"Wie mache ich mich unbeliebt in unter einer Minute", stänkerte Madeline als sie an diesem Abend in den Schlafsaal kam und mich auf meinem Bett fand. Nach meinem Ausbruch im Flur hatte ich mich hier verschanzt und weigerte mich, mit irgendjemandem zu reden.
"Wie geht es Katie?", lenkte ich das Thema lieber auf wichtigeres.
"Besser. Ich habe zum Glück Blut spenden können." Erst jetzt sah ich, wie blass und müde Madeline wirklich aussah. Sie war den ganzen Tag nicht von der Seite ihrer Schwester gewichen.
Sofort sprang ich vom Bett und nahm ihr ihre Sachen ab. Mein schlechtes Gewissen fraß mich auf. Ohne mich wäre Katie nie angegriffen worden. Nur weil sie mir beim Frühstück zu nahe gekommen war.
"Wissen Sie denn, was sie angegriffen hat?", stocherte ich vorsichtig weiter und hasste mich selber. Aber wenn herauskam, warum dieses Wesen hier war, müsste ich Hogwarts noch früher als geplant verlassen.
"Nicht genau. Es gibt ein paar Vermutungen, aber die sind alle weit hergeholt." Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und schloss die Augen. "Ich hoffe nur, dass sie das Ding finden und schnell los werden. Sonst läuft Wood Amok."
"Tut er das nicht eh schon?", schnaubte ich bei der Erinnerung an seinen fiebrigen Blick.
Madeline gab ein trockenes Lachen von sich. "Du hast zwar für einen ganz schönen Dämpfer bei ihm gesorgt, aber McGonagall hat es noch mal übertroffen. Kein Quidditch bis sie sicher sind, dass das Ding sich nicht mehr auf dem Schulgelände aufhält."
Die Steine in meinem Magen hätten mich bis auf den Grund des schwarzen Sees sinken lassen können. McGonagall wusste bestimmt auch mehr über mich und meine Geschichte. War diese Andeutung für mich gedacht? Wartete die Lehrerin nur darauf, dass ich wieder die Schule wechselte?
"Aber hey", riss mich Madeline wieder in die Gegenwart. "Wieso hast du nie gesagt, dass du so gut tanzen kannst?"
Auf meinen Wangen hätte man Spiegeleier braten können, so heiß wurden sie. "Kann ich gar nicht", versuchte ich abzulenken, aber Madeline hatte wohl genug von depremierenden Themen.
"Ja ja, wir haben das Video gesehen. Woods Cousine ist ein echter Fan von dir."
Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Es war nicht so, dass ich mich dafür schämte. Ich liebte tanzen. Aber tanzen war genau wie Wahrsagen eines meiner Geheimnisse. "Das hätte er nicht rumzeigen sollen", maulte ich, mit dem Gesicht in den Händen verborgen.
"Du glaubst doch nicht, dass irgendwas geheim bleibt, wenn die Weasleys Blut gerochen haben?" Madeline schien es plötzlich gar nichts mehr auszumachen, dass die Weasleys uns -oder insbesondere mich- nun nur noch mehr aufziehen würden. Aber gerade als ich einen schneidenden Kommentar machen wollte, wurde mir klar, dass sie die Ablenkung gerade brauchen konnte. Auch wenn die Schwestern sehr verschieden waren, so waren sie doch ein Herz und eine Seele.
"Also wissen alle, dass ich tanzen kann, aber mich weigere Quidditch zu spielen?", fragte ich stattdessen kleinlaut nach.
"Ja, was hat es damit auf sich?" Madeline hatte ihren Umhang ausgezogen und rollte sich unter ihre Tagesdecke. "Kannst du nicht wenigstens einmal ne Ausnahme machen? Die Jungs schwören, dass dir nichts passieren kann. Du musst nichtmal Punkte machen."
Ich zog die Knie unters Kinn und schlang meine Arme um die Beine. Soviel war ich Madeline wohl schuldig. "Ich saß noch nie in meinem Leben auf einem Besen", gestand ich schließlich.
"Was? Hattet ihr keinen -" Die übliche Frage, ob ich keinen Flugunterricht gehabt hatte, konnte ich nicht noch mal hören.
"Ich habe solche Höhenangst, dass ich nicht mal hier aus dem Fenster gucken kann", unterbrach ich Madeline schnell und starrte auf meine Füße. "Ich habe noch nie in meinem Leben ein Quidditch Spiel gesehen, weil mir alleine bei den Gedanken daran, so schlecht wird, dass ich in ne Papiertüte atmen muss."
