꧁Taehyung꧂
„Seid lieb zueinander, ja?"
Ich nicke, die Hände unter den Ärmeln meiner Jacke nervös knetend. Yejin schenkt mir zum Abschied ein Lächeln.
„Wir sind bald wieder zurück", ist das, was von ihm einer Verabschiedung am nächsten kommt. Mein Vater ist eben mein. Was habe ich denn anderes erwartet?„Pass' mir gut auf Jungkook auf, mein Lieber."
Seufzend wende ich mich von der Haustür ab und steuere anschließend auf das Wohnzimmer und dessen Couch zu. Der Motor des Autos in der Einfahrt ist noch für kurze Zeit zu hören.
„Jetzt sind sie weg", bemerke ich, auf die Polster fallend. Ich bin erschöpft. Ganze 14 Tage wird sich das Zuhause wieder mehr wie mein altes Zuhause anfühlen. Papa ist immerhin früher nur auf der Arbeit gewesen. Es fehlt nur noch Mama in unserem Haus, die spontan auf die Idee kommt eine Bastelaktion zu starten. Ich vermisse sie jeden Tag etwas mehr.
Ich öffne kurze Zeit später meine Augen und bemerke nach einem kurzen Blick auf die Uhr, dass ich fester eingeschlafen sein muss. Es ist spät am Abend. Unklar, in welchem Universum ich mich genau befinde, raffe ich mich auf. Die Couch knarrt.
„Gott...", stöhne ich auf, als ich mich erhebe und mir anschließend durch das Gesicht reibe. Mein Weg führt mich gähnend ins Esszimmer. Vor lauter Müdigkeit fallen mir die Zeichenutensilien auf dem Tisch nicht auf. Er ein Rascheln aus der Küche lässt meine Sinne wieder aus ihrem Schlaf erwachen.„Oh", gibt der Jüngere von sich. Er ist gerade mit einem Getränk und einem Teller mit Trauben in den Händen aus der Küche getreten. Seine Augen haben nicht mehr den verängstigen Schimmer in sich, den ich das letzte Mal in ihnen gesehen habe. Wir haben seit dieser Party nicht mehr miteinander gesprochen. Wir haben uns kaum gesehen.
Die Party ist bereits eine Woche her.
Ich hole Luft, denn sein plötzliches Auftauchen und erschrockener Blick hat mir förmlich einen Schlag verpasst, und möchte gerade etwas zu ihm sagen, da verschwindet er wieder in Richtung seines Zimmers.
So geht das schon die ganze Woche lang.
„Warte, bitte!" Ich halte das so nicht mehr länger aus. Nach Jimins Berichten, die er Yoongi hatte zukommen lassen, dachte ich wirklich, wir alle könnten diesen Abend einfach vergessen. Mir hätte gleich kommen sollen, dass ich das für Jungkook nicht entscheiden kann.
„Rede mit mir, Jungkook." Ich habe ihn am Arm gepackt. Gleichgültig schaut er mich an. Dieser Abend hat ihm stark zugesetzt. Wieder frisst er nur alles in sich hinein, spricht nicht, lässt sich nicht helfen.
„Es ist doch schon passiert", entgegnet er leise und löst seinen Arm aus meinem Griff, doch anstatt die Treppen nach oben zu verschwinden, huscht er an mir vorbei und tritt anschließend durch die Tür neben der Küche in den Keller. Er lässt sie weit offen stehen.
Ich hole ihn erst wieder ein, als ich alle Räume im untersten Stock durchquert habe und im Garten ankomme. Er ist noch recht warm draußen und die Sterne funkeln. Bis auf die Beleuchtung des Pools ist vom Garten nichts weiter zu erkennen.
„Weißt du, als du hier hergekommen bist und das erste Mal mit deinem Freund telefoniert hast — du warst schon etwas töricht dich einfach so nach unten zu schleichen und nur die Badezimmertür zu verschließen." Der Jüngere sitzt am Beckenrand und seine Füße befinden sich
im leicht wiegenden Wasser.Ich setzte mich mit etwas Abstand an seine Seite. Meine Wangen müssen Kirschrot sein vor lauter Scham.
„Du bist aber auch nicht besser, wenn du gelauscht hast", versuche ich meine Weste von ihren Flecken zu befreien.
„Ich konnte es nicht überhören. Die Tür, hinter der du dich versteckt hast, ist nicht wirklich dick." Resignierend nicke ich.„Solange du Spaß hattest", kichert er und lehnt zu meiner Überraschung anschließend seinen Kopf an meine Schulter.
Wir sprechen zunächst kein weiteres Wort, sondern beobachten einfach das Wasser zu unseren Füßen. Es wird langsam Herbst, doch die Wärme bleibt.
„Jin hat erzählt, dass, wenn du bei der Polizei eine Aussage machst, diese Kerle ihre gerechte Strafe erhalten." Ich empfinde es als den richtigen Moment, diese Sache anzusprechen,
Ein Fehler.
Der Junge an meiner Seite versteift sich beim Erwähnen der Personen, die—
„Nein." Er rückt von mir ab.
„Das wird nichts ändern" Die Füße aus dem Wasser ziehend, kauert der Jüngere sich zusammen und bettet seinen Kopf auf seine angewinkelten Knie.„Doch, Jungkook. Wir haben genug Beweismaterial. Du wirst endlich deine Ruhe haben", entgegne ich voller Hoffnung. Es muss doch endlich aufhören.
„Ich möchte nicht darüber sprechen. Punkt." Er richtet seinen Blick starr geradeaus. Sein Atem hat sich beschleunigt. Ich könnte schwören, ein leises ‚ich kann das nicht', von ihm zu hören.
„Wenn du dir nicht helfen lässt, dann—"
Er wendet mir seinen Kopf, als ich weiter argumentieren möchte, entgegen. Dieser Schimmer ist zurück, Tränen auch.
„Wenn sie dann zurückkommen, wird es noch schlimmer. Hörst du nicht!" Völlig außer Atem; er holt Luft.
„Ich möchte vergessen."
Ihm versuchend zu helfen, rücke ich näher, darauf bedacht meine Hand beruhigend auf seinem Rücken abzulegen. Seine Worte hindern mich.„Jedes Mal, wenn mich jemand berührt, denke ich, dass sie es sind. Egal, wie sehr ich versuche es zu ignorieren." Das verpasst mir einen Stich. Erschrocken ziehe ich die Hand zurück.
„A-aber du hast mich umarmt. I-ich habe dich bedrängt — geküsst."
Er hebt den Kopf und lächelt mir, mit Tränen überströmen Gesicht entgegen.
„Du erinnerst mich stark an meinen ersten Freund. Aber spiegelt sich dein Verhalten zu seinem", spricht er, bevor er sich in das von Licht durchsiebte Wasser fallen lässt.
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Overlooked | Taekook
Fiksi PenggemarFür die Hochzeit seines Vaters und dessen neuer Frau kehrt Taehyung aus Großbritannien zurück und erfährt kurzerhand, dass er von nun an einen Stiefbruder haben wird. Dieser scheint das ideale Gegen- und Ersatzteil zu dem freigeistlichen Sohn zu sei...