Claras POV
Als die Schule endlich aus war, warfen Natalie und ich uns erschöpft auf das Sofa. Sie war ziemlich in Gedanken versunken, also beschäftigte ich mich mit meinem Handy. Früher hatte ich sie immer gefragt, was los war, wenn sie mich besorgt hatte, aber mittlerweile tat sie es zu oft und sagte mir nie, was sie wirklich beschäftige. Ich hatte Antworten wie 'Ich überlege nur was ich essen soll' oder 'Ich denke gerade nur an den nächsten Test' bekommen und musste irgendwann aufgeben. Wir waren beste Freundinnen, sie würde mir doch sagen, wenn etwas sie beschäftigte, oder?
Ich sah kurz von meinem Handy zu ihr rüber. Da ich in Gedanken war, hatte ich nicht bemerkt, dass mein Handy verkehrt herum war, aber auch Natalie hatte nichts bemerkt. Ich sah, dass auch sie mit ihrem Handy beschäftigt war und gedankenverloren über Linus' -oder wie auch immer der Kater hieß- Fell streichelte. Ich verstand nicht, wie man Katzen mögen konnte. Plötzlich hob Natalie ganz vorsichtig den Kater von ihrem Schoß und wollte aufstehen. "Was hast du vor?", fragte ich, um zu wissen, welches Outfit ich anziehen sollte um mitzukommen. "Ich treffe mich mit Liz", sagte sie, als wäre das ganz normal. Vielleicht war es das mittlerweile auch, aber normalerweise hätte sie mich gefragt, ob ich mitkommen will, bevor sie Pläne machte. Zumindest hatte sie das Zuhause immer gemacht. "Warum?", fragte ich misstrauisch, weil sie nicht den Anschein machte, als würde sie mich bald fragen, ob ich mitkommen wollte. "Sie berät mich darüber, was jetzt mit den Jungs ist", erklärte sie locker. 'Das schon wieder? Das hatten wir doch schon in der Schule und am Weg nach Hause', dachte ich enttäuscht. Meinen Rat aka den Rat ihrer besten Freundin wollte sie nicht, aber sie wollte den Rat einer fast Fremden? "Warum brauchst du ihre Hilfe? Du hast mich", sagte ich und wusste, dass ich verzweifelt klang, aber ich versuchte meine Gedanken höflich auszudrücken, denn das, was ich echt dachte, wollte Natalie nicht wissen. Natalie ignorierte diese Aussage und verabschiedete sich mit einem sarkastischen 'Viel Spaß alleine zu Hause'. Enttäuscht setzte ich mich auf den Boden und starrte auf die geschlossene Tür. Hatte sie mit ihrem Ignorieren gemeint, dass sie mich nicht brauchte? Dass Liz nun ihre beste Freundin war? Ich wusste, dass ich mir wieder zu viele Gedanken machte, aber sie war meine beste Freundin und ich wollte sie nicht verlieren. Zumindest nicht endgültig. Seit ihre Brüder verschwunden waren war sie ein anderer Mensch. Sie war trauriger, ruhiger. Natürlich hatte sie sich nicht nur zum schlechteren verändert, aber ich wollte sie zurück haben. Ohne den Schmerzen in den Augen, weil sie wusste, dass jedes Lächeln eine Lüge war. Sie konnte schauspielern, lügen und alle täuschen, aber ich war ihre beste Freundin, ich wusste wann sie log, wann sie mir etwas verschwieg und wann sie die Wahrheit sagte. Ich hasste es, dass ich beim Telefonieren nicht hören konnte, ob sie die Wahrheit sagte oder nicht. 'Ich will meine beste Freundin zurück', dachte ich, als ich in ihr Zimmer ging.
Einige Stunden später begann ich mir langsam Sorgen zu machen. Wo blieb Natalie? Ich entschied, dass sie und Liz einfach zu viel Spaß hatten, um auf die Uhr zu sehen und machte mich bettfertig. Es fühlte sich an, als hätte ich gerade die Augen geschlossen, als die Tür plötzlich mit einem leisen Quietschen aufging. "Und? Hat deine beste Freundin dir hilfreiche Tipps gegeben?", fragte ich genervt. Einerseits, weil Natalie mich geweckt hatte und andererseits, weil sie zu Liz statt mir für Hilfe gegangen war. Es tat weh, dass ich nur, weil Natalie wegziehen wollte, meine beste Freundin verloren hatte. Nicht nur sie hatte mich durch Liz ersetzt. Auch bei Jack merkte ich, dass er sich nicht mehr für mich interessiere, nur weil Liz existierte, dabei konnte ich ihm alles über seine Schwester erzählen. "Ja", antwortete Natalie und holte mich dadurch aus meinen Gedanken. Auch wenn dieses 'Ja' sich auf meine Frage bezog und ich sie dadurch herausgefordert hatte, es zu sagen, tat es weh. Es fühlte sich an, als würde das 'Ja' auch auf meine Gedanken zutreffen. Natalie hatte gesagt, dass Liz ihre beste Freundin war, aber insgeheime hatte die Antwort auch auf Jack zugetroffen. Beide mochten Liz lieber als mich. 'Ich möchte meine beste Freundin wieder haben', dachte ich als ich mich auf die andere Seite drehte und versuchte schnell einzuschlafen, damit Rose den verflixten Kater reinlassen konnte.
Pünktlich um viel-zu-früh-am-Morgen klingelte der Wecker und riss mich damit aus meinem erholsamen Schlaf. Ich hasste das Aufwachen, weil es mich immer aus meinen schönen Träumen holte. Ich gab es nur ungern zu, aber Jack spielte die Hauptrolle in den meisten meiner Träume. Meine beste Freundin war schon aufgestanden, aber das war ich gewohnt. Morgens waren ihre Augenringe besonders stark erkennbar, weshalb sie auch versuchte diese immer
zu Überschminken bevor jemand sah, wie müde sie wirklich aussah und wenn sie wieder besonders schlecht schlief, brauchte sie mindestens einen Kaffee um die Augen offen halten zu können. Sicher, ich liebte Natalie, aber ihr Schlafrhythmus war einfach nervig. Nur weil ihre Brüder abgehauen waren hatte sie Alpträume? Außerdem hat sie diese wieder zurück. 'Nur ich habe alle White-Geschwister verloren', dachte ich selbstmitleidig und schlürfte schläfrig ins Badezimmer.In der Schule angekommen bemerkte ich schon vor dem Unterricht, dass Aiden, Liz und Natalie sich immerzu Blicke zuwarfen. Irgendwann schüttelte Natalie ihren Kopf und Liz' Schultern fielen enttäuscht nach unten. Ich lächelte schadenfroh vor mich hin, bis sie zu den Jungs ging, besser gesagt, zu Jack. Als dieser sah, dass Liz traurig war, zog er sie in eine Umarmung und lächelte mehr als zufrieden in ihr Haar. Als sie sich aus seiner Umarmung löste, sah sie wieder glücklich aus und die zwei redeten. Mir entging der viele Körperkontakt der beiden nicht und auch Natalie schien ihn zu bemerken denn sie klopfte mir mitleidig auf die Schulter, sah aber äußerst glücklich darüber aus, dass Liz und Jack so vertraut miteinander umgingen. Ich schnaubte und ging voraus. Wenn Rose lieber ihrer neuen besten Freundin Glück in der Liebe wünschte, sollte sie sich von mir fernhalten. 'Danke Liz, dass du mir die zwei wichtigsten Menschen in meinem Leben wegnimmst', dachte ich sarkastisch, während ich den Abstand zwischen mir und Rose vergrößerte.
Da ich die ganze erste Stunde weder dem Lehrer zuhörte, noch mit Natalie sprach, hatte ich eine Menge Zeit, um einen Plan auszutüfteln. Einen Plan um Natalie und Jack auf einen Schlag zurückzubekommen. 'Ich werde Jack ein Geschenk geben, nach dem er nicht anders kann, als mich zu lieben und ich weiß auch schon was das wird', dachte ich als ich mich auf den Weg zu Jack machte.
Ich würde ihm das schenken, was er sich auf der ganzen Welt am meisten wünschte.
Ich würde ihm seine kleine Schwester zurück geben.
1106 Wörter
Ich hoffe es gefällt euch.
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Rose Black ~ Der Vergangenheit entkommt man nicht
RomanceNachdem Natalie erfahren hatte, dass sie schon wieder ein Familien Mitglied verloren hat und sie alleine mit ihrem gewalttätigen Vater zurück gelassen wurde, konnte sie es endlich machen. Schon seit drei Jahren wünschte sie sich nichts mehr, als end...