Josh

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Die Gegensprechanlage knackte erneut überlaut in dem jetzt emotionalen leeren Raum: „Ruf bitte James an. Mein Bruder wird eine Zeitlang bei mir wohnen."

Ich verdrehte die Augen. Auch das noch.

Joshua war ein Wirbelwind. Ich verglich beide miteinander, wenn ich sie zusammen antraf. Er sah völlig anders aus. Wo Chris dunkel war, war Joshua hell. Wo Chris ruhig war, war Joshua laut. Chris war ernst und Joshua verspielt. Er war bestimmt fünf Jahre jünger und er war ein unruhiger Geist. Für ihn wurde ein Büro auf der Etage eingerichtet. Beide gingen zusammen zu Veranstaltungen, Matineen und Abendessen. Verschiedene Frauen aller Typen, aber immer hübsch oder schön anzusehen, tauchten mit einem Mal auf und verlangten bei Joshua vorgelassen zu werden. Ich vermutete sogar, dass er mit ihnen Sex in seinem Büro hatte. Es störte mich nicht, aber ich fand es irritierend. Ich vermutete, dass er bisexuell war. Solch einen Menschen hatte ich noch nie kennengelernt. Aber in meiner Fantasie konnte ich ihn mir gut in einer Orgie mit mehreren Partnern, ob männlich oder weiblich, gleichzeitig vorstellen, wie er liebevoll wollüstig eine Brust knetete, an einem Schwanz sanft leckte und sich gleichzeitig bei einer zweiten Frau stöhnend versenkte. Seine Anwesenheit regte meine Fantasie ungemein an und dass störte mich und lenkte mich von meiner Arbeit ab. Er war einfach ein ungebetener Störenfried und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es Chris auch so fühlte.

Joshua schaute mich oft mit abschätzigem Blick an, wenn er dachte, dass er nicht beobachtet wurde, den ich nicht verstand. Es wirkte so, als suche er etwas, was er aber nicht finden konnte. Manchmal fragte er mich eigenartige Sachen, die ich nicht verstand oder auf die ich ihm keine Antwort geben wollte. Ich vermutete, dass er Interesse an mir hatte, aber er meine Beziehung zu Chris nicht abschätzten konnte und sich fragte, ob er versuchen sollte bei mir zu landen. Seine anzüglichen Bemerkungen ignorierte ich geflissentlich und ging ihm soweit wie möglich aus dem Weg. Ich vermied es grundsätzlich mit ihm alleine zu sein und ließ immer die Tür zu seinem Büro offen, wenn ich hineinging und Termine absprach, die ich für ihn mit koordinieren sollte.

Chris war in seiner Gegenwart absolut gleichmütig, fast schon gelangweilt. Es kam mir so vor, als hoffte er, dass sein Bruder so bald wie möglich wieder abreisen würde. Aber er blieb. Ich verstand ihre Beziehung zueinander nicht wirklich. Beide waren freundlich zueinander fast herzlich. Aber ich spürte eine große Distanz zwischen den beiden, die ich auf die unterschietlichen Typen zurückführte und den Altersunterschied. 

Eigentlich ging mich das auch nichts an. Ich hielt mich zurück und versuchte professionell meinen Job zu erledigen, obwohl ich fast doppelt so viel Arbeit wie zuvor hatte.

Das morgendliche Ritual konnten Chris und ich beibehalten, da Joshua nie vor zehn Uhr in der Firma erschien. Ich fragte mich immer was er in der Firma zu tun hatte. Aber viele Gäste gingen bei ihm ein und aus. Er kannte Gott und die Welt und ich musste alles für ihn mit planen, dass nervte mich ein wenig.

Einige seiner Gäste starrten mich an, als wenn ich etwas Besonderes wäre, aber ich konnte nicht erkennen was das sein sollte. Giovanni sagte mal, es liege an meinem Geruch. Auf mir läge der Geruch eines Alphas. Aber ich konnte an mir nichts erkennen. Ich versuchte mehrere verschiedene After Shave auch mal etwas stärker aufzutragen. Aber Chris war dann ungehalten und bat mich darum, mich sofort waschen zu gehen. Er mochte andere starke Gerüche nicht. So musste ich alles, außer einem dezenten Deo und minimal etwas nach der Rasur, meist vermeiden. Es störte mich nicht. Ich konnte jeden Tag die Kleidung wechseln. Die Firma hatte großzügig Kleidergeld zu Verfügung gestellt und meine Anzüge wurden nach der Probezeit maßgeschneidert. Ich trug die gleiche Qualität wie Chris und nutzte seinen Schneider. Meine Kleidung ging in die gleiche Reinigung und wurde jeden Tag von James aufbereitet und mitgebracht. Das klappte alles hervorragend. Wahrscheinlich schauten die Leute deshalb.

Im Endeffekt war ich eine kleinere Ausgabe von Chris, nur dass ich passend zu meiner Stellung regelmäßig hellgraue Anzüge trug, während Chris einen dunklen Ton bevorzugte. Ich war nur der Sekretär!

Wieder einmal war Joshua im Büro und hielt Chris von seiner Arbeit ab. Ich stand draußen und hüpfte unruhig wartend von einem Bein zum anderen. Wir hatten Termine. Im Besprechungsraum warteten bereits die Haushälter der Firma mit dem Jahresabschluss. Ich hatte mir die Zahlen zwar schon angesehen und die wichtigsten Punkte herausgearbeitet, aber Chris musste für nächstes Jahr noch die größten Posten und angehenden Projekte genehmigen. So saßen im Besprechungsraum die zehn Bereichsleiter und die Haushälter und warteten. - Aber ich durfte die beiden nicht stören. Chris hatte dies so angewiesen. Ich fragte mich immer wieder, was die beiden so Wichtiges zu besprechen hatten, dass alle warten mussten. 

Endlich öffnete sich die Tür.

Chris kam angepisst herausgeschritten: „Nein ich werde nicht kommen. Es geht mich nichts an!"

Ups, dachte ich und zog meinen Kopf ein.

Im Hintergrund des Zimmers hörte ich Joshuas Stimme zurückbrüllen: „Du wirst es nicht ändern können. Er wartet nur auf dich. Wir brauchen dich."

Chris stand mit hochrotem Kopf in der Tür: „Nichts davon geht mich etwas an, Joshua. Wir brauchen nicht wieder davon anzufangen. Mein Leben findet hier statt. Ich habe hier Verantwortung."

„Scheiße, du bist ein Alpha. Du musst deine Position übernehmen. Wie willst du das auf Dauer aushalten?"

Chris schaute mich an, während ich ihm zögernd die Haushaltsakte entgegenhielt.

„Das geht dich einen Scheißdreck an. Bisher hatte ich keine Probleme und es stärkt mich ungemein." Sein Blick wurde wärmer als er mich ansah und ein Lächeln umspielten dabei seine Lippen.

Bleib professionell, dachte ich. Es geht mich nichts an, wenn die Brüder sich streiten. Ich zeigte auf Besprechungsraum fünf und wies mit meinem Zeigefinger auf meine Uhr, um auf die Verspätung hinzuweisen.

Chris nickte missmutig, während  er seinen Kopf wieder in Richtung der Tür wandte: „Josh, wann wirst du abreisen?"

Joshua kam ebenfalls aus der Tür. Er sah mich an und sagte mir zunickend: „Ich denke ich werde noch eine Weile bleiben. Hier erscheint es mir zu mindestens noch interessante Dinge zu geben. Mal sehen, was das neue Jahr so bringt und in drei Tagen ist schließlich Vollmond."

Chris starrte wütend auf Joshua und auf Nikolas, dann drehte er sich verächtlich um, um zum Besprechungsraum davon zu eilen.

Kurz bevor er den Raum betrat drehte er sich nochmal zu mir um: „Nikolas, ich brauche in drei Tagen einen Termin mit Louis und sagen Sie ihm, dass es hier in Los Angeles sein muss. Ich komme leider nicht weg. Das Jahresendgeschäft ist mal wieder zu hektisch." Griesgrämig warf er noch einen Blick auf seinen Bruder, der mit einer Unschuldsmine auf seine Fingerspitzen herunterschaute.

Ich fragte mich was hier lief. Chris unternahm regelmäßig Dienstreisen in andere Städte. Meist war er einmal im Monat unterwegs. Wir hatten uns vor fast fünf Jahren in Boston getroffen. Er behielt diese Termine immer für sich und mir war klar, dass er dies regelmäßig seit Jahren so handhabte. Ich war erst ein paar Monate hier im Büro und in diesen Fällen kannte ich immer nur den Zielort, wusste aber nie worum es ging. Es stand immer ‚Privat' an dem Kalendertagen im Outlook.

Mir war bisher nur nicht klar geworden, dass es immer zu Vollmond gewesen war. Dies hatte Joshua mit voller Absicht mir und Chris gegenüber erwähnt. Wahrscheinlich wollte er mich auf etwas aufmerksam machen.

Ich schaute beiden überlegend hinterher, während Joshua unschuldig lächelnd in sein Büro ging und  Chris laut die Tür zum Besprechungsraum laut zuschmiss, so dass die Mitarbeiter entsetzt aufschauten.

Ich zog mich zurück an meinen Schreibtisch und schaute auf meine Uhr. Ich hatte eine Stunde Zeit. So rief ich Chris Terminplanung auf und scrollte rückwärts durch das letzte Jahr. Es stimmte. 

Er war immer zu Vollmond außerhalb Los Angeles. Ich überlegte und suchte den Tag von vor für Jahren heraus – Vollmond!

Der eisige Hauch des Alphawolfs (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt