Kapitel 30 ~ Warte, was?

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Kyle POV

Als sich die Jungs schon beim Frühstück so ungewöhnlich benahmen, freute ich mich, dass ich heute meine Mutter vom Bahnhof abholen sollte und deshalb nicht in die Schule musste. Eigentlich war ich eher nicht begeistert, obwohl ich zumindest ein paar Stunden Schule verpassen würde. Meine Mutter wusste, wo Liz und ich wohnten und sie hatte es schon oft geschafft, uns ohne meiner Hilfe zu besuchen. Daraus konnte ich schließen, dass sie etwas besonderes vorhatte. Was ich ihr auch raten wollte, immerhin hatte sie Liz an ihrem Geburtstag nicht angerufen, sie hatte ihr auch keine Nachricht gesendet. Auch wenn Liz' Geburtstag schon vor einigen Monaten war, hatte unsere Mom uns seitdem nicht besucht. Mich störte das nicht, ich hatte noch nie die beste Beziehung zu meiner Mutter, aber Liz würde Mom lieber öfter sehen. Am liebsten würde sie vermutlich noch bei ihr wohnen, aber das ging bei Moms Arbeit nicht. Wenigstens konnte ich mir ziemlich sicher sein, dass sie etwas großes als Wiedergutmachung für Liz geplant hatte. So war Mom nun mal. Sie vergaß auf den Geburtstag ihrer Tochter und hatte beim nächsten Besuch eine große Überraschung und hoffte auf Versöhnung, die sie dank ihres guten Einfalls auch bekam. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass dieses Jahr das erste war, in dem Mom sich nicht an Liz' Geburtstag erinnerte, aber wenn sie an dem Tag nicht zufällig bei uns war, konnte man sich darauf verlassen, dass sie sich nicht erinnern würde.



'Aus den Augen, aus dem Sinn', dachte ich betrübt und parkte mein Auto vor dem Bahnhof. Ich schaffte es, schadenfroh zu grinsen, als ich daran dachte, dass die anderen an dem Tag zu fünft in einem Auto gefahren waren, da wir normalerweise mit beiden Autos fuhren und ich meistens mindestens einen der Brüder mit in mein Auto nahm, zusätzlich zu meiner Schwester, die an dem Tag vermutlich gemütlich im Beifahrersitz gesessen hatte, weil die Jungs sie nicht zu sehr bedrängen wollten. Liz wurde von ihnen wie eine Prinzessin behandelt. Genau gleich wie Natalie vermutlich behandelt wurde.

Ich versuchte mein Grinsen zu bewahren, indem ich daran dachte, dass die anderen gerade im Unterricht saßen, aber ich war mir nicht sicher, ob ich das nicht auch lieber machen würde. Ich sah auf mein Handy, während ich mich dem Zug meiner Mutter immer mehr näherte. Jack hatte in die Gruppe geschrieben, dass die anderen auf den Parkplatz sollten. Ich schrieb zurück und fragte, ob alles in Ordnung war, aber da die Nachricht schon fast eine halbe Stunde her war, las niemand was ich schrieb. 'War vielleicht unwichtig', dachte ich und steckte mein Handy wieder in meine Hosentasche. Ich hatte gesehen, dass der Zug meiner Mutter bald kommen würde und es war vermutlich nicht optimal sie warten zu lassen.

Ich ging weiter, musste aber immerzu an die Nachricht von Jack denken. Sie war mitten in der zweiten Stunde geschrieben worden und vermutlich hatten sie sich alle schon längst getroffen. Ich fand keine Erklärung, warum Jack seine Brüder anforderte Unterricht zu schwänzen, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass Rose etwas damit zu tun hatte.



Ich war fast angekommen, als ich Rose sah. Sie rannte und schien sich über jedes mögliche Hindernis bewusst zu sein. Ich wollte sie zwar nicht aufhalten, falls sie zu spät für irgendetwas war, aber ich müsste wissen, ob sie wirklich der Auslöser für Jacks Nachricht war, also ging ich bloß ein paar Schritte zurück und schon lief sie in mich rein.

"Was willst du, Kyle?", zischte sie, etwas außer Atem. Ich grinste, da ihre Stimme, so wie sie klang, jetzt als sie ganz außer Atem war, wirklich heiß war. Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich grinste weil sie mich aus dem Konzept gebracht hatte und überspielte es durch mein typisches selbstbewusstes Grinsen. Ihre Atmung normalisierte sich schnell wieder und ihr Körper, welcher vor wenigen Sekunden noch ganz angespannt war, entspannte sich merklich, während ihr gestresster Gesichtsausdruck ein Wenig ruhiger wurde. "Was willst du?", fragte sie erneut. Diesmal jedoch deutlich ungeduldiger, was mich aufgrund ihrer neuen Körperhaltung sehr verwirrte. 'Scheiße, ich habe keinen Grund sie aufzuhalten. Ich kann auch nicht sagen "Jack hat etwas in die Gruppe geschrieben und ich wollte wissen, ob du etwas damit zu tun hast", oder?', fiel mir plötzlich ein und ließ mich leicht panisch werden. Ich überlegte für einen Moment wirklich, ihr diese Frage zu stellen, entschied mich jedoch dagegen. "Was machst du während der Schulzeit an einem Bahnhof?", fragte ich stattdessen gespielt streng. "Was machst du während der Schulzeit am Bahnhof?", fragte sie mit einem herausfordernden Blick und gab mir dadurch etwas Zeit, um einen besseren Grund zu finden, warum ich sie aufgehalten hatte.

Rose Black ~ Der Vergangenheit entkommt man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt