K A P I T E L 70

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Linea sprach das Thema nicht mehr an. Sie hatte über alles nachgedacht, mehrmals und wahrscheinlich zu oft. Sie hatte eingesehen, dass es immer noch Maxis Entscheidung war. Egal wie er sich entscheiden würde, musste sie es akzeptieren. Egal wie schmerzvoll diese Entscheidung vielleicht für sie und ihre Beziehung war.
Es hing wie ein Schatten über ihr, ihrem Verhalten und ihrer Beziehung zu Maxi. Mehrmals hatte er versucht das Thema vorsichtig anzusprechen, doch sie fand immer einen Weg sein Vorhaben abzubrechen. Es war nicht unbedingt  auffällig, sie benahm sich fast genauso wie sonst auch, doch es waren die Kleinigkeiten welcher dem Brünetten immer wieder ins Auge stachen.
Je näher der Abschluss rückte desto Heikler wurde das Thema und Lineas Gedanken überschlugen sich.
Hatte er bereits eine Wohnung gefunden?
Hatte er sich für einen Berufsweg entschieden?
Würde er sofort nach dem Abschluss verschwinden?
Würde er überhaupt verschwunden?
Sie konnte ihre Abwesenheit mit ihren eigenen schulischen Aufgaben begründen. Für Maxi, Leon, Vanessa und Juli endet ihre Schulzeit, für alle anderen eine reguläres Schuljahr, was viele Arbeiten und Prüfungen mit sich zog. Sie stürzte sich regelrecht in ihre Lernmaterial, half Nerv immer mal wieder und hin und wieder sogar Joschka oder Janosch.

-

Es war ein normaler Samstag Morgen. Gestern hatte sich die Mannschaft im Teufelstopf getroffen und es war wie so oft ziemlich spät geworden. Zumindest für die meisten, Linea hatte es genutzt, dass Vanessa recht früh nach Hause wollte und ließ sich von der Freundin ihres Cousins zuhause absetzten. "Los beweg dich." , irritiert spürte Linea wie ihre Bettdecke immer weiter herunter rutschte. "Was- Leon verzieh dich.", motze sie als sie den Brünetten am Ende ihres Bettes erkannte. "Du hast fünf Minuten Zeit, sonst komm ich nochmal.", erwiderte er schlicht und verschwand aus ihrem Zimmer. "Ich meins ernst.", schallte seine Stimme durch den Flur und grummelnd schlug sie ihre Bettdecke beiseite. Sie hatte länger geschlafen als gedacht, wobei sie dies eigentlich nicht störte. Wofür war das Wochenende sonst gut? Nicht sonderlich begeistert und auch noch nicht komplett wach wechselte sie aus ihren Schlafklamotten in das nächstbeste was sie fand. Wanderte aus ihrem Zimmer den Flur entlang und die Treppe hinunter.
"Was willst du- ihr?", fragte Linea perplex als als nicht nur Leon auf sie wartete sondern auch Marlon. "Wir haben was vor, komm.", der ältere schnappte sich seine Autoschlüssel während Leon bereits die Haustür öffnete. "Was soll das ganze überhaupt?", fragte sie perplex und bewegte sich kein Stück. "Wir machen einen Ausflug.", erwiderte Leon sarkastisch und machte eine einladenden Bewegung nach draußen. "Wieso?", fragte sie erneut und verzog das Gesicht. "Ocean, beweg dich. Sonst schlepp ich dich persönlich zum Auto und du fährst im Kofferraum mit.", rief Marlon von draußen, wartete bereits ungeduldig am Auto. Immer noch ziemlich skeptisch zog sie sich ihre Schuhe an und folgte Leon nach draußen.
"Was soll es werden? Ein plötzlicher Familienausflug?", mit ihren verschränkten Armen auf dem Rücksitz sah sie fast aus wie ein schmollendes Kind. "Nein, sonst wäre Dad noch mit dabei und sowas müssen wir uns echt nicht antun.", erwiderte Marlon. "Ja, nachher will er noch in den Zoo oder ins Aquarium.", lachte Leon und Marlon verdrehte grinsend die Augen. Linea beobachtete wie die Häuser immer weniger wurden und die Straße immer ungemütlicher zu fahren. Sie kannte sich nicht wirklich gut in Grünwald aus, zumindest nicht weiter als die Häuser ihrer Freunde und einige weitere Gebäude. Doch, dass sie mittlerweile irgendwo im nirgendwo waren sah sie selbst.
"Wo zur Hölle sind wir?", fragte sie als das Auto endlich zum stehen kam und sie ausstieg als ihre Cousins ohne zu antworten eine kleine Erhebung hoch liefen. "Willkommen bei der mega Monster Höllen Klippe.", schon fast stolz breitete Leon seine Arme aus und Linea sah in eine riesiges Kiesgrube gefüllt mit Wasser und dies einige viele Meter unter ihnen. "Wenn ich mich irgendwo herunter stürzen will, fahr ich doch nicht erst irgendwo ins nirgendwo. Da kann ich auch aus dem Fenster springen.", ihr war alles nicht ganz geheuer, traute sich nicht mal an den Rand um hinunter zu sehen, während Marlon und Leon dort ohne Probleme standen. "Warte, ist das-" - "Ganz genau.", Marlon verstand sofort wovon sie redet. Als sie jünger waren hatte sie Linea überall mit hingenommen. Doch es gab einen Ort wo es weder Joachim noch ihre Eltern erlaubten. Die alte Kiesgrube, vor allem im Sommer ein beliebte Treffpunkt und Schwimmgelegenheit. Also konnte ihr Marlon und Leon nur davon erzählen und diese Erzählungen wollte Linea zum damaligen Zeitpunkt nur noch mehr ebenfalls dort baden gehen lassen.
"Du willst mich doch auf den Arm nehmen.", murmelte sie ungläubig. "Du wolltest früher immer mal hier runter springen.", erwiderte Leon simpel. "Absolut nicht.", sie schüttelte den Kopf. "Machs einfach.", mischte sich diesmal Marlon ein. "Ich hab keinen Bikini dabei." - "Es ist warm genug, ich hab Klamotten im Auto." - "Dann viel Spaß.", Linea machte eine einladenden Bewegung in Richtung des Wassers.  "Linea trau dich, sonst schubs ich dich.", erwiderte Leon und zog seine Schuhe aus. "Was soll mir das ganze bringen außer, dass ich nass werde?", hinterfragte sie und verschränkte ihre Arme. "Mach es einfach Ocean. Vertrau uns einmal ohne alles zu hinterfragen.", auffordernd sah Marlon zu ihr, sah ihr standhaft in die Augen. "Ist es wegen letztens? Du musst mich jetzt nicht-" - "Wir machen das ganze weil du zur Zeit nicht du selbst bist, scheiß egal wieso. Hier ist keiner Menschenseele, wir sind extra zu dem Punkt gefahren wo so gut wie niemand außer uns hinkommt. Außerdem wird es bald dunkel. Du kannst hier rumschreien, reinspringen oder von mir aus versuchen einen scheiß Felsen ins Wasser zu schmeißen. Aber mach irgendwas, lass es raus egal wie." Auch wenn Linea eigentlich mit Marlon gesprochene hatte mischte sich Leon ein. Sie sah ihn an, ihr Blick nicht ganz deutbar. Als suchte sie nach irgendwelchen Worte welche sie ihm entgegen bringen konnte, doch ihr viel nichts ein. Kein Grund die gut gemeinte Geste zu verwehren. "Ihr springt mit?", zufrieden begannen beide zu grinsen, nickten dann. "Wenn ich mir irgendwie weh tun sollte dann-" - "Wirst du nicht, aber ja dann sind wir schuld.", Leon wunk ab während Linea ihre Schuhe auszog. "Versuch einfach nicht mies zu landen.", grinste Marlon und Linea verdrehte ihre Augen. Momente später stand sie zwischen Leon und Marlon, mit klopfendem Herz sah sie erst nach links und dann nach rechts. "Auf drei?", murmelte sie und ihr Blick richtete sich aufs Wasser. "Eins..", Leon begann. "Zwei...", zählte Marlon weiter. "Drei.", würden sie nicht so nah bei ihr stehen hätte sie die letzte Zahl wahrscheinlich überhört. Doch als Linea los lief taten sie es ihr gleich und Sekunden später befanden sie sich in der Luft und tauchten dann ins Wasser ein. "Scheiße, ich hab vergessen wie gut sowas tut.", rief Leon als erstes aus. "Ihr seit doch verrückt.", Linea hielt sich mühelos über Wasser als sie auftauchte. "Können wir das nochmal machen?", setzte sie dann hinterher und Marlon neben ihr lachte auf. "Natürlich, so oft du willst.", erwiderte er.
Und sie tat es, immer und immer wieder, solange bis Lineas Lippen trotz des Wetter blau anliefen. "Besser?", fragte Leon als er ihr ein weiteres Handtuch über die Schultern legte, während Marlon nach einem Pullover für sie suchte. "Besser.", erwiderte sie und zog den Stoff enger um sich. "Danke.", Leons Mundwinkel zuckte als Linea ihn trotz seiner nassen Klamotten an sich drückte. "Für dich immer. Aber beim nächste Mal solltest du wissen, dass wir wissen was du brauchst und stellst vielleicht nicht so viele Fragen.", neckte er sie und schmunzelnd schlug sie ihm gegen den Arm. "Hier, zieh den an bevor du krank wirst.", Marlon erschien wieder neben den beiden nachdem er den Kofferraum durchwühlt hatte. Die Brüder zogen sich neue Oberteile an, gleichzeitig zog sich Linea abgeschirmt beim Kofferraum um. Marlons Pullover war ihr einige Nummern zu groß, doch er war trocken und dies war gerade am wichtigsten. Sie machten sich wenig später wieder auf den Rückweg, die Sonne verschwand schneller hinter dem Horizont als sie erwartet hatten. Die Rückfahrt schien schneller zu vergehen als die Hinfahrt und ehe sie sich versah kam das Auto vor der Einfahrt des Haus Wessel zum stoppen. "Du hast doch sicher hunger oder?", fragte Marlon als er die Fahrertür zuschlug. "Schon ja.", antworte Linea und band sich ihre Haare zusammen.
 "Den Part übernimmt er.", Leon nickte zur Haustür und dann fing Linea Maxis Blick.

Linea. | die wilden Kerle ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt