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Am nächsten Morgen konnte nicht mal ich noch behaupten, dass es mir gut ging. Jeder Muskel in meinem Körper schmerzte, weil ich mich so sehr verkrampft hatte in meinem Todeskampf. Und die Blutergüsse am ganzen Körper, wo immer mich der Geier erwischt hatte, färbten sich dunkel.

Fred pfiff zwischen den Zähnen hindurch und ich wusste sofort woher Ginny das hatte. "Respekt Renard. Du siehst schlimmer aus, als Bill nach dem Angriff."

"Das kommt nur davon, dass Bill grundsätzlich besser aussieht als ich", konterte ich missmutig und ließ mich an den Esstisch fallen. Ich hatte noch immer keine Ahnung, wie ich das mit dem Duschen anstellen sollte, aber immerhin war ich über meinen Schatten gesprungen und hatte mir mit der Hose von Ginny helfen lassen. Es war nicht so einfach, sich zu bücken, wenn man den Hals kaum bewegen konnte.

"Danke", lachte der älteste Sohn der Weasleys. "Ich hab einfach gute Gene."

Miss Weasley ließ fast die Pfanne fallen, als sie sich zu uns herum drehte und mein geschundenes Gesicht entdeckte. Zum Glück weckte ihr spitzer Schrei ihren Mann und Mister Weasley rettete das Frühstück mit einem Wink seines Zauberstabs. "Üble Sache", brummte er an mich gewandt und ließ die Pfanne als erstes über seinen Teller schweben, damit er die ersten Würstchen nehmen konnte. "Würstchen?", fragte er mich dann ungerührt. Entweder hatte er nichts anderes erwartet oder er war noch weniger ein Morgenmensch als Maddie.

Maddie. Ich fragte mich, wie es ihr ging. "Danke, aber ich bin noch nicht sicher, was ich essen will."

"Überleg nicht zu lange. Wenn der Rest der Heuschrecken kommt, ist nicht mehr viel Auswahl da", ermunterte mich Bill und bot mir einen geschnittenen Apfel an.

Ich nahm das Obst an und ließ das muntere Treiben um mich herum auf mich wirken. Es war nicht viel anders, als in Hogwarts. Nur das hier alle noch im Schlafanzug zum Frühstück kamen.
Mit Ausnahme von Mister Weasley und Percy, die sich auch schon wieder entschuldigten, um rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.

"Tee?" Verwirrt sah ich von der Zeitung hoch, die ich von Mister Weasleys Platz geklaut hatte. Fred nickte mir zu und ich wollte ihm meine Tasse hinhalten, aber er war schneller. "Keine Umstände. So Ramponierte wie du haben ne Schonfrist." Er schwenkte die Kanne und goß dampfenden Kräutertee ein. Er roch wunderbar und ich fühlte mich schon ein wenig lebendiger als Minuten zuvor.

"Es steht gar nichts über Hogwarts in der Zeitung", stellte ich nach einer Weile fest. Ginny, Hermine und sogar George hatten sich in der Zwischenzeit zu uns gesellt.

Misses Weasley spähte über meine Schulter. "Sie wollen den Rummel so klein wie möglich halten. Wer weiß, wie lange es ihnen noch gelingt." Und dann sog sie scharf die Luft ein. "Kind, warum sagst du nichts?"

Verwirrt wollte ich zu ihr aufsehen, doch mein Bewegungsfreiheit schien von Stunde zu Stunde nachzulassen.

"Wir müssen deinen Verband doch schon heute wechseln. Du blutest ja durch!"
Da ich das gleiche T-Shirt trug, dass man mir im Krankenflügel übergezogen hatte, hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt, irgendwas zu sehen. Vielleicht auch besser, denn ich hasste offene Wunden wie die Pest.

Bill lehnte sich herüber und begutachtete, was Misses Weasley gesehen hatte. "Oh ja. Haben wir noch alles da?" Er und seine Mutter verschwanden und ich blieb mit dem Stein im Magen zurück.

"Keine Sorge", beruhigte mich George gähnend. "Bill hat auch Fred wieder zusammen geflickt, als er sich fast in die Luft gejagt hat."

"Das war krass", stimmte Fred zu. "Willste mal sehen? Ist ziemlich ekelig die Narbe, ich dachte, mir würden die Organe raus fallen." Er war schon aufgestanden und wollte sein T-Shirt hoch ziehen, als Ginny im dazwischen grätschte.
"NICHT BEIM ESSEN!"

"So schlimm?", fragte Hermine, als die beiden Geschwister sich wieder gesetzt hatten.
"Schlimmer als das, was Bill passiert ist", grummelte Ginny. "Aber dadurch kann man die beiden wenigstens im Sommer immer unterscheiden."

"Als ob du Probleme hättest, uns zu unterscheiden, Schwesterchen." Fred klaute ihr den letzten Bissen ihres Rühreis vom Teller.

"Apropos." Wieder wandten sich die Zwillinge an mich. "Wie unterscheidest du uns eigentlich?"

Ertappt wand ich den Blick ab. Mir war zu spät aufgefallen, dass es anderen schwer fiel, die Zwillinge auseinander zu halten und so hatte insbesondere Maddie sehr früh festgestellt, dass ich immer wusste, wer wer war. "Ich kann sehr gut raten", log ich und trank den letzten Schluck meines Tees.

Zum Glück kam auch schon Bill zurück. "Bist du soweit? Mam besorgt die Zutaten, die Madame Pomfrey ihr aufgeschrieben hat, aber ich sollte mir das wirklich schon mal angucken."

Ich stellte die Tasse zurück, konnte es mir aber nicht verkneifen, einen Blick in den Teesatz zu werfen.

"Und? Was siehst du?" George hatte mich als einziger hier je dabei beobachtet, wie ich Vorhersagen traf und seine Frage rief ungewollte Erinnerungen in mir wach. Seine Hände in meinen. Sein ungeschickter Versuch, einfach nur einige Minuten mit mir zu verbringe. Ja, ich hatte tatsächlich etwas gesehen.

Mut. Auseinandersetzung. Zwillingsstern. Es war exakt das gleiche, wie beim letzten mal, als ich mir selber die Zukunft gesagt hatte. Exakt das, was mich überhaupt erst in diese seltsame Situation gebracht hatte. "Zimtrübe", antwortete ich und strecke halb meine Zunge raus.

Bill lachte, während ich ihm ins Wohnzimmer folgte. Erst als wir alleine waren, sah er mit einem wissenden Lächeln zu mir hoch. "Zimtrübe ist ein Bestandteil in vielen Liebeszaubern."

Er grinste noch breiter, als ich schnaubend nach Ausflüchten suchte.
"Schon gut. Ich zieh dich nur auf. Das hat schon früher immer geklappt." Das er ausgerechnet jetzt darauf zurück kommen musste, versetzte mir einen kleinen Stich. Ich war drauf und dran, mich vor ihm auszuziehen und er dachte an das kleine Mädchen mit den Pipi-Langstrumpf-Zöpfen.

Ungelenk kämpfte ich mit dem T-Shirt, bis Bill sich erbahmte. "Darf ich?"

Ich nickte stumm und streckte meinen gesunden Arm in die Luft, damit er das T-Shirt nach oben weg ziehen konnte. Kein Wunder, dass er an das Kind von damals dachte. Ich war sogar noch hilfloser als damals.

Eine Schicht nach der anderen rollte Bill den Verband ab und ich war mit einem Mal sehr dankbar, dass Hermine mir vorgeschlagen hatte, ein Top drunter zu ziehen, damit ich mich nicht erkälten würde. Ich war rein gestiegen, wie in einen Rock und hatte es bis über meine Brüste gezogen. Nur deshalb konnte ich den lauschenden Weasleys zurufen: "Ihr braucht euch nicht verstecken." Ich verdrehte die Augen, als Ginny, Ron und die Zwillinge um die Ecke spazierten. Wenigstens Harry und Hermine hielten sich im Hintergrund.

"Urgs!", stieß Ron aus. "Das ist ja ekelhaft."
"Krass", pfiff Fred anerkennend.
"Wenn du noch einmal sagst, dass es dir gut geht, werde ich böse, hast du mich verstanden?", ermahnte mich Ginny und ich fragte mich wirklich, was sie sahen. Ich konnte mir nicht mal meine eigene Hand angucken. Es reichte, das ich spürte, wie falsch sich das Fleisch bewegte, wenn ich die Finger vorsichtig krümmte und streckte.

"Brauchst du einen Kotzeimer?", fragte George halb belustigt, halb ernst. Er musste mein blasses Gesicht bemerkt haben.

"Noch nicht." Ich atmete langsam und gleichmäßig durch den Mund, denn der metallische Geruch von Blut kitzelte meinen Würgreiz. Ohne weiter Frage stellte George mir einen Eimer hin. Vorsicht war wohl doch besser als Nachsicht.

"Was ist das Schwarze?", fragte Ron hinter mir und ich schlang den Arm um den Eimer.

"Gift?", fragte ich Bill, der sehr gewissenhaft arbeitete. Er musste nicht antworten, sein Seitenblick reichte.
Mich packte eine unglaubliche Wut.
"Drecksverfickte Kackscheiße!", schimpfte ich und ballte unwillkürlich beide Hände zu Fäusten. Mit offenen Mündern sahen mich die Weasleys an. "Kein Kommentar!", drohte ich.
Aber natürlich hielten sich die Zwillinge nicht zurück.

"Miss Renard! Was für ein schmutziges Mundwerk." "Das sollte man besser gleich mit Seife auswaschen."

"Wenn ihr euch nicht zusammenreißt, schmeiße ich euch raus." Bill lächelte, aber es jagte uns allen einen Schauer über den Rücken. Offensichtlich war mein Arm in einem schlechteren Zustand, als ich gehofft hatte.


Weasleys, Pranks and other CursesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt