Kapitel 76

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Verträumt
Ge. 02- Kapitel 76

Die Angestelltin lachte wie so eine Irre. »Hab ich etwa einen Nerv getroffen oder was?«
Ich sah sie zornerfüllt an. Am liebsten wär ich ausgeflippt. »Ich kann sehr gut Nerven treffen und sie sogar lähmen.«
Sie schluckte jetzt nur noch und stand auf. Soll sie doch abhauen!

Cihan nahm mir das Tuch aus der Hand. »Ich krieg das auch allein hin.«
Ich blinzelte und stand auf. Er ebenfalls.

»Warum hast du das gemacht?«, fragte ich ihn etwas verwirrt.
»Manche Menschen sind nicht so egoistisch wie du.«
Wieder dieses egoistisch! Wann war ich bitte egoistisch? Hä!? Ach, de Idiot kann mich Mal.

Ich wollte weiter gehen, aber irgendetwas hinderte mich daran. »Wenn ich doch so egoistisch bin, wieso hältst du dich dann nicht fern von mir?«
»Keine Ahnung«, murmelte er. »Ich hab echt keinen Plan. Aber du hast Recht. Warum bleibe ich denn hier?«
Er ging an mir vorbei:
»Ich dachte, du wolltest mit mir zur Therapie?«, fragte ich mit Enttäuschung in der Stimme. Was war bloß los? Der sollte dich doch verpissen!

»Sag doch einfach, dass ich tot bin«, erwiderte er und ging. Ich blieb stehen wie eine Irre und starrte ihm nach. Warum, hätte ich gerne gewusst, aber es kam mir einfach nicht in den Sinn. Deshalb fragte ich mich, warum ich ihn so sehr hasste. Warum?

Nach einer Weile ging ich zur Schule. Ich war sichtlich zu spät. Ohne mir jegliche Gedanken zu machen, klopfte ich an der Tür und wurde hereingebeten. Als ich die Klasse betrat, starrten mich alle dumm an. Ich machte mir nichts daraus, sondern ging einfach zu meinen Platz.

[Sicht von Tunç]

Nach der Schule mussten wir uns wieder wegen der gestrigen Prügelei treffen. Wir wurden gefragt, was passiert ist und warum. Ich hatte das satt. Waren wir hier bei der Polizei oder wie?

Olcay machte einen starren Blick zum Fenster und das die ganz Zeit. Sie war immer kalt, aber ihr jetziger Zustand übertraf alles.

Eine ganze Weile blieben wir noch, als schließlich schon einige gingen. Erst Cihan, dann Yakup, dann Serkan und als ich gehen wollte, klopfte es an der Tür.

Es kam eine Frau rein und sah erst zu mir und dann zu Olcay. Danach ruhte ihr Blick auf Frau Özkan. »Was ist jetzt schon wieder passiert?«
An ihrer Stimme merkte man, wie genervt sie war.

»Özlem, deine Tochter hat wieder jemanden geschlagen!«, rief Frau Özkan. Es klang irgendwie danach, wie Grundschulkinder ihre Mitschüler an die Lehrerin verpetzten.
»Ach so«, sagte Özlem. Warte... Özlem? Konnte es sein, dass es die Freundin meiner Mutter war, die mir angeblich weiterhelfen könnte?

»Özlem sag was!«
»Gülay, okay.«
»Ich weis doch eh, dass du nichts machst!«
»Warum machst du dir dann die Mühe und rufst mich?«
»Hmpf! Du wirst noch sehen! Warte hier!«, rief Frau Özkan und verließ den Raum.

Özlem setzte sich auf einen Stuhl und schenkte mir ein Lächeln. Dann sah sie zu Olcay. »Was hast du wieder angestellt?«
»Einen Kerl gehauen... oder gleich ein paar mehrere.«
»Warum?«
»Sag ich jetzt nicht.«
»Okay«, gab sie einfach auf und sah dann wieder lächelnd zu mir.

»Wie heißt ihr gleich mit dem Nachnamen?«, fragte ich und hoffte ehrlich, dass sie es war.
»Warum?«, fragte Özlem und legte den Kopf schief.
»Weil, äh. Nur so.«
»Çelik«, antwortete sie und es traf mich wie ein Blitzschlag. Sie musste es sein. Ich hatte den Namen wieder im Kopf. Das musste sie sein.

[Sicht von Alev]

Nach der Schule ging ich wie geplant zur Turnhalle und wartete dort. Es dauerte etwas länger, also schickte ich ihm eine Nachricht, was los sei. Ich wartete schließlich seit zwanzig Minuten.

Danach ließ ich mein Handy in meine Hosentasche fallen und wartete wieder, bis schließlich jemand kam. Es war aber nicht Serkan. Es war Bekir.

Ich machte einen Schritt zurück.
»Hast du mich vermisst?«, fragte er mit einem Lächeln. Das Lächeln war nett, aber ich wusste, dass es einfach nur falsch war.

»Du hast mich reingelegt?«, stellte ich fest. Er nickte. »Mein Kumpel kann ziemlich gut Unterschriften oder Schriften fälschen.«
»Du Widerling.«
»Alev, ich hab mich so nach dir gesehnt.«
Es fühlte sich so an, als ob die schreckliche Zeit wieder zurückkehrte. Auf einmal war alles wie früher. Scheiße.

Ich fing an zu schreien und er versuchte mich zu beruhigen. »Bitte, Alev! Ich möchte dir nichts schlechtes antun! Ich habe mich geändert! Ich schwöre es!«
»Verpiss dich!«
»Ich gehe, aber ich komme wieder. Ich habe mich geädert, bitte denk daran.«

Er ging ehrlich, doch mein Herz raste verdammt schnell. Er war gegangen! Er war gegangen!

Schnell rannte ich aus der Schule und wollte zur Bushaltestelle. Ich musste einfach so schnell wie möglich nach Hause. Doch als ich einige Schritte nach der Schule gegangen war, zerrte mich irgendwer weg. Er hielt meinen Mund zu und schlug auf mich ein. Ich wusste nicht, wer es war. Es kam mir so vor, als könnte ich nicht mehr atmen. Alles schien schneller abzuspielen, als es geschah.

Vergebens versuchte ich mich zu befreien, aber die Person war zu stark. "Allah, bitte hilf mir", dachte ich und da zog jemand den Typen von mir weg. Ich fiel zu Boden und versuchte mich aufzurichten. Mir tat alles weh.

Von hier aus hörte ich, wie sich einige Typen verkloppten. Als ich aufsah, erkannte ich Serkan. Er schlug auf den Typen ein, der ein verzweifeltes Gesicht machte. »Bitte! Ich hab nur 'nen Gefallen für jemanden getan! Ich schwör's!«
»Für Wen!?«, rief Serkan, so laut er konnte. Cihan erschien auf einmal und half mir hoch. »Geht's dir gut?«, flüsterte er und ich nickte schwer.

»Er töten mich!«, rief der Typ. Serkan ließ ihn los und er rannte weg.

Sofort kam Serkan dann zu mir. Er strich über meine Wange. »Alles okay?«
Ich nickte wieder schwach. »Ich hatte nur Angst.«
»Ich bin bei dir«, murmelte er und nahm mich in den Arm. Ich zog seinen Geruch in mir auf. Cihan winkte mir und ging. Dabei musste ich lächeln.

»Wenn dir etwas passiert wär«, murmelte er.
»Es war doch vorher alles gut«, nuschelte ich.
»Bis Bekir kam«, sprach er mir aus der Seele. Dann küsste er mich auf den Scheitel und mein Herz begann heftig zu schlagen. Mein Lächeln könnte nicht breiter werden. Ich war so glücklich, dass ich für den Moment alle Sorgen vergaß.

»Danke, dass du da bist«, flüsterte ich und er umarmte mich noch fester.
»Das ist selbstverständlich.«
»Nein, ist es nicht.«

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