für AlysiaEagle
[82] ,,Hör auf mich andauernd wegzustoßen."
Monaco, 15. September 2021
Verschlafen drehte ich mich zur anderen Betthälfte und streckte sehnsüchtig einen Arm nach meinem Freund aus, jedoch tastete meine Hand vergeblich ins Leere. Irritiert schlug ich langsam die Augen auf und musste ernüchtert feststellen, dass Mick nicht mehr neben mir lag. Ein grauenhafter Start in den Tag.
Brummend fischte ich mein Handy vom Nachttisch und warf einen prüfenden Blick aufs Display, 04:54 Uhr. Auch wenn mein Deutscher durch und durch ein Frühaufsteher war, war alles vor 7 Uhr selbst für ihn zu früh, gerade an freien Tagen wie diesen. Dass er nun schon auf den Beinen war, war wohl einem notgedrungenen Besuch im Badezimmer zu verschulden. Er würde sicherlich gleich zurückkommen.
Mit jeder Minute, die verstrich, zerstörte sich diese Hoffnung allerdings. Nach einsamen zehn Minuten, gefühlten zehn Stunden, raffte ich mich schließlich missmutig auf und kletterte aus dem Bett. Wenn Mick nicht zu mir kam, würde ich eben ihn aufsuchen.
Schlaftrunken trotte ich aus dem Schlafzimmer und erblickte dabei sofort die offenstehende Badezimmertür schräggegenüber. Dem verdunkelten Raum nach zu urteilen, trieb sich mein Freund dort schon mal nicht herum, stattdessen ertönte ein Klirren aus der Küche.
Müde tapste ich den Flur entlang und folgte den zunehmenden Geräuschen, bis ich schließlich in der Küchentür zum Stehen kam. Mein Blick ruhte auf Mick, der gekleidet in meinem gestrigen T-Shirt und einer grauen Shorts an einer von Mehl bedeckten Arbeitsfläche stand und... ja, was tat er da eigentlich?
Konzentriert starrte er auf die Teig ähnliche Rolle in seiner Hand und fummelte die Frischhaltefolie darum ab, oder versuchte es zumindest. Perplex über den Anblick legte ich den Kopf schief und brachte lediglich ein fragendes ,,Mick, was in aller Welt..." über die Lippen. Ob es der Müdigkeit oder der überraschenden Backsession meines Freundes am frühsten Morgen verschuldet war, wusste ich nicht. Vermutlich eine Mischung aus beiden.
Erschrocken schellte der Kopf meines Deutschen zu mir:,,Babe! Wieso bist du schon wach?"
,,Das wollte ich dich fragen", entgegnete ich misstrauisch und schritt langsam auf ihn zu. ,,Was machst du da?"
,,Ich backe", erklärte er so belanglos, als hätte er in den letzten Tagen um die Uhrzeit nichts anderes gemacht, und wandte seinen Blick wieder von mir ab. Behutsam verfrachtete er die Teigrolle in seiner Hand auf die Mehl bedeckte Arbeitsfläche und griff nach einem Messer, um sie in Scheiben zu schneiden. Das Prozedere kannte ich doch irgendwo her...
,,Vanillekipferl", kam mir die gesuchte Antwort in den Sinn. Irritiert verzog ich mein Gesicht. War das nicht ein Weihnachtsgebäck? ,,Du backst Vanillekipferl?"
,,Ja, ein Blech ist schon im Ofen", stimmte Mick stolz zu und begann, die Scheiben zu Kipferl zu formen und auf ein weiteres Blech neben sich zu platzieren. Entgeistert verfolgte ich das ganze:,,Dir ist schon klar, dass wir gerade einmal Anfang Herbst haben, oder?"
,,Na und? Ich lasse mir von keiner Jahreszeit vorschreiben, wann ich was zu backen habe und wann nicht", stellte er entschlossen klar und brachte mich damit zum Seufzen. Auch wenn ich seinen Gedankengang nicht ganz nachvollziehen konnte, war es definitiv zu früh für eine Diskussion über Bräuche und Traditionen. Ich wollte zurück ins Bett. Mit ihm.
,,Lass uns Schlafzimmer und noch einmal die Augen zu machen. Es ist gerade einmal 5 Uhr", versuchte ich ihn stattdessen, hoffnungsvoll für meinen sehnsüchtigen Wunsch zu gewinnen, und schlang meine Arme von hinten um ihn. Kuscheln war doch tausendmal besser als irgendwelche vorgezogenen Weihnachtsplätzchen.