Zweifel

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„Joshua, du meinst nicht wirklich was du da sagst, oder?" Seit drei Tagen war ich wieder bei mir, ich lag blass und schwach in diesem vermaledeiten Bett und konnte mich immer noch nicht richtig bewegen. Meine Arme waren schwer wie Blei und ich sprach langsam und schleppend. Meine Beine konnte ich überhaupt nicht spüren. Alle fünf Minuten schlief ich wieder ein, manchmal für Stunden. Es war wirklich grauenvoll. Für alles brauchte ich eine Krankenschwester. Meine Muskeln bauten jeden Tag mehr ab, obwohl ich regelmäßige Krankengymnastik bekam.

Ich vertraute Joshua nicht, aber ich konnte nicht verhindern, dass er mich besuchte. Ich war mir nicht sicher, was er wollte. Ich war mir nicht sicher, ob meine Gehirnleistungen überhaupt richtig funktionierten, manchmal sah ich alles verschwommen und konnte nicht klar denken. Aber er war nun mal da und ich musste mich mit dem Thema auseinandersetzten, dass Chris ein Alpha und ein Werwolf war. Ich hatte viel Zeit und konnte Joshua alles fragen. Er gab mir bereitwillig Antworten, nachdem ich ihm langsam und stockend alles erzählt hatte von dieser zweiten Nacht und das dies mein Wille gewesen war. Er war erst völlig entsetzt gewesen. Er verfluchte Chris mehrfach laut und war regelrecht wütend. Ihm war klar, welcher Gefahr ich mich ausgesetzt hatte.

Ich nahm seine Anteilnahme als warmes Gefühl wahr. Obwohl mir ziemlich bewusst war, dass es ihm wahrscheinlich völlig egal war, ob ich daran hätte sterben können. Ich war nur ein Mensch und ziemlich kurzlebig. Nichts von dem, was in einer Werwolfgesellschaft geschah, hatte etwas mit mir zu tun. Wäre da nicht Chris gewesen, hätte er mich wahrscheinlich sogar aus dem Weg geräumt.

Keine Zeugen war der ideale Zustand, vermutete ich.

So aber saß er mir, schön wie ein Engel, gegenüber und lächelte mich wissend an. Mir war nicht zum Lächeln zu Mute. Er wollte etwas, ich konnte das spüren. Mir war nur noch nicht klar, was es war. Aber ich würde es herausbekommen.

Er lächelte mich breit an und nickte bekräftigend seinen bildhübschen blonden Kopf: „Doch, ich nehme dich mit zu meinem Rudel. Wir können dir helfen. Bei uns gibt es Heiler. Die können diesen schwachen Körper aufpeppen und du kannst wieder mit Chris zusammen sein. Wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir helfen dir und du hilfst uns."

Mir war nicht klar, wie meine Hilfe aussehen sollte, also fragte ich lieber nach: „Wie kann ich helfen?"

Er lächelte verschmitzt: „Deine Anwesenheit bei uns wird Chris wieder dazu bringen sich wieder in sein Rudel einzubringen. Wir brauchen ihn. Er ist eines unser stärksten Mitglieder und sein Vater würde sich freuen ihn mal wieder zu sehen."

Ich nickte: „Es mag sein, dass es für Euch Sinn macht. Aber was hätte Chris davon?" Ich machte mir wirklich Sorgen. Joshua war nicht so einfach, wie es aussah. Irgendetwas steckte dahinter. Ich konnte das spüren.

„Chris sollte nach Jahren einfach mal wieder nach Hause kommen. Wir vermissen ihn alle. Er könnte seine Kraft auch aus dem Rudel beziehen. Er könnte dann mir dir ganz normal zusammen sein. Ein Alpha welcher ein normales Rudel hat braucht keine Kraft von Menschen zu ziehen. Er kann mit seinem gewählten Partner jederzeit normal zusammen sein."

Ich schaute Joshua überrascht an. War das wirklich möglich? Konnten Chris und ich zusammen sein? Ich legte eine Hand auf den Mund. Mir kamen die Tränen.

Joshua lächelte mich strahlend an und nickte erneut.

Ich war immer noch misstrauisch. Es musste einen Harken geben. Wo war dieser? Ich musste erst mal darüber nachdenken, ich war so müde. „Joshua. Ich bin mir nicht sicher. Ich könnte auch einfach hier liegen bleiben. In ein paar Monaten könnte ich wieder ganz normal gesund werden und dann bin ich wieder als Sekretär bei Chris tätig. Ich muss nur geduldig sein."

Er überlegte: „Jep, das könntest du. Du als normaler Sekretär und er als CEO – ganz normal. Nur ist bei Euch nichts mehr normal. Er liebt dich. Du liebst ihn. Ihr wisst es voneinander. Chris hat bereits einen neuen Sekretär eingestellt und macht ihm das Leben zur Hölle. Er kann dich nicht ersetzen. Es ist ein Krampf den beiden zuzusehen. Du wirst noch Jahre brauchen um dich davon zu erholen. Ich gehe von zwei Jahren aus, in den du Chris zur Last fallen wirst und dann erst die Presse. Wo willst du in der Zwischenzeit wohnen? Du müsstest über Monate in ein Pflegeheim. Dauernde Begleitung einer Krankenschwester. Was glaubst du wann du wieder alleine eine Toilette besuchen kannst? Und du wirst nie wieder Sex mit Chris haben. Er muss weiterhin jeden Monat sich einen anderen Partner suchen."

Ich schaute ihn entgeistert an. Es stimmte. Ich konnte ihn mit seiner Kraftzufuhr nicht mehr unterstützen. Ich war wahrscheinlich wirklich nur eine grauenvolle Last. – Und was war, wenn ich wieder Gesund wäre? Wir könnten nicht zusammen sein. Er hatte wirklich recht." Ich legte meine Hände auf meine Augen. Ich war völlig überfordert. Was sollte ich tun?

Er schaute abschätzend auf mich herab. „Oder ich nehme dich mit. Wir fahren in den Norden nach Kanada. Wir haben unsere Anlage am Jackfish River in Alberta. Wir brauchen knapp drei Tage mit dem Auto. Erst nach Edmonton und dann noch knapp einen Tag Richtung Norden. Mein Rudel ist wirklich nett. Wir würden alles tun um dich Gesund zu machen. Wir haben ganz andere Möglichkeiten."

Tagelang kam er immer wieder. Ich konnte mich ihm nicht entziehen. Ich konnte das Bett nicht verlassen und ich hatte Zeit meine wirren Gedanken zu ordnen. Er hatte ja recht. Ich war eine Last und würde es noch lange bleiben. Also sagte ich, obwohl ich zweifelte. „So ganz bin ich nicht überzeugt, aber wir machen es." Ich hatte keine andere Chance. Auch wenn mich Chris finanziell unterstützen würde. Ich würde für mehr als zwei Jahre an den Rollstuhl gefesselt sein. Ich würde den Rest meines Lebens eine Last sein. Ich wollte mit ihm zusammen sein. Ich wollte ihn und nicht nur als Sekretär bei ihm arbeiten. Das mochte egoistisch sein. Aber er würde mich holen kommen. Ich wusste es und was sollte es schon ausmachen, wenn er seine Familie und das Rudel mal besuchen würde. 

Der eisige Hauch des Alphawolfs (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt