Kapitel 82

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Verträumt
Ge. 02- Kapitel 82

Ich war nicht im Stande zu sprechen. Reden konnte so viel bezwecken. Es konnte dafür sorgen, dass man sich besser verstand, einander glücklich machte und konnte gutes bedeuten. Auf der Anderen Seite konnte es ungewollt ein Chaos herbeirufen, wie ich es bei Gülay gemacht hatte- ungewollte, ohne jede Absicht, doch es war geschehen.

»Er hat sich einfach in eine andere verliebt«, erklärte sie mit zittriger Stimme und versuchte ihre Tränen zurückzuhalten. »Er hat mir Hoffnungen gemacht, obwohl das andere Mädchen in seinen Gedanken war. Obwohl er sie geküsst hatte. Obwohl er sie geliebt hatte.«

Stille. Ich wagte nicht noch etwas zu sagen. Ich hatte Angst, wieder etwas schlimmes zu sagen. Die Rose in meiner Hand, die mich gerade zum lächeln gebracht hatte, verbarg eine tiefe Trauer.

»Es-tut mir... Leid«, stammelte ich. Irgendetwas musste ich ja sagen.
»Es- es ist okay. Es war nur ungewohnt, es auszusprechen. Bis heute wagte ich es ja nicht einmal, es mir selbst zu sagen... und ich würde mich freuen, wenn es unser kleines Geheimnis bleiben würde.«
Ich nickte sofort. Natürlich würde ich es nicht weiter erzählen.

Die Trauer hatte Gülay- Frau Özkan umhüllt. Sie lächelte, aber ihr Lächeln war an mehreren Stellen gebrochen. Ihre Augen funkelten nicht und ihre Augenfarbe hatte sich verdunkelt.

Den ganzen Tag musste ich noch an sie und ihren Gesichtsausdruck denken. Nach der Schule hatte ich vor, zu Ece zu gehen. Warum wohl?

»Bin ich denn gar nicht mehr wichtig?«, quengelte Ece gespielt beleidigt, als wir im Bus saßen.
»Wie kommst du jetzt darauf?«
»Serkan hier, Serkan da und Ece ist eine Statue, auf die nur noch Vögel kacken!«
»Nein!«, lachte ich. »Ece! Du bist meine aller aller aller aller beste Freundin und das weißt du!«
Sie lachte. »Ich weiß, ich weiß. Du kannst nicht ohne mich«, prahlte sie und grinste. Ich gönnte es ihr dieses Mal.

Bei ihr zu Hause aßen wir erst einmal etwas. Wir waren beide allein in der Küche, das perfekte Timing, sie auszufragen, was sie bedrückt.
»Geht's dir gut?«, fing ich an.
»Äh- ja?«, antwortete Ece, als sei es die merkwürdigste Frage auf der Welt sein.
»Dich bedrückt also nichts?«, fragte ich vorsichtig. Sie zuckte erst mit den Schultern, erzählte mir aber dann von dem Treffen mit meiner Tante Özlem. Sie erzählte über die Familienverhältnisse zwischen ihrer und der von Tunç und dass sie einfach nicht wusste, wie es weiter gehen soll.

»Das wird schon!«, behauptete ich sofort. »Du magst Tunç doch und du warst bereit, mit ihm befreundet zu sein, obwohl es deine Mutter nicht wollte und er ebenfalls. Lass dich nicht hängen! Ich will meine starke Ece sehen! Du darfst nicht rumheulen! Das ist mein Job!«
Sie lachte kurz auf. Da kam auch schon ihr Bruder in die Küche- Serkan. Er sag leicht erkältet aus- süß.

»Oh, hallo, Alev«, nuschelte er.
Ich grinste bis über beide Ohren und stand sofort auf. Ich ging zu ihm und umarmte ihn. Er löste sich schnell von der Umarmung und nieste. »Du wirst noch krank- halt abstand«, erwiderte er mit einer brüchigen Stimme. Er war wohl kranker, als ich es dachte. Ich zuckte mit den Schultern. Mein Herz pochte, in meinem Bauch schwirrten Schmetterlinge und ich vergaß völlig, dass Ece in unserer Nähe war.

»Dann werd' ich halt krank«, entgegnete ich, immer noch mit einem breiten Grinsen. Seine Augen strahlten so schön grün. Dieses funkeln in ihnen machte mich so glücklich. Vor allem, weil ich wusste, dass sie wegen mir funkeln. Ich strich ihm durchs Haar.
»Aber wenn du krank wärest, könnte ich mir das nicht verzeihen«, hauchte er und ging einen Schritt zurück.

Plötzlich fing Ece an, laut und gespielt zu husten. »Ich kann's nicht fassen, wie kitschig ihr seid. Iiih!«
»Ach«, zischte ich, während Ece wie ein Kleinkind lachte.
»Ja klar!«, bestätigte sie noch einmal ihre Aussage.
»Du willst dich also nie verlieben?«
»Wenn ich dann so kitschig sein muss, NEIN!«

[Sicht von Cihan]

Am Freitag ging ich wie gewohnt zur Schule. Wer mochte den Freitag nicht? Die Schule wurde so angenehmer. Man wusste schließlich, dass Wochenende war.

In der Schule kam dann plötzlich Dilek auf mich zu und meine Laune zerplatzte.
»Cihan?«, fragte sie mit ihrer gespielt unschuldigen Stimme.
»Was?«, fragte ich gelangweilt.
»Ich weiß, es war ein Fehler, aber hör mir doch bitte zu!«, rief sie voller Verzweiflung. »Ich wollte dich nicht verlieren!«
»Ach verpiss dich und zieh diese Scheiße bei jemand anderem ab«, entgegnete ich hart und sah mich um, um nicht in ihr Gesicht sehen zu müssen.
»Cihan, ich liebe dich«, gestand sie mit ihre Gefühle. »Jetzt ist es raus!«
»Wow«, sagte ich genervt. »Kannst du jetzt gehen?«
»Cihan!«, rief sie und da begegnete mein Blick zwei wutentbrannten Augen- so stechend blau, dass es weh tat. Olcays Blick war hart. Warum? Was hatte sie denn heute gegen mich? Mir kam wieder das Bild hoch, wie sie alleine weinte. Still, unauffällig. War sie wirklich so zerbrechlich in ihrem Inneren? Von außen war sie ja nicht zerbrechlich. Das konnten die Jungs aus der Schule bezeugen.

»Hörst du mir zu?«, fragte Dilek ungeduldig und ich nahm sie wieder wahr. Mein Blick wechselte von Olcay zu Dilek und ein Grinsen durchfuhr mein Gesicht. »Ja, ich höre dir zu«, meinte ich zu Dilek und ging einen Schritt näher zu ihr. Danach blickte ich wieder zu Olcay, die ihre Fäuste geballt hatte.

»Gibst du mir noch 'ne Chance?«, fragte mich Dilek.
»Nö«, erwiderte ich und ging da auf Olcay zu. Sie drehte sich sofort weg und ging. Ich packte sie am Arm und sie drehte sich zu mir.
»Äh«, stotterte ich. Was wollte ich eigentlich sagen?
»Was willst du?«, fragte sie voller Zorn. »Halt dich fern von mir, sonst bereust du es!«
»Warum?«
»Wie warum? Was ist daran nicht so verständlich, dass du mir nicht nahe treten sollst?«, fragte sie und ging weiter. Bevor sie weg war, hörte ich sie noch leise »Holzkopf«, zischen. Wie ich dieses Wort liebte.

[Sicht von Alev]

Olcay war aus irgendeinem Grund nicht zum Unterricht gekommen. Vorher hatte ich sie aber ganz bestimmt noch gesehen! Naja...

Frau Özkan sah heute wieder ziemlich hübsch aus. Sie war wieder richtig am lächeln, was mich innerlich beruhigte. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht.

Es klopfte mitten im Unterricht an der Tür. »Herein!«, bat Frau Özkan und ein Lehrerin kam, gefolgt von einem Mann.

»Das ist Herr Bulut«, sagte sie Lehrerin. »Er ist zu unserer Schule gewechselt und wollte sich, auch wenn er schon lange Lehrer ist, hier sich den Unterricht ansehen. Er hat bis jetzt nur im Ausland gelehrt.«
Frau Özkan nickte und die Lehrerin verließ den Raum.

Plötzlich änderte sich sie Stimmung. Es lag etwas seltsames in der Luft. Frau Özkan zog auf einmal die Augenbrauen zusammen und sah den neuen Lehrer prüfend an. Der neue Lehrer hatte braunes Haar und braune Augen. Ein Durchschnittstyp eben.

»Kenne ich sie von irgedwoher?«, fragte Frau Özkan schließlich. Herr Bulut sah sie lächelnd an. »Menschen ähneln sich. Ich bin ihnen aber sicherlich nicht schon einmal begegnet, sonst würde ich sie wahrscheinlich wieder erkennen. So eine Schönheit zu vergessen, müsste wohl ziemlich schwer sein.«
Oha! Frau Özkans Augen funkelten kurz, sie sah aber dennoch etwas verwirrt aus. Funkte es zwischen denen etwa? Dann müsste sie ja auch nicht an ihren Ex, wie hieß er gleich? Savaş? Genau! Sie konnte ihn dann vergeeen und schließlich glücklich werden! Herr Bulut sah ja nicht einmal schlecht aus!

[Sicht