Kapitel 03 • Erinnerungen •

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Schlaftrunken bürstete ich durch meine blonden Locken und merkte erst vor dem Spiegel, dass mir die zotteligen Strähnen bis zur Mitte meiner Taille reichten. So lang wie sie waren, so anstrengend war auch die unmögliche Pflege. Heute Morgen schaffte ich es früh in die Duschräume, bevor die ganzen Jungs aufwachten. Die Zeit nutzte ich vor wenigen Minuten noch für meine erste Dusche, musste mich danach aber vor dem Spiegel sammeln, da das Wasser mich buchstäblich eiskalt erwischt hatte. Es gab kein warmes Wasser. Nicht annähernd. Während ich bürstete, zitterte ich wie Espenlaub und konzentrierte mich auf die Hitze, die mich erwartete, sobald ich die Duschräume wieder verließ.

Doch vorher, hatte ich noch einen Moment der Ruhe für mich. Das erste Mal seit diesem komischen Vorfall, war ich allein. Das Bürsten fühlte sich glatt meditativ an und kurz glaubte ich, gar nicht in einem Labyrinth fest zu stecken. Ich stand Daheim. In meinem eigenen Bad und meinen eigenen tausend Cremes und Shampoos. Ein Gefühl von Heimat durchdrang meine Adern, die augenblicklich durch ein Klicken gestört wurden.

Wie durch einen Strudel zurück gerissen, stand ich wieder vor dem verstaubten Spiegel im hölzernen Duschraum und starrte in meine grauen Augen.

Ich blinzelte und erkannte im Spiegelbild Newt, der gerade zur Tür eintrat. Scharf zog ich die Luft ein und wirbelte herum. Musste dieser Typ mich jedes Mal erschrecken? Er versuchte mit seinen Fingern die zerstrubbelten Haare zu ›kämmen‹, erstarrte in der Position jedoch, als er zu mir sah.

»Ich... äh...«, stammelte er unbeholfen.

»I-Ich war gerade fertig«, warf ich zurück. Meine Wangen glühten und nachdem ich alle ›meine‹ Habseligkeiten zurück gepackt hatte, drängelte ich mich an ihm vorbei und quetschte mich durch die Tür nach draußen ins Freie. Warme Luft strömte mir entgegen und sofort vermisste ich die kalte Dusche doch wieder. Diese Situation war mir so peinlich, dass ich mich ernsthaft fragte, wie das in Zukunft laufen sollte. Als einziges Mädchen funktionierte das mit der Privatsphäre etwas weniger gut.

Mit grummelndem Magen machte ich mich auf dem Weg in die Küche. Dort duftete es bereits verdächtig, allerdings kam mir der Geruch bekannt vor. Als ich mich in der Schlange zum Essen holen anstellte, wusste ich aber auch, weshalb. Kurze Zeit später stand ich mit einer Schüssel vor Bratpfanne und sah zu, wie er mir eine rote, pampige Flüssigkeit in die Schüssel klatschte. Weiße Bohnen, die Reste von gestern. Lecker. Nicht.

Enttäuscht setzte ich mich auf einen freien Baumstamm und rührte die matschigen Bohnen herum. Irgendwann brauchten wir doch bald etwas genießbareres. Dieses Dosenfutter brachte uns auf Dauer sicher um. Dennoch war ich dankbar dafür, überhaupt etwas essen zu können und schaufelte die Bohnen mit der Sauce in mich hinein. Es half gegen den steigenden Hunger und nur das zählte.

Wenig später setzte sich Newt dazu. Irgendwie hatte es sich so entwickelt, dass wir automatisch miteinander interagierten. Als würden wir uns schon lange kennen.

»Sorry, wegen vorhin. Ich wusste nicht, dass du da noch drin warst. Wir brauchen für so was echt ein Alarm-Signal, oder so.« Peinlich berührt zog er den rechten Mundwinkel hoch und war selbst nicht begeistert von dem Frühstück.

»Vielleicht kriegen wir ja noch so was in der Art«, scherzte ich. Diese Box in der Mitte der Lichtung war seitdem letzten Tag nicht mehr hochgekommen und ich fragte mich, ob es für immer so blieb und wir jetzt auf uns allein gestellt waren. Stattdessen aber, weckte etwas anderes unsere Aufmerksamkeit.

Ein markerschütterndes Geräusch ertönte und jeder von uns zuckte zusammen. Ein Junge verschluckte sich, der andere schnodderte die Suppe nach dem Einnehmen aus der Nase wieder heraus. Wie auch immer das funktionierte. Ich klammerte mich an meiner Schüssel fest, erlitt gefühlt einen Herzinfarkt und drehte meinen Kopf in jede Richtung, um zu schauen, woher der Ton kam.

Their Darkest Times | Newt x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt