40. Yoongi knows best

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꧁Taehyung꧂

Ich schlage die Augen morgens auf. Es ist noch früh und Jungkook an meiner Seite schläft tief und fest, ein Skizzenbuch mit neuen Zeichnungen von mir darin, fest an seine Brust gedrückt. Mein Arm liegt um ihn und sein Kopf kuschelt sich an mich. Sachte atmet er ein und aus. Als ich endlich etwas zu mir komme, eine dünne Decke liegt über uns, schmunzele ich bei dem Anblick des Jüngeren. Seine Wärme tut gut auf meiner nackten Haut. Ich neige meinen Kopf etwas nach vorn, sodass meine Lippen sein weiches Haar berührt. Es riecht gut.

„Gott, wo ist das Ding?", grummle ich leise und suche nach meinem Handy, das eigentlich auf der Matratze hinter mir liegen sollte. Als etwas Kaltes meinen entblößten Rücken berührt, weiten sich meine Augen. Gefunden. Ungeschickt und mit nur einer Hand schreibe ich Yoongi eine Nachricht. Vieles schwirrt in meinem Kopf nach dem letzten Abend.Vielleicht bringt er etwas Licht ins Dunkle.

You
Ich brauch mal deinen Rat
Sent: 08:11 a.m

You
Dringend eigentlich ...
Sent: 08:11 a.m

You
Guten Morgen
Sent: 08:11 a.m

Yoon
Last seen: yesterday 03:24 a.m

Ich seufze. Yoongis Nachtaktivität ist mir mehr als bekannt, doch stört sie mich in diesem Moment ungemein. So löse ich mich vorsichtig von dem Schlafenden an meiner Brust und klettere so vorsichtig wie möglich aus dem Bett, schleiche aus dem Zimmer und trotte müde die Treppen hinunter in Richtung Küche.

Jungkooks Worte haften in meinen Gedanken wie Kleister, auch wenn die Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit mein Herz beinahe zum Flattern bringen. Ich wusste am letzten Abend allerdings nicht, was ich ihm antworten sollte. Ich weiß es doch nicht, was passiert, wenn sie wieder zurückkommen.

„Yejin, Papa..."

Die ausgetauschten Familienfotos auf den Regalen und Wänden lächeln mir allesamt gehässig entgegen. Als hätten sie nur darauf gewartet, mich auf frischer Tat zu ertappen. Ich muss aus eingestehen, dass ich oberkörperfrei, mit zerzausten Haare und einem dunkelroten Fleck am Hals in der Küche stehe. Müde lasse ich mich auf einen Stuhl am Esstisch fallen und fahre mir anschließend mit den Händen durch das Gesicht. Der folgende Blick auf mein Handy versetzt mir aber einen förmlichen Schlag. Unzähligen verpassten Anrufe und Nachrichten meines Vaters und Jungkooks Mutter.

Mir wird schlecht.

„Mensch, Yoongi, geh' ran!", klage ich und bete, dass mein Freund sich irgendwie aus seinem festen Schlaf wecken lässt. Mein Gewissen wächst mir gerade über den Kopf.

Ich habe zu nah am Feuer gespielt.

„Bist du lebensmüde?" Eine grummelige und raue Stimme erklingt am anderen Ende der Leitung. Mir fällt ein ganzer Fels von den Schultern, als er abnimmt. Dieses Gefühl wird aber ganz schnell von Verwunderung abgelöst, als ich in Yoongis Hintergrund ein helles Jammern erkenne.

„Hast du gerade Sex?!"

„Klappe! Beide!", ertönt darauf die Stimme meines Freundes und ein leichter Klaps ist zu hören. Wieder ein Jammern, und mich haut es beinahe vom Stuhl.

„Was willst du, Tae? Wir sind... beschäftigt." Eine Pause.

„Ja... Das höre ich. 'Tschuldigung."
Ich beiße mir auf die Lippe, nicht fähig, den Anfang zu finden.

„I-ich hab' glaub ich Mist gebaut, Yoon."

„Schon wieder?" Ich schüttle den Kopf, als könnte es Yoongi sehen.

„Nein, ich... Also wir..." Ich stocke, suche nach Worten, doch rennen sie mir alle davon.

„Du liebst ihn."

Yoongi weiß alles und löst alles, was sich vor ihm verschlüsselt. Wenn ich ihn nicht hätte...
So senke ich den Kopf. Es nützt doch wirklich nichts, mir weiter etwas vorzumachen .

„Ja."

„Und er dich?" Ich atme tief durch, nicht sicher, was ich ihm antworten soll.

„Ich weiß es nicht. Ich habe ihn noch nicht gefragt, geschweige denn es ihm überhaupt gestanden. M-mir geht das alles so schnell. Vor allem nach der Su—"

Er bremst mich aus. Seine sanfte Stimme bringt mich zur Ruhe.
„Du hast Angst, wie es weitergeht, wenn dein Vater und seine Mom zurückkommen. Nicht wahr? Dass er dich zurückweist, ist nicht einmal deine größte Sorge."

„100 Punkte...", bestätige ich niedergeschlagen. Gestern Abend und heute Morgen war die Welt in Ordnung. Wäre ich doch an Jungkooks Seite geblieben und hätte den Moment genossen. Die Sorgen hätten auch noch auf mich warten können.

„Sagt es ihnen, wenn sie zurückkommen und du mit Jungkook gesprochen hast. Aber glaube mir. Laut Jimin." Er macht eine kurze Pause.
„Also, laut Chim brauchst du dir um ihn keine Gedanken zu machen."

Ein Lächeln. Meine Wangen beginnen zu glühen. Wenn Yoongi und Jimin recht haben, steht uns nur mein Vater im Weg. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich mich ihm entgegensetze. Diesmal bin ich dann noch nicht einmal allein.

Ich beende das Telefonat mit 100 Entschuldigungen und genauso vielen Danksagungen. Das Augenrollen meines Freundes kann ich bis hierher hören.

„Wenn ich dich nicht hätte, Yoon", lache ich und wuschele mir durch das wirre Haar.
„Dann hättest du jemand anderen, der dich ertragen muss. Bis dann. Nerv' jemand anderes." Er legt auf, doch kann ich sein anschließendes Kichern noch hören.

Zufrieden lehne ich mich zurück. Vor lauter Telefonieren habe ich nicht bemerkt, wie jemand die Treppen heruntergeschlichen ist. Zwei besorgte Augen mustern mich.

„Du willst es ihnen sagen?"

Overlooked | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt