Kapitel 22 • Gespräche •

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Tage zogen sich ins Land und auf der Lichtung veränderte sich nichts. Bis auf die Tatsache, dass ich, seitdem Newt bei mir schlief, jeden Tag mit einem Lächeln im Gesicht aufwachte und einem ganz bestimmten, gleichmäßigen Herzschlag lauschte. Oft wachte ich früher auf als Newt und konnte ihm eine Weile beim Schlafen zu sehen. Wenn seine Augen geschlossen waren und er immer noch im Land der Träume umherstreifte, wirkte sein Gesicht völlig sorgenfrei. Kein Gedanke sorgte dafür, dass sich seine Stirn in Falten legte oder seine Augenbrauen nachdenklich zusammen zogen. Wenn Newt dann neben mir aufwachte, konnte ein Tag auf der Lichtung kaum schöner starten.

Zu Beginn sah das für die anderen Lichter noch verdammt seltsam aus, aber mittlerweile gewöhnten sie sich daran. Manche brachten den einen oder anderen Witz, warum sie nicht schneller handelten als Newt. Dann würden sie diejenigen mit einer Freundin sein. Jetzt war das einzige Mädchen auf der Lichtung vergeben und was ich dabei beobachten konnte war, dass einige Jungen nicht mehr so unglaublich nett zu mir waren, wie sonst immer. Es war nicht so, dass manche Jungs mich jetzt schlechter behandelten. Sie schenkten mir nur nicht mehr diese überschüssige Aufmerksamkeit und daran mochte ich mich glatt gewöhnen.

Deswegen saßen wir auch in Ruhe beim Frühstück und mussten uns keine blöden Kommentare anhören. Zumindest an diesem Morgen nicht. Ich lehnte an Newts Schulter und allein das sorgte dafür, dass der klebrige Haferbrei automatisch besser schmeckte. Vielleicht lag es aber auch einfach am Obst.

»Ich bin dafür, wir machen heute frei«, gähnte ich und streckte meine Arme, nachdem ich mit dem Essen fertig war. Newt grinste.

»Du hattest deinen freien Tag bereits. Bis zum nächsten dauert es eine Weile«, nickte er und schaufelte sich noch die letzten Reste in den Mund. Seufzend gab ich mich geschlagen und nahm seine Schüssel mit meiner zum Abwasch. Danach ging es auch wieder mit der Arbeit los. Es war dasselbe wie immer. Aufstehen. Essen. Arbeiten. Essen. Schlafen. Und das wiederholte sich in Wochen und sogar Monaten.

Auch heute schnappte ich mir wieder die Gartenharke, grub in der Erde herum und pflanzte neue Samen ein. Die Sonne zerfetzte mir gefühlt meine Kopfhaut und ich schwitzte schneller als sonst. Oder bildete ich mir das ein? Zumindest musste ich mehr trinken und die Jungs gingen mir häufiger auf die Nerven als sonst. Nur Newt wollte ich bei mir haben und vor seiner Schaufel konnte ich abermals ein paar Marienkäfer und Regenwürmer vor dem sicheren Tod bewahren. Wir legten sogar einige Pausen mehr ein, so hatte ich das Gefühl. Aber trotzdem rief die Arbeit und wir mussten uns ran halten. Jedoch wusste ich nicht, was von beiden Auswahlmöglichkeiten besser war. Sich hier im Garten den Hintern abzurackern oder im Labyrinth den ganzen Tag schwitzend durch verworrene Steingänge laufen.

Laut dem, was ich von Newt erfahren hatte, fanden die Läufer nichts Neues heraus. Nur, dass es nun acht Abschnitte gab und diese sich in jeder Nacht veränderten. Das einzig gute war, dass sich wohl ein einwöchiger Rhythmus bildete und sich die Jungs so einen leichteren Weg errechnen konnten. Seitdem ich einen Griewer-Stich abbekommen hatte, hielt ich mich jedoch bewusst fern von dem Labyrinth. Hier auf der Lichtung fühlte ich mich sicherer. Viel sicherer. Und da ich nun wusste, dass es auch tagsüber vereinzelt Griewer dort gab, wuchs meine Angst vor dem Labyrinth mehr.

»Willst du was trinken?«, weckte mich Newt aus meinem Gedankengang und hielt mir eine Flasche Wasser hin. Lächelnd nahm ich sie an und löschte meinen Durst. Bald war es wieder Zeit fürs Abendessen und die Läufer kamen nacheinander zurück. Minho und die anderen steuerten direkt das Kartenhaus an. Ben folgte ihm. Ben gehörte erst seit kurzem zu den Läufern und wechselte von den Baumeistern zu ihnen. Ich verstand zwar nicht, warum man unbedingt neue Läufer brauchte, wenn es ohnehin keinen Ausgang gab, aber einmischen wollte ich mich da auch nicht. Vielleicht mussten die auch einfach selbst lernen, dass die Suche umsonst war.

Erneut schüttelte ich die negativen Gedanken ab und konzentrierte mich ganz darauf, die Werkzeuge wieder zurück zu räumen und mit Newt zum Essen zu gehen. Dieser lenkte mich jedoch in eine ganz andere Richtung.

»Hast du vergessen, wo wir essen?«, neckte ich ihn grinsend. Er legte seinen Griff sanft um mein Handgelenk und führte mich Richtung Waldstück.

»Wir essen heute nicht mit den anderen«, erwiderte Newt bloß, was mich nur noch mehr verwirrte. Wo sollten wir dann essen?

Ich trat über Zweige und Laub, stolperte einmal fast über einen Stein oder rempelte Bäume an (Entschuldigt, Mr. und Mrs. Baum). Nach einer halben Ewigkeit lotste mich Newt dann aber auch durch ein Gebüsch, weswegen sich einzelne Blätter in meinen Locken verfingen. Einzeln pulte ich sie raus und als ich aufsah, stockte mir der Atem. Auf dem Boden vor uns lagen ein paar Decken ausgebreitet. Auf diesen Decken lagen Kissen, zwei Schüsseln, Brot und zwei Becher mit Wasser. Sicherlich sah es in vielen Filmen um einiges ästhetischer und bunter aus. Aber in diesem Moment konnte es nicht schöner für mich sein.

»Wann hast du...?«, setzte ich an, doch Newt unterbrach mich mit einem schiefen Lächeln im Gesicht.

»Während der Pause. Du hast mit Zart und Adam weiter gearbeitet und ich habe mir mit Pfannes Erlaubnis alles geholt, was wir brauchen. Wir sollten aber schnell anfangen, sonst wird das Essen noch ganz kalt.«

Mir wurde ganz warm ums Herz und mit weichen Knien führte Newt mich auf die Decke. Wenig später genossen wir Pfannes Abendessen und innerlich dankte ich dem Koch dafür, dass er uns das erlaubte. Normaler Weise durfte niemand außer den Köchen an das Essen und sei es bloß für ein Picknick.

»Womit verdiene ich denn die Ehre?«, wollte ich wissen und kaute auf meinem Brot herum. Schließlich wurde mir bewusst, dass ich selten so aufmerksam war, wie er und das dringend ändern wollte. Newt sollte sich bei mir wohl fühlen, wenn er das nicht bereits tat.

»Einfach so«, sagte er schulterzuckend. »Wir sitzen jeden Tag bei den anderen, haben so viel um die Ohren... da dachte ich, ein bisschen Ruhe tut uns gut. Und wir müssen nicht zusehen, wie die Baumeister die Feuerstelle voll rülpsen.« Bei den letzten Worten zog Newt die Mundwinkel nach oben. Ich verzog eher angewidert das Gesicht, aber es stimmte. Manche Jungs, darunter waren besonders Baumeister und Schlitzer, benahmen sich beim Essen wie die letzten Schweine. Da half es besonders gut, wenn man Mal einen Tag von denen verschont blieb.

Völlig erschlagen von dieser Überraschung, zog ich Newt in meine Arme und brauchte eine Weile, bis wir richtig essen konnten. Pfannes Abendessen war zwar nicht mehr ganz so heiß, aber das machte auch nichts. Newt und ich bekamen unsere wohlverdiente Ruhe und an diese Art zu Essen, könnte ich mich glatt gut gewöhnen. Ohne die anderen schmeckte es glatt viel besser und ich konnte mit Newt um einiges offener reden.

So kam es, dass wir nach dem Essen voll gefuttert nebeneinander auf den Decken lagen und in den Himmel starrten. Er färbte sich von einem dämmrigen Blau in ein dunkelblaues und dieses Mal hörte ich kaum die Schreie und das metallische Klicken der Griewer. Diese Geräusche befanden sich ganz weit weg von mir und wenn wir so nach oben blickten, fühlte es sich glatt an, als stünden hier keine Mauern, die uns gefangen hielten. Als lägen Newt und ich einfach auf einer Wiese. Ohne Labyrinth. Ohne die Schöpfer. In einer ganz normalen Welt.

Darüber sprachen wir miteinander.

»Glaubst du, wir kommen hier irgendwann wieder raus?«, wollte Newt wissen. Sein Blick war bedingungslos nach oben gerichtet. Einen Arm hatte er um mich gelegt, auf der anderen Hand bettete Newt seinen Hinterkopf.

Ich überlegte. Spätestens seitdem Griewer-Stich glaubte ich nicht mehr wirklich daran, aber das sagte ich meinem Freund nicht.

»Wäre möglich«, log ich stattdessen. Ich wollte ihm die Hoffnung darauf nicht schon an diesem Abend kaputt machen. Newt drehte seinen Kopf in meine Richtung und setzte wieder dieses schiefe Lächeln auf.

»Wenn es einen Ausgang gibt, will ich mit dir auf jeden Fall dort draußen weiterleben, Kat.« Langsam beugte Newt sich zu mir rüber und ließ den wunderschönsten Abend seit langem mit einem sanften, liebevollen Kuss ausklingen.


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Their Darkest Times | Newt x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt