Die Nacht war vorbei und Bill weckte uns unsanft, bevor ich daran denken konnte, George etwas zu fragen. Noch immer musste ich an Hermines Rechnung denken. Der Trank wirkte nicht mehr. Er hatte schon nicht mehr gewirkt, als er mir das Gegenmittel angeboten hatte. Egal wie oft ich darüber nachdachte, es machte keinen Sinn.
„Raus aus den Federn, ihr Süßen", lachte Bill, der wissend die Tür hinter sich geschlossen hatte. George war aufgesprungen, wie von einer Bettwanze gebissen.
„Wie spät ist es?", fragte er mit einem mal ganz cool, als wäre es das normalste der Welt, dass wir die Nacht in einem Bett verbracht hatten.
„Zeit, dein Bettzeug aus Camilles Bett zu holen, bevor Mum mich eingeholt hat." Bill zwinkerte uns wieder zu und horchte gespielt offensichtlich an der Tür. Aber George gehorchte und verschwand ohne einen weiteres Wort zu mir.
„Euch hat es ganz schön erwischt, was?" Bill ließ sich so schwungvoll auf die Matratze fallen, dass ich fast abhob.
„Wovon sprichst du?", versuchte ich abzulenken, in der Hoffnung, dass Molly Weasley wirklich auf dem Weg war.
„Mund auf." Bill hielt mir die Medizin hin und ich hatte mich mittlerweile so sehr daran gewöhnt, dass ich reagierte, ohne darüber nachzudenken. „Ich habe mit Fred darüber gesprochen." Bill wartete, bis ich den Geschmack mit einem großen Schluck Orangensaft runter spülte. „Was genau hält dich ab? Ihr fühlt doch eindeutig das gleiche oder? Ist es dir peinlich, weil es alles mit diesem Zaubertrank angefangen hat? Bist du zu stolz?"
Genervt schob ich ihm das leere Glas zu. „Warum bist du noch Single, William?", zog ich ihn auf und sein betroffener Blick verriet, wie treffsicher ich mit meinen Angriffen sein konnte. „Genau. Weil Leute wie wir sich sehr genau überlegen müssen, was wir tun. Wie lange habe ich noch in Großbritannien? Spätestens wenn meine Eltern wieder auf der Bildfläche auftauchen, bin ich weg. Wenn jemand aus ihrer Abteilung vorher etwas davon mitbekommt, vielleicht auch schon früher."
*
Die nächste Nacht hatten Hermine und Ginny freiwillig übernommen und dieses Mal hatte Misses Weasley zugelassen, dass das dritte Bett mit Magie herbei geholt wurde.
Ich hatte den beiden einen Brief diktiert, den sie Maddie schicken sollten und dann war die Nacht in so viel Gekicher übergegangen, dass Bill mitten drin herein geplatzt war um uns daran zu erinnern, dass das hier eine ernste Situation war.
Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum er die dritte Nacht übernahm. Oder weil er sonst niemandem zutraute, mich ruhig zu halten.„Wie sieht es aus?", fragte ich, von seiner ernsten Miene doch noch in die Schranken gewiesen.
„Besser." Erleichtert stieß Bill den Atem aus und wickelte den Rest des Verbands ab, um die seltsame Paste aufzutragen, die er die letzten Tage mit seinen Brüdern zusammen gemixt hatte. „Das wird sich jetzt ziemlich seltsam anfühlen, aber ich denke, wenn es funktioniert, hast du das Schlimmste überstanden."
Seltsam war die Untertreibung des Jahrhunderts. Meine Haut kribbelte, als wäre mir der Arm eingeschlafen und gleichzeitig wurde mein Fleisch darunter abwechselnd kalt und warm. „Pfui. Das nächste mal soll der Geier mich gleich abmurksen", jammerte ich. Ich war diese ganze Prozedur so leid.
„Über sowas macht man keine Scherze."
„Ich scherze, worüber ich will", motzte ich Bill an und bereute, dass ich zu ihm herüber gesehen hatte. Mein Arm sah besser aus?! Das sollte besser sein?!
Das blasse Fleisch wirkte blutleer und wächsern, fast als wäre es abgestorben. Aber hier und da pulsierten einzelne dunkle Stellen, wie schwarze Blutegel.
Ich würgte.„Das hast du davon." Bill schloss seine Arbeit ab und ich war zum ersten Mal fast schmerzfrei. „Und?"
„Erstaunlich", gab ich zu und hob den Arm vorsichtig einige Zentimeter.
„Halt ihn noch still. Morgenfrüh wird es seine volle Wirkung entfaltet haben."
Bill setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und begann etwas in seinen Büchern nachzuschlagen und ich konnte nichts tun als reglos liegen zu bleiben und auf Schlaf zu hoffen. Aber der Schlaf wollte nicht kommen. Das Bild meines Arms flackerte immer wieder hinter meinen Lidern auf, wenn ich die Augen schloss.
War das mein Leben?„Bill." Ich wartete nicht ab, bis er mir seine volle Aufmerksamkeit schenkte. „Ich will nicht mehr weglaufen."
Der älteste Weasley-Sohn sah mich einen Augenblick nur aufmerksam an. „Deine Eltern geben sich die größte Mühe", begann er die immer gleiche Ausrede, die mir alle gaben.
„Tun sie das wirklich? Müssten sie dann nicht hier sein? Müssten nicht sie es sein, die Tag und Nacht an meinem Bett sitzen und meinen Verband wechseln und", brach ich ab. „Ich weiß, dass du sie immer noch bewunderst und ich sage nicht, dass sie nicht ganz herausragend in ihrem Job sind. Aber sie sind beschissene Eltern." Da war es. Die Wahrheit. Doch so schnell war ich nicht fertig. „Weißt du, was ich glaube, nein, was ich schon seit einer ganzen Zeit bemerkt habe? Meine Eltern machen keinen Fortschritt mit diesem einen Fluch und das hat sie eine ganze Weile frustriert. So sehr, dass sie das Interesse an mir verloren haben."
„Camille, ich bin mir sicher -"
„Nicht so sicher wie ich. Ich bin ihre Unterlagen durchgegangen. Seit fast einem Jahr haben sie keine neuen Notizen oder Anmerkungen in ihre Akte über diesen Fluch hinzugefügt."
Ich schnaubte vor Wut und spürte, wie mein Arm wieder anfing zu pulsieren. Ich musste mich beruhigen, keine Frage. Mit geschlossenen Augen tat ich einige tiefe Atemzüge.
„Ich will nicht mehr weglaufen, also werde ich nicht mehr weglaufen." Entschlossen öffnete ich die Augen.Zu meinem Erstaunen nickte Bill zustimmend. „Dann solltest du die restlichen Herbstferien dazu nutzen, möglichst viel Stoff nachzuholen. Nutze Hermines unerschöpfliches Wissen, so lange du noch kannst", schmunzelte er und ich spürte mein Herz wieder einen Schlag aussetzen.
Ja. Genau das würde ich tun.
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Weasleys, Pranks and other Curses
FanfictionAls Camilles Eltern an diesem Abend beim Essen eröffnen, dass sie wieder umziehen müssen, kann Camille nur müde seufzen. Mal wieder. Wie immer. Sie hat sich schon beim letzten Mal kaum die Mühe gemacht auszupacken. Ein weiterer Schulwechsel. Dieses...