für Antonett23
[8] ,,Zu wie vielen Menschen hast du das schon gesagt?"
Singapur, 19. September 2019
,,Ich habe es dir von Anfang an gesagt", seufzte Pierre, während ich auf den Artikel blickte, den er extra zu mir ins Motorhome gebracht hatte. Es zeigte ein Bild von Lewis am Flughafen. Neben ihm lief eine Frau, um die er einen Arm gelegt hatte. Oben drüber stand:,,Lewis Hamilton mit brünetter Schönheit am Flughafen gesehen. Ist der fünfmalige Weltmeister wieder vergeben?"
Ja, er war vergeben, allerdings nicht an diese Frau sondern an mich, zumindest dachte ich das. Seit dem Grand Prix in Bahrain im März hatte sich zwischen uns etwas entwickelt. Wir lernten uns besser kennen, kamen uns näher und verbrachten die Nächte miteinander, jede Nacht. Lewis hatte mir nach seinem Sieg beim Ungarn Grand Prix gestanden, dass er Gefühle für mich hatte und ich hatte sie glücklich erwidert. Die ganze Sommerpause hatten wir zusammen in einem kleinen Dorf in der Toskana verbracht, weit entfernt von den Medien und der Presse. Wir hatten unsere Ruhe, was unserer Beziehung guttat.
Zwischen Lewis und mir war alles perfekt, keine Streitereien, keine Zwischenfälle. Es gab keinen Grund dafür und je länger ich das Bild betrachtete, desto weniger sah ich es ebenfalls als Problem. Zugegeben, es irritierte mich, dass ich die Frau nicht kannte oder zuordnen konnte, doch vielleicht war sie eine Mitarbeiterin von Mercedes oder so ähnlich. Lewis arbeitete mit dem Team schon seit sieben Jahren zusammen. Kein Wunder, dass er mit den Mitarbeitern so vertraut war.
,,Es gibt noch unzählige weitere Artikel mit anderen Frauen", riss mich Pierres Stimme aus den Gedanken. Ich sah von der Zeitung auf und blickte ihn fragend an:,,Und weiter? Die Medien spekulieren immer. Du weißt selbst, dass nicht alles wahr ist, was die Zeitungen berichten."
,,Vielleicht stimmt nicht alles bis ins kleinste Detail, aber ohne Grund würden sie es sicherlich nicht schreiben. Du meinst selbst, dass du die Frau nicht kennst. Findest du das nicht komisch?", entgegnete mein bester Freund.
,,Pierre, wenn du mir irgendwas sagen willst, dann sprich es aus", forderte ich ihn genervt von seinen Anspielungen auf.
,,Ich habe es dir schon einmal gesagt, aber ich bin immer noch derselben Meinung. Lewis passt nicht zu dir und wird dir nur das Herz brechen", gab er seufzend zurück.
Natürlich taten die ehrlichen Worte meines besten Freundes weh. Seine Meinung war mir wichtig, wenn nicht sogar wichtiger als jede andere. Wir kannten uns von klein auf, hatten uns immer unterstützt und den Rücken freigehalten. Dass er gerade über Lewis so schlecht dachte, spaltete mein Herz. Auf der einen Seite mein langjähriger bester Freund, auf der anderen Seite der Mensch, in den ich mich verliebt hatte. Wenn ich bei Lewis war, fühlte sich alles richtig an. Wieso war es für Pierre so falsch?
,,Wieso bist du dir so sicher? Alles wegen eines harmlosen Bildes?", hakte ich nach.
,,Es ist nicht nur das Bild, Charles. Auf anderen Seiten sind noch mehr. Dort steht, dass er etwas mit irgendwelchen Models haben soll, mehreren. Das kannst du dir nicht weiter antun", erklärte er.
Ich schnaubte und schüttelte den Kopf:,,Mir ist es egal, was in den Medien steht. Ich vertraue meinem Freund und du solltest mir vertrauen. Ich kann auf mich selbst aufpassen."
,,Offensichtlich kannst du das nicht. Gott, du bist so naiv. Glaubst du wirklich, dass er für dich genauso empfindet, wie du für ihn? Er war schon mit so vielen Frauen zusammen, wird immer noch mit vielen von ihnen in Verbindung gebracht. Du bist nur einer von vielen, Charles. Irgendwer muss es aussprechen", bemerkte Pierre und verschränkte seine Arme vor der Brust. Das hatte gesessen. Während mein Herz sich ein weiteres Mal schmerzlich zusammenzog, spürte ich, wie mir langsam Tränen in die Augen stiegen. Pierre war mir wichtig, unheimlich wichtig, und daran würde keines seiner Worte jemals etwas ändern, doch er hatte kein Recht dazu, so etwas zu sagen. Er kannte Lewis nicht so gut, wie ich ihn kannte. Er hatte nicht nächtelang mit ihm zusammen im Bett gelegen und geredet oder war mit ihm drei Wochen alleine in der Toskana gewesen.