Als Madeline nach über einer Minute immer noch nicht reagierte, traute ich mich vorsichtig zu ihr herüber zu gucken.
Sie bemühte sich sichtlich, nicht zu lachen. "Das behalten wir besser für uns, sonst hält Wood das nur für ne Herausforderung, dir das innerhalb einer Woche auszutreiben.""Dafür wäre ich dir sehr dankbar!"
*
Aber diese Sorge war unbegründet. Am Montag morgen, noch vorm Frühstück ereilte uns die gute Nachricht, dass Katie wieder zu Bewusstsein gekommen war und die Hälfte der Gryffindors verbrachte den Morgen im oder vorm Krankenflügel, weil nicht alle gleichzeitig rein passten und Madame Pomfrey schon mit Punktabzügen drohte.
Um nicht doch noch ins Kreuzfeuer zu geraten, verabschiedete ich mich von Madeline und ging zum Frühstück in die große Halle.
Ich hatte immer noch keinen großen Appetit, aber wenn ich nichts aß, würden meine Nerven diese Situation nicht lange aushalten. Ich hatte mich gerade für einen seltsam aussehenden Smoothie entschieden, als ein riesiger Uhu neben mir landete.
"Ernesto." Ich erkannte die Eule wieder. Er war einer der besonderen Tiere, die man meinen Eltern für verschlüsselte Kommunikation gestellt hatte. Es war lange her, dass ich ihn gesehen hatte. Vorsichtig nahm ich den schweren Brief entgegen und tätschelte den Vogel kurz. Ernesto war kein großer Fan von zu viel Nähe und so verschwand er auch gleich wieder.Die meisten Briefeulen waren deutlich kleiner und Ernesto hatte doch Aufmerksamkeit erregt. Besonders weil er nur einen einzigen Brief brachte und kein großes Päckchen. Schnell ließ ich den Brief in meinem Umhang verschwinden. Später würde sich sicher eine bessere Gelegenheit ergeben, ihn zu lesen.
Zunächst musste ich aber den Verwandlungsunterricht bei McGonagall überstehen. Madeline tauchte nicht auf und ich nahm an, dass sie bei ihrer Schwester war. Da McGonagall unsere Hauslehrerin war, würde man ihr wohl verzeihen.
Niemand setzte sich zu mir und so fand ich eine Minute, in der alle konzentriert ihre Stöcke in Regenwürmer verwandeln wollten, um den Brief unterm Tisch zu öffnen.
"Camy, mein Liebe", das war eindeutig die Handschrift meines Vaters.
"Es tut mir so Leid, dass wir dir nicht früher helfen konnten. Deine Mutter und ich wurden zu einem Notfall gerufen. Ich hoffe, der Schulleiter konnte dir alles erklären. Dumbledore ist ein verlässlicher Mann. Wenn du irgendwelche Fragen oder Sorgen hast, kannst du dich jederzeit an ihn wenden."Plötzlich stand McGonagall vor meinem Tisch und räusperte sich. Ich knüllte den Brief zusammen und stopfte ihn wieder in meine Tasche. Mit einer hektischen Entschuldigung machte ich mich wieder an die Übung, wohl wissend, dass ich eher Snape zum Lachen kriegen würde, als diesen Ast zu verwandeln.
Nach dem Unterricht winkte die Lehrerin mich heran und wieder ging mir Madelines Kommentar durch den Kopf. Ich hatte also Recht gehabt.
"Hatte der Schulleiter schon die Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen?", fragte mich die ältere Hexe und achtete mit ihren Adleraugen darauf, das auch wirklich alle Schüler den Raum verließen.
"Wenn sie das hier meinen", ich holte die Kette aus meinem Kragen hervor, "dann ja."
Zufrieden nickte die Hexe und schien erleichtert aufzuatmen. "Ich kenne keine Details", sagte sie mit ernstem Blick auf mich und die Kette. "Aber ich muss auch an die anderen Schüler denken."
Ich nickte nur, denn ich vertraute meiner eigenen Stimme nicht mehr. Sie wussten es also wirklich. Die Lehrer wussten, dass dieser Vogel nicht einfach nur ein Geier gewesen war und das Katie nicht zufällig angegriffen worden war.
Dieser Vogel war mein Fluch und würde keine Ruhe geben, bis er mich hatte.
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Weasleys, Pranks and other Curses
FanfictionAls Camilles Eltern an diesem Abend beim Essen eröffnen, dass sie wieder umziehen müssen, kann Camille nur müde seufzen. Mal wieder. Wie immer. Sie hat sich schon beim letzten Mal kaum die Mühe gemacht auszupacken. Ein weiterer Schulwechsel. Dieses...