15. Das höllische Buch der Toten

2 0 0
                                    

Luzifer saß hinter einem riesigen Schreibtisch in seinem Büro und war gerade dabei, einen Brief zu öffnen. Er brach das Siegel und während er las, wurde sein gelangweiltes Gesicht zunehmend stutziger, seine linke Augenbraue wanderte immer höher und schließlich teleportierte er in einer Flammensäule, um in einem dunklen Ritualraum aufzutauchen. Im Grunde stach neben vielen magischen Relikten und Artefakte eines besonders hervor. Und zwar das auf dem weisen Pult abgelegte schwarze Buch, das mit drei magischen Siegeln verschlossen war. Die Siegel bestanden aus drei Metallschließen, die oberste war mit einem blutroten, die mittlere mit einem schwarzen und die unterste mit einem blauen Wachssiegel versehen. Doch trotz der Siegel konnte man sehen, dass das Buch nicht nur schwarz eingebunden war, nein, auch die Seiten schienen schwarz zu sein... Luzifer blieb vor dem Buch stehen und schloss die Augen, dann fuhr er mit dem Zeigefinger über den Buchrücken, woraufhin die Siegel von selbst brachen und die Metallschließen sich öffneten. Das war, weil es seine Siegel waren und wenn sie seine Magie spürten, öffenten sie sich von ganz allein. Er schlug es auf, so dass er auf der ersten Seite war. "Das höllische Buch der Toten" stand dort die ganze Seite bedeckend in hellroten Buchstaben auf schwarzem Papier. ,,Zeige mir Illirian Alkaid." befahl Luzifer und das Buch blätterte, um dann auf einer Seite zu stehen zu bleiben. Ein weißes Lesezeichen kam hervor und tippte den Namen mit seinem Ende an, ehe es am Falz zwischen den beiden Seiten gestreckt reglos liegen blieb. "Illirian Alkaid - Todesdatum: 29.10.2021. Sterbealter: 18 Jahre. Todesort: Mendelshausen, Sylphenstraße 22, Gemini-Deutschland. Wesen: Evigilan / Mensch." Das stand dort. Illirian neben mir wurde bleich, als er das las. Ich nahm ihn in den Arm, aber so, dass wir beide noch weiter zusehen konnten. ,,Das ist es, was ich dir zeigen wollte, und nicht Luzifer. In dem Brief stand, dass die Todesdämonen, welche die für die Hölle bestimmten Seelen holen, sehr überrascht waren, deinen Namen dort zu lesen. Denn wieso sollte der Befreier Geminis, der außer dem Sieg über den Blutprinzen, nie etwas auch nur ansatzweise böses getan hatte, mit achtzehn Jahren sterben und dann auch noch in die Hölle kommen? Das kam ihnen und auch Luzifer spanisch vor. Dazu musst du wissen, dass die Todesdämonen ein Duplikat dieses Buches haben, dass sich nach diesem hier aktualisiert und die in naher Zukunft Versterbenden anzeigt. Daher wurden sie auf deinen Namen aufmerksam. Und Ungereimtheiten wie diese klärt Luzifer fast immer persönlich, so auch in dem Fall. Das ist mir klar, weil er sonst in einem Brief an die Todesdämonen mitgeteilt hätte, dass er verhindert ist und diese die Angelegenheit klären sollen. Deswegen und natürlich weil ich die Zukunft kenne, weiß ich das." erklärte ich ihm und er nickte sacht, wohl immer noch geschockt. ,,Du hast meine Kindheit, meine Seele und mein Leben gerettet..." flüsterte er. ,,Noch ist dein Ebenbild nicht tot, das Totenbuch spürt nur die Todesmacht auf, die sich bei Todgeweihten sammelt. Deswegen wissen die Todesdämonen schon im Vorhinein, wer in einer Schlacht sterben wird und wessen Seele sie einsammeln müssen. Aber auch wenn diesen Todgeweihten der Tod im Grunde sicher ist, gibt es dennoch Ausnahmen, bei denen sie noch gerettet werden können. Bei der Hölle bestimmten Toten passiert dies zwar so gut wie nie, bei dem Himmel gewidmeten Seelen passiert das jedoch durchaus gelegentlich, wenn auch nur sehr selten. Es braucht dazu meist eine höhere Macht, die das ermöglicht. Deswegen, sei dir nicht des Todes deines Ebenbilds zu sicher, denn Luzifer wäre durchaus in der Lage, dessen bevorstehendes Ableben zu verhindern." erklärte ich ihm. ,,Aber wenn mein Ebenbild irgend etwas so böses angestellt hat, dass es in der Hölle landet, warum sollte der Teufel dann dessen Tod verhindern?" fragte Illirian und ich seufzte. ,,Sieh genau hin, dann wirst du sehen, was geschieht. Deine Fragen werden sich dann ganz von selbst klären und wenn nicht, kann ich dir immer noch helfen." wies ich ihn an und er nickte wiederwillig. Der Junge war sowohl zu ungeduldig als auch zu neugierig... Der Teufel jedenfalls teleportierte zu besagtem Ort, erschien auf dem Dach des Hauses und schloss dann die Augen, um die Todesmacht zu spüren. Er öffnete seine Augen und verschwand dann erneut in Flammen, um in einem Keller, dem Keller des Hauses wieder zu erscheinen. Dort hing der Junge an der Wand, alle viere waren mit fest verankerten Ketten gefesselt, er hing an seinen festgeketteten Armen, denn seine eigenen Beine trugen den sehr mitgenommen aussehenden Jungen längst nicht mehr. Der Atem rasselte und sein ausgemengelter Körper war nur so von Wunden bedecket, er selbst dagegen trug nur eine kurze Hose, die mit seinem Blut und Dreck befleckt war. Man konnte auch sehen, warum ihn seine Beine nicht trugen, sie waren beide mehrfach gebrochen... Er war wirklich sehr grausam gefoltert worden, von den Menschen in diesem Haus, die mit ihm verwandt waren. Sie hatten ihn so lange gefoltert, bis er dem Tod nahe war und ihm nicht den Gnadenstoß gegeben, sondern ihn zum qualvollen Dahinsiechen in ihrem Folterkeller zurück gelassen... Der Junge müsste eigentlich vor Schmerzen schreien, doch dazu war er wahrscheinlich schon zu schwach, so dass er den Schmerz stumm ertrug und die Augen erschöpft geschlossen hatte, vielleicht auch, um all das nicht mehr sehen zu müssen. Hätte er nicht das Licht der Flammen wahrgenommen, die den Raum erhellten und ihn so den Helligkeitsunterschied durch die geschlossenen Augen bemerken ließen, wäre ihm die Ankunft des Teufels wohl gänzlich entgangen. So aber öffnete er langsam die Augen und sah dem Rothaarigen direkt in die rotbraunen Augen. Luzifer seinerseits sah den Jungen ziemlich überrascht an, denn er hatte nicht erwartet, den Jungen in so schlimmem Zustand vorzufinden, eher hätte er gedacht, dass dieser sich bei einer Siegesfeier versehentlich zu Tode getrunken haben würde oder ähnliches, aber mit einem auf das übelste gefolterten Held der Zauberwelt hatte er nicht gerechnet. Dazu kam dieser Geruch, der ihn die Nase in die Luft halten und nochmal tief durch diese einatmen ließ, doch der Duft war eindeutig... so mischte sich zu der Überraschung noch pures Entsetzen ob der dadurch gewonnenen Erkenntnis... ,,Wirst du... meine tote Seele... ins Jenseits führen?" fragte der Junge schwach, was Luzifer aus seiner Schockstarre riss. ,,Nein!" rief dieser aus und der Junge zuckte zusammen. ,,Nein... du darfst nicht sterben... ich werde dich nicht sterben lassen!" fügte er leiser aber sehr entschlossen hinzu. ,,Warum?" fragte der Junge ihn völlig neutral, als ginge es ihn nichts an. ,,Weil du mein Gefährte bist... Vielleicht standest du deswegen in meinem Totenbuch, obwohl deine Seele die reinste ist, die ich je gesehen habe... Aber dich zu retten wird eine Bindung erfordern, zumindest eine einseitige Bindung. Ich hoffe, du bist einverstanden, wenn ich mich mit einer Blutbindung an dich binde. Solange du nicht dasselbe tust, wird sie nicht vollständig sein. Aber sie wird dir das Leben retten, weshalb ich hoffe, dass du dem zustimmst. Du musst auch gar nichts machen, ich werde alles tun... es ist auch wirklich nicht schlimm." erklärte er ihm.

Die Geschichte einer ReisendenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt