Versorgung

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Wir waren seit Stunden unterwegs. Ich war so müde. Es war so anstrengend. Ich lag mit dem Kopf auf Joshuas Schoß gebettet und hatte mich auf der überbreiten Sitzbank des Ford Pick-Up eingerollt. Er strich mir sanft über das Haar, während er sich auf den Verkehr auf der Interstaate konzentrierte.

„Liegst du gut?" fragte er mich.

Ich nickte und schlief durch das gleichmäßige Fahrgeräusch wieder ein.

Ich wurde wach, als er mich eingewickelt in die Decke in ein kleines Motelzimmer trug. „Es tut mir leid, aber ich kann dir im Moment nichts Besseres bieten. Ich musste ein Motel nehmen, bei dem der Besitzer Bargeld nimmt und bei dem wir direkt vor dem Zimmer parken konnten. Es könnte sonst jeder sehen, wie ich dich umhertrage. Hier gibt es keine Überwachungskameras. Das Zimmer ist etwas klein, aber sauber. Wir haben nur noch ein Bett bekommen. Aber das dürfte wohl kein Problem sein", lächelte er mich breit an.

Ich war viel zu Müde um darauf einzugehen. „Wo sind wir?", fragte ich daher. Ich war froh, dass er mich trug.

„Wir sind in Yuba City oberhalb von Sacramento. Du brauchst eine Pause, etwas zu Essen und ich muss dich mit Flüssigkeit versorgen."

Er hatte recht. Ich war noch erschöpfter als die letzten Tage im Krankenhaus. Mir knurrte der Magen und ich hatte seit heute Morgen nichts mehr getrunken. Das ging auf Dauer nicht. „Was meinst du, wie lange wir noch brauchen werden."

„Ich gehe von zwei weiteren Tagen aus. Normalerweise fliege ich die Strecke. Das dauert aus Edmonton gerade mal mit umsteigen vier Stunden. Daher bin ich mir nicht sicher und wir müssen schauen wie die Wetterlage im Norden ist."

Wir betraten ein kleines Zimmer. Es war schwach beleuchtet. Joshua legte mich vorsichtig auf dem Bett ab. Er öffnete einen Schrank und holte ein weiteres Kissen heraus, welches er von der Plastikhülle befreite und mir vorsichtig hinter den Rücken stopfte. „Ich denke so geht es." Er lächelte mich warm an. „Ich verschwinde kurz für circa eine Stunde. Ich habe am Ortseingang einen Woolmarket entdeckt. Wir brauchen Lebensmittel, Abendessen, Getränke und noch warme Bekleidung für dich. Ich bezweifle zwar, dass ich dies in Kalifornien bekomme, aber zumindest Wechselwäsche in deiner Größe müsste ich dort finden. Falls was sein sollte, am Bett steht ein Telefon", sagte er und verließ das Zimmer.

Ich schaute mich um. Es war ein kleiner Raum, etwas eng, aber ausreichend. Das Handwaschbecken mit einer nackten Neonröhre darüber war wie es typisch für Motels neben der Badezimmertür im Raum untergebracht. Ein einfacher Pressspannschrank mit herausstehenden Scharnieren stand in einer Ecke. Das etwas bereits durchgelegene Doppelbett war sauber mit weißer Bettwäsche bezogen mit zwei kleinen Nachttischen, auf den jeweils eine kupferfarbene klassische Lampe mit kleinen rosa Stoffschirmen stand, welches den Raum in ein leicht hellrotes Licht tauchte. Gegenüber war ein moderner Flachbildschirm Fernseher an der Wand angebracht. Zwei Stahlstühle und ein bereits abgenutzter Tisch vervollständigte die karge Einrichtung.

Ich seufzte. Was tat ich hier eigentlich? Es stand mir frei zu entscheiden was ich tun wollte. Wieso taten wir so, als wäre es verboten? Es sah ja so aus, als würde ich vor meinem verrückten Ehemann flüchten mit meinem Liebhaber. Ich war keinem Menschen Rechenschaft schuldig. - Hatte Joshua etwa Angst vor Chris? Es sah fast so aus. Gut, Chris war ein dominanter Typ und mir war nicht klar wie Chris reagieren würde, wenn er unsere Flucht entdeckt. Ich vermutete, dass er es bereits herausgefunden hatte und gerade alles in Bewegung setzte, um herauszufinden wo ich war. Ich lächelte. Ich konnte mir seine Wut vorstellen. Sein Aggressionspotential war in solchen Fällen einfach unermesslich. Sein Spielzeug war einfach verschwunden und dann auch noch mit Joshua, dass musste ihn einfach super wütend machen. Ich war mir sicher, dass er mir folgt und wenn es nur wäre, um Joshua zu bestrafen.

Es stimmte, er durfte uns nicht vorher finden. Ich wollte, dass er in den Norden Kanadas kam. Ich wollte mit ihm ein normales Leben führen, also musste ich darauf vertrauen, was Joshua mir zugesagt hatte. Ich musste dafür sorgen, dass er bei seinem alten Rudel auftaucht und sich dort wieder eingliedert. Nach den Informationen von Giovanni, war dies die einzige Möglichkeit, die mir blieb um normal mit Chris zusammen zu sein.

Ich war so müde. Ich schloss die Augen und schlief ein.

Joshua tauchte voll beladen nach einer Stunde wieder auf. Er hatte tütenweise eingekauft. Er lachte. „Es macht Spaß dich für dich einzukaufen. Du hast gerade mal Größe M bei deiner Unterwäsche. Das ist echt niedlich."

Ich verzog eingeschnappt das Gesicht und schaute neugierig in die Papiertüten, die er auf mein Bett gestellt hat: „Solange du mir keine Supermann Unterwäsche und bunte Socken mit Punkten darauf mitgebracht hast ist alles in Ordnung."

„Wollte ich ursprünglich. Ich hätte gerne Chris dabei gesehen, wenn er dir das nächste Mal die Hose herunterzieht."

Bei der Vorstellung musste ich auch grinsen. „Nach jetzigem Stand dürfte er das wohl nie wieder tun ohne, dass es mich umbringt."

Josh holte aus dem Auto eine riesige Kühlkiste und begann die Lebensmittel einzusortieren.

Verwundert schaute ich ihm zu: „Wollen wir eine Kompanie versorgen? Wir sind nur zwei Leute und wir können jederzeit irgendwo anhalten, um uns etwas aus dem Take-away zu holen. Wieso hast du so viele Lebensmittel mitgebracht?"

Er packte weiter Wurst, Käse und andere haltbare Sachen in die Kiste, darunter einige Flaschen Wein, die sorgfältig er Packpapier einschlug. „Die sind nicht für uns. Wir müssen meinen Brüdern und Schwestern schon etwas aus Kalifornien mitbringen... Das konnte ich sonst nicht in diesen Mengen. Ich war immer mit dem Flieger unterwegs. Besonders beliebt sind die Pulverbeutel Schokolade mit Marshmallows darin." Er wedelte mit kleinen Kartons umher. Anschließend ging er nochmal zum Auto und holte eine große weiße Tüte. Den Inhalt bereitete er auf dem Tisch aus. Hervor kamen Beutel mit durchsichtiger Flüssigkeit, Vitamintabletten und kleinere silberne gefüllte Beutel. „Ich habe dir Astronautennahrung, Vitamine und Flüssigkeit mitgebracht. Ich vermute, dass du Schwierigkeiten mit deinem Magen hast. stimmt's?" Er schaute mich ernst an.

Ich nickte und senkte schuldig den Kopf. „Ich dachte, dass wäre kein Problem, wenn ich es versuchen würde."

„Wusste ich doch. Ich habe vorher heimlich in deine Krankenhausakte geschaut. Ich habe keine Lust, dass du mir hier stirbst. Stell dir mal den Ärger vor, den ich mit Chris bekommen würde. Du hast doch noch die Kanüle im Oberarm? Gut, Darüber können wir dich hervorragend versorgen. Ich habe Erste Hilfe gelernt. Wir im Norden Kanadas werden nicht regelmäßig versorgt. Man muss in der Lage sein, sich selbst helfen zu können. Mal kurz mit einem Beil getroffen zu werden, kann schon mal vorkommen. Die nächsten Ärzte sind fast sechs Stunden entfernt und im Winter ist da nicht viel zu machen, wenn der Schnee mehr als zwei Meter hoch liegt. Da muss man schnell lernen wie man eine Fleischwunde näht oder eine Kugel entfernt und desinfiziert. Wir haben einen gewissen Vorrat an Material dafür angelegt und auch ein Krankenzimmer in der Lodge eingerichtet."

Er nahm eine der Beutel mit durchsichtiger Flüssigkeit und hängte sie an den Bettrahmen. „Zieh die Strickjacke aus. Das Trinken wird auf Dauer nicht ausreichen. Außerdem sind hier noch Vitamine und andere Mineralien drin, die dich besser versorgen."

Gehorsam legte ich meinen Unterarm auf ein Kissen und er verband die Kanüle mit dem Zugangsschlauch. „Sag Bescheid, wenn es durchgelaufen ist. Reinigungsmaterial habe ich auch mitgebracht. Für die nächsten Tage ist gesorgt."

Ich spürte wie die kühle Flüssigkeit durch meinen Oberarm lief und lehnte mich erschöpft zurück.

„Ich habe übrigens dein Handy auseinandergenommen. Ich denke Chris hat seit langem eine Tracking-Funktion eingebaut. Jedenfalls würde ich es so machen. Wir wollen doch nicht schon vor der Grenze gestoppt werden."

Ich nickte. Hatte er. Da habe ich gar nicht mehr daran gedacht und schlief erschöpft ein.

Der eisige Hauch des Alphawolfs (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt