Eine Träne vor Wut

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Ein leises geflüstertes „Chris?", erklang heiser hinter mir.

Oh Gott! Nicht kämpfen! Ich musste etwas unternehmen! Ich hörte sie! Sie stritten sich hier in meiner Gegenwart. Warum konnte ich mich nur nicht bewegen? Es war so kalt hier.

Ich war schon seit Tagen ab und zu wach. Zwar nicht immer, aber ich hatte meist mein Bewusstsein. Ich wusste wann ich schlief oder wann ich nur vor mich hin träumte. Es war schön, wenn Chris mir etwas vorlas oder mir von der Firma erzählte. Ich konnte dann immer beruhigt wieder einschlafen, in diesem kalten Zimmer, in dem andauernd irgendetwas piepte.

Er war da. Mein Wolf, mein Alpha. Ich wollte ihn nicht so aufregen. Es tat mir so leid. Er litt und ich war Schuld. Er sollte Leben. Er sollte hier nicht sitzen und auf mich traurig herabschauen. Er sollte seine Arbeit machen.

Manchmal konnte ich ihn nicht hören, wahrscheinlich war er dann arbeiten. Er fehlte mir so, wenn er nicht da war. Ich war zu egoistisch. Ich wollte ihn bei mir haben. Ich freute mich immer wenn er kam. Meine Gedanken schweiften oft unkonzentriert ab und verschwanden oft in diesem grauenvollen schwarzgrauen Nebel, aus dem ich mich immer wieder hochkämpfen musste. Und diese Alpträume, die mich während meines Schlafes verfolgten. Dieses Gefühl zu stürzen ohne je den Boden zu erreichen war besonders unangenehm. Es war alles meine Schuld! Aber wenn er da war, dann konzentrierte mich aber immer besonders. Ich wusste er kam immer nur für mich her.

Jetzt stritten sie sich. Sie stritten sich um mich. Chris sollte mich verlassen. Joshua hatte Recht. Ich war eine Last. Ich wusste das. Ich hielt ihn vom wirklichen Leben ab. Ich sorgte für Chaos. Wollten sie hier kämpfen? Ich hörte das knurren. Ich war Schuld an seinem Zustand. Ich musste ihm das sagen!

Ich versuchte die Augen zu öffnen. Es klappte nicht. Meine Lider zuckten unkontrolliert. Ich hörte sie! Mein Gehör funktionierte einwandfrei. Ich musste sprechen. Ich musste es versuchen. Sie hatten sich zu Wölfen gewandelt. Ich konnte sie knurren hören. Ich hörte wie Gegenstände herumflogen. Ich musste sie beruhigen. Ich war hier. Ich war kein toter Gegenstand! Keine tote Puppe! Ich war am Leben, ich musste mich bemerkbar machen. Ich konnte das schaffen, ich musste!

„Chris?" Ich wusste gar nicht, dass das Sprechen so anstrengend sein konnte. Mein Mund brannte so furchtbar trocken. Ich zuckte mit der Hand und wartete.

Mit einem Mal herrschte frostige Stille im Raum. „Nikolas hörst du mich?"

Ja, schrie ich innerlich auf. Ich versuchte zu antworten, aber es klappte nicht. Ich spürte, wie eine Träne vor Wut an meinem Auge herunterlief. Ich wollte sprechen!

Ich spürte, wie sie liebevoll vorsichtig weggewischt wurde und jemand aufgeregt meine Hand ergriff. „Drück sie einfach. Wenn du nicht sprechen kannst."

Ich war so verzweifelt. Es musste klappen. Ich muss das schaffen. Ich versuchte es. Es klappte.

„Joshua, er ist wieder da." Hörte ich eine freudige Stimme an meinem Ohr.

Ein Knurren kam zur Antwort.

Ich hörte Chris Stimme schimpfen: „Los wandel dich, du Trottel. Drüben im Schrank hängt frische Kleidung und bring mir auch etwas mit. War ja wohl eine idiotische Idee sich mitten im Krankenhaus so zu streiten. Sieh, wie das Zimmer aussieht."

Er beugte sich zu mir herunter und strich über meinen Handrücken: „Nikolas. Ich habe dich furchtbar vermisst. Nächsten Monat bist du wieder vollständig bei uns. Warte einfach ab, werde einfach gesund! Ich bin bei dir. Schlaf jetzt einfach und drück meine Hand, wenn du etwas brauchst."

Ich war dankbar. Wirklich dankbar. Chris war bei mir. Ich tat was er wollte. Ich drückte seine Hand und schlief wieder ein.

Der eisige Hauch des Alphawolfs (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt