe ich etliche Stifte oder was das unter einer Decke versteckt sein musste, achtlos auf den Boden geworfen. Hätte der Alkohol in meinem Körper meinen Verstand nicht zum Erliegen gebracht, hätte ich mich womöglich noch mehr aufgeregt darüber, dass man mir selbst mein notdürftiges Bett raubt. Mir würde aber plötzlich so schlecht, fast schon schwummrig. Leicht zitternd habe ich mich dann — soweit es eben möglich war — in die Polster gekuschelt, die vereinzelten spitzen Gegenstände danke des Alkoholpegels vergessend. Ich hätte gestern nicht klauen dürfen.

„Ach! Was ist das denn für eine Überraschung." Die weibliche Stimme klingt mehr als überrascht. Müde reibe ich mir die Augen und linse von hinter der Couch hervor. Yejin hat die Hände in die Hüften gestemmt, einen skeptisch-überraschten aber auch sanften Ausdruck im Gesicht. Hundemüde falle ich etwas in mir zusammen und schließe die Augen. Die Decke um meinen Körper hält mich warm.

„Aufstehen. Ich fahre dich heute in die Schule. Mach' dich schnell fertig, dann gehts' los."

Weiß Gott warum, aber ihr Tonfall — er ist nicht wirklich streng, sagen wir bestimmt — treibt mich wirklich dazu, mich zu bewegen. Schlaftrunken bleibe ich aber noch einmal sitzen, die Hände jeweils neben mir abgestützt. Vor mir auf dem Boden zwischen der herab gerutschten Decke erregt etwas Weißes meine Aufmerksamkeit . Neugierig, wie ich so bin, greife ich danach und zum Vorschein kommt ein Stapel von mehreren verknitterten Papieren. Sie sind alle bezeichnet, bezeichnet mit Skizzen von mir.

„Was zum?", murmele ich und betrachte das Gezeichnete. Würde mich der Fakt nicht verstören, dass ich ausschließlich schlafend als Skizzen festgehalten worden bin, wäre ich von der Schönheit der Zeichnungen fasziniert. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Die Bilder können nur von einer Person aus diesem Haushalt halt stammen.

„Na los, Taehyung. Du kommst sonst zu spät. Jungkook ist schon längst unterwegs und du schläfst noch."

Wie oft hat er denn schon Nachts seine Zeit hier im Wohnzimmer verbracht und mich dabei gezeichnet? Sind das alle Bilder, die es gibt? Hat er noch mehr? Warum tut er das?

Unwohlsein breitet sich in mir aus und begleitet mich die ganze Zeit, bis Yejin mich vor der Schule aus dem Auto scheucht, damit ich noch rechtzeitig in den Unterricht kommen. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.

Da mir die Schule am vergangenen Tag alles Nötige, das ich über den Ablauf denn Schuljahres wissen muss, per Mail hat zukommen lassen, reicht ein Blick auf mein Handy, um mir zu verraten, in welchen Klassensaal ich nun gehen muss. Nach kurzem Nachfragen bei einem Schüler, mit dem ich im Leben nicht noch einmal sprechen werde, komme ich schlussendlich zwei Minuten zu spät in den Physikunterricht. Der Lehrer mustert mich argwöhnisch, doch prallt diese Reaktion des Mannes einfach an mir ab. Nach dieser oder der nächsten Stunde bin ich sowieso nicht mehr hier. Vielleicht besuche ich einfach Mama noch einmal.

Während des gesamten Unterrichts betrachte ich den unveränderten Chatverlauf von Heesung. Es tut weh, dass er sich nicht mehr meldet. Es ist jetzt fast eine Woche her, dass wir telefoniert haben. Nachdem ich eingesehen habe, dass er mir auf keine Nachricht noch Anruf antworten wird, habe ich. Beschlossen ihm die Zeit zu geben, die er benötigt. Ich bin ihm nicht einmal böse. Dennoch wünschte ich, ich könnte ihm erklären, dass es nicht mein Wille ist, hier zu bleiben, ihn allein zurückzulassen. Bei dem Gedanken, wie es ihm nun gehen muss, zieht sich mein Herz zusammen.

„Hey! Hi, du." Ein Junge, dunkles Haar, ordentliche Kleidung, bemerkenswert breite Schulter und ein wortwörtlich perfektes Gesicht, begrüßt mich mit einem fröhlichen Lächeln. Er hat mir zuvor auf die Schulter getippt und steht nun mit etwas Abstand vor meinem Sitzplatz im hintersten Eck des Physiksaals. Ist schon Pause?

„Hi — ähm —, sorry, dass ich dich jetzt etwas überrumple. Also, ich bin Jin." Während er sich höflichst vorstellt, bemerke ich die monotonen, fast schon toten Blicke des territorialen Schulsprechers auf meiner Haut. Ich wüsste wirklich gern, was sein Problem ist. Sein jetziges Verhalten macht mir fast schon Angst.

„ —und ich wollte dich fragen, ob du vielleicht Lust hast, als eine Art Entschuldigung von ihm, uns auf eine kleine Party am Wochenende zu begleiten. Ich weiß, du kennst uns nicht, aber vielleicht lockert das ja die Stimmung wieder etwas auf." Er schenkt mir wieder ein Lächeln. Verwirrt mustere ich ihn. Ich habe die Hälfte nicht mitbekommen.

„Wie bitte?" Meine Aussage scheint ihn leicht ins Schwitzen zu bringen. Verlegen streicht er sich über den Arm.

„Ab wann hast du mir denn nicht mehr zugehört?" Ertappt. Nun bin ich der vor Cham beinahe errötet.
„Entschuldige..."

„Schon gut", kichert er.
„Ich bin Seokjin — nenn' mich Jin —, Kim Namjoons Freund und wir wollten dich fragen, ob du uns auf eine kleine Party begleitest. Als eine Art Entschuldigung von Namjoon, versteht sich." Stirnrunzelnd betrachte ich zuerst den hübschen Jungen und lasse anschließend meinen Blick zu diesem Namjoon wandern, der uns mit vor Aufregung geweiteten Augen beobachtet.

„Ich weiß von eurem holprigen Start. Das tut ihm auch leid", spricht er verlegen.
„Und warum sagt er mir das nicht selbst?" Ich verstehe den Schülersprecher wirklich nicht.

„In solchen Sachen ist er etwas eigen. Dass er aber gestern so doof zu dir war, — entschuldige bitte —, ist indirekt meine Schuld." Nun verstehe ich noch weniger. Verwirrte Blicke werfe ich dem Schulsprecher zu, welcher er nahtlos erwidert.
„Du musst verstehen, wir in der Klasse wissen schon länger, dass du hier herkommst. Die Lehrer haben keinen Hehl daraus gemacht." Wie lange läuft das Spiel meines Vaters bitte? Seit wann hat er schon geplant, dass ich England verlassen muss?

„Für meinen Teil—", führt Jin fort.
„—ich habe schon immer jemanden kennenlernen wollen, der deine ehemalige Schule besucht. Ich möchte dort selbst eines Tages ein Auslandsprogramm beginnen. Mein Schwärmen über diese Schule hat Joon als Schwärmen für dich und deine bemerkenswerten Noten missverstanden. Er mag zwar viel Grips im Kopf haben, aber bei so machen Angelegenheiten setzt es bei ihm einfach aus." Er wendet sich kurz ab und winkt seinem Freund zu. Mit einem zerknirschten Lächeln entegegnet er ihm.

„Und? Wirst du uns trotzdem begleiten? Ich denke bis dahin habe ich ihn so weit, dass er sich auch persönlich bei dir entschuldigt." Sein Lächeln ist wirklich atemberaubend.

„Was — eh... Ja, ich komme. Wo soll ich dann hinkommen?" Besonders Lust habe ich eigentlich nicht mit den beiden zu gehen, aber ist mir im Augenblick jede Möglichkeit zu flüchten lieber, als zu Hause in der Nähe dieser Familie zu sein. Vielleicht ja auch was zu trinken, das mir hilft zu vergessen und abzuschalten.

„Oh, toll! Gib' mir einfach deine Nummer in der nächsten Pause und ich schreibe dir alles, was du brauchst."

In diesem Augenblick kommt der Lehrer wieder zurück in den Saal, ein dickes Buch unter den Arm geklemmt, und wirft Jin und mir tadelnde Blicke zu. Zügig verschwindet der hübsche Junge zurück an seinen Platz.

„Wir sind in der Pause am alten Kirschbaum. Komm', wenn du willst."

Overlooked | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt