Lüge!

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Joshuas Zimmer war schön. Es passte zu ihm. Ich mochte es. Es war mit Möbeln ausgestattet, die zur Loge gut passten. Sie waren aus rohen Hölzern gezimmert, aber trotzdem gemütlich. Sein großes Doppelbett war mit einer roten Patchworkdecke abgedeckt und in einer Ecke war ein Bärenfell auf einem Rahmen aufgespannt. In einem offenen Schrank hing warme Bekleidung und ein paar Stiefel aus Leder standen darunter. An ein paar Harken an der Wand hingen verschiedene Fellmützen. Ein Schreibtisch mit einem Computer stand vor einer breiten Fensterfront, die auf einen Balkon mündete auf dem zwei roh gezimmerte gemütliche Sessel standen, die die Möglichkeit boten den weiten Blick zu genießen. Joshua hatte mich hier untergebracht, weil er mir hier jederzeit helfen konnte. Ich konnte mich kaum eigenständig bewegen und brauchte für alles Hilfe.

„Du bist so schwach", hörte ich mit einem Mal die Stimme des Alphas.

Ich schlug die Augen auf und starrte ihn an meinem Fußende an, während er am Bettende die beiden Hände breit auf das Querholz des Bettgestells gelegt hatte. Er war eine beeindruckende Gestalt. Breit in den Schultern, muskulös mit großen Händen, deren man ansehen konnte, dass sie für die Arbeit draußen gedacht waren und bereits viel Sonne abbekommen hatten. Er war nicht hässlich. Aber sein Gesicht war vernarbt und er sah abgekämpft aus. Müde würde ich sagen. Bei seinen Augen war ich mir nicht sicher, fast vermutete ich Wahnsinn in den Augen schimmern zu sehen, aber auch Intelligenz. Auf jeden Fall war er gerissen. Er war ein Alpha. Er wusste was er wollte und wusste wie er es bekam.

Ich sollte vorsichtig sein.

Er stand an meinem Bettende und starrte mich an.

Ich war mir nicht sicher, wie ich mich verhalten sollte. Er hatte Recht. Ich war schwach. Ich konnte mich kaum bewegen. Schon der Gang ins Bad war unendlich anstrengend und ich musste immer wieder schlafen um dies zu schaffen. Aber ich wusste, dass es eine Frage der Zeit war, bis ich mich einigermaßen erholt hätte. Also musste ich einfach abwarten und hoffte, dass ich keine große Belastung für die anderen darstellen würde. Joshua jedenfalls war bisher begeistert, dass ich da war. Ich spürte es jeden Tag. Er legte mir seine kleine Welt zu Füßen. Auch wenn sie noch so beschränkt war.

Ich wusste, dass ich ihn ausnutzte, aber ich hatte kein schlechtes Gewissen dabei, da ich wusste, dass er seine eigenen Ziel verfolgte, die ich zwar nicht genau verifizieren konnte, aber ich hegte da so meine Vermutungen, wenn ich auf diesen verbrauchten Mann schaute. Also genoss ich einfach, was Joshua mir geben wollte und starrte auf diesen Alpha, in der Hoffnung, dass er mich einfach erstmal in Ruhe lassen würde, da ich keinerlei Probleme für ihn bereitete.

Meine Hoffnung starb, als er mich breit angrinste und sagte: „Du bist zu schwach. Ich könnte dich einfach so zerquetschen. Dafür müsste ich nicht mal vortreten. - Einfach nur kurz deine Lebensenergie anzapfen, dann hätte ich ein Problem weniger."

Ich starrte ihn fassungslos an. Solch eine mörderische Ansage hatte ich nicht erwartet.

„Du liegst hier völlig hilflos herum. Du bist ohne Einladung gekommen. Du bringst Unruhe in meinen ruhigen Winter und wahrscheinlich wirst du mein Untergang sein, wenn ich dies zulasse."

Ich erstarrte wie ein erschrecktes Kaninchen über das sich ein Raubvogel ohne Vorwarnung beugte. Was sollte ich auch tun. Er hatte Recht. Ich hatte kein Recht hier zu sein. Ich war sein Untergang und er war meine Hoffnung darauf mit Chris zusammen zu sein. Alle hielten ihn für Wahnsinnig. Ich dachte nur an diese intelligenten Augen, die mich unverwandt anstarrten und nicht von mir lassen konnten.

„Du siehst aus, als wenn du die nächsten Tage nicht überleben würdest. Das ist dir schon bewusst, oder? Wahrscheinlich schaffst du es nicht bis Chris kommt." Er trat vor und kam näher an mich heran. Er hob mein Gesicht mit seiner riesigen Hand an und studierte mein Gesicht. „Du bist hübsch. Es wäre schade um dich. Kein Wunder, dass Chris dich mag." Er kräuselte seine Nase. „Ich kann Joshua an dir riechen und etwas weiter weg Chris." Genüsslich beugte er sich vor. „Aber dein eigener Duft ist auch wunderschön. Er erinnert mich.." Er schloss die Augen. „An einen lauen Sonnenuntergang am Meer. Schön...wirklich schön." Er öffnete wieder seine Augen. „Auch wenn ich spüre, dass du jetzt gerade Angst vor mir hast." Dabei streichelte er mir mit seinem Daumen über die Wange. „Du brauchst keine Angst zu haben. Wahrscheinlich werde ich dir nichts tun. Wenn du etwas für mich tust."

Mein kleines schwaches Herz hüpfte unkontrolliert. Vor mir stand das ultimative Raubtier. Was sollte ich für ihn tun können? Er spielt doch nur mit mir, wie eine Katze mit eine hilflosen kleinen Maus. Noch nie kam ich mir so klein vor. Er war einfach beeindruckend.

„Wenn du willst könnte ich dir Lebensenergie spenden. Dafür erwarte ich nur eine Gegenleistung. Sorge dafür, dass Chris sich wieder in das Rudel einbringt. Wir brauchen ihn hier und ich brauche einen Nachfolger. Wir brauchen seine Erfahrung und sein Geld."

Dieser Mann war nicht wahnsinnig, er war einfach berechnend, dacht ich überrascht. Er wusste genau was er wollte und er wollte es sofort.

Ich dachte nach. Chris hatte ich an mich gebunden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er sich als Führungskraft von mehr als fünftausend Mitarbeitern sich diesem Mann einfach unterordnen könnte und würde. Dafür war er einfach schon zu lange aus dem Haus. Aber ich würde dem Rudelführer dies bestimmt nicht sagen, da ich meine eigenen Vorstellungen hatte. Also musste ich lügen.

Ich nickte. „Ich kann es gerne versuchen. Chris hatte immer von daheim erzählt."

Der Mann lachte brüllend auf. „Du kannst nicht mal lügen. Meine kleine Schneefee. Chris hat bestimmt nichts von uns erzählt. Warum wohl? Ich werde es dir zeigen!", sagte er und beugte sich zu mir herunter.

Was wollte er? Wollte er mich küssen? War er doch wahnsinnig?

„Wo ist Joshua?" fragte ich ängstlich flüsternd.

„Joshua ist mit Daniel bei der alten Mühle. Du weißt doch, dass das Sägewerk Probleme macht." Grinste er mich aus seinen jetzt weit geöffneten Augen an.

„Ich werde dir jetzt zeigen, warum ich hier der Alpha bin und warum Chris nicht mehr unter uns weilt." Er setzte sich sehr nah an mich heran auf das Bett, während ich eilig versuchte aus seiner Reichweite zu kommen und weiter nach hinten rutschte, da er mir jetzt wirklich bedrohlich erschien.

Diese Augen zeigten eindeutig Wahnsinn, dachte ich und begann vor Angst stark zu schwitzen.

„Ich liebe diesen Geruch – diesen Geruch von Angst!" sagte er übermütig und leckte sich über die Lippen. „Ich werde dir einen Stempel aufsetzen! meinen Stempel! Er wird den Geruch von Joshua und Chris überlagern. Ich werde dir zeigen, dass ich der Alpha bin. Dafür werde deine Lebensenergie verlängern und wir werden sehen für was und wenn Chris und Joshua sich entscheiden werden. Du wirst den Kampf miterleben. Du wirst der Auslöser sein, der zum ultimativen Endkampf bis zum Tod führen wird. Du wirst Schuld sein am Niedergang von Chris, Joshua oder mir." Brüllend lachte er wie wahnsinnig. „Ich hätte nicht gedacht, dass ein schon fast toter kleiner schwacher unnützer Mensch mal die endgültige Entscheidung herbei führen wird. Aber ich werde dafür sorgen, dass es so kommen wird und du wirst mir dabei helfen. Auch wenn es wahrscheinlich nicht ganz freiwillig sein wird." Er ließ mich los und begann sich sein Hemd aufzuknöpfen.

Ich wurde vor Angst bleich. Er wollte mich doch nicht etwa... 

Der eisige Hauch des Alphawolfs (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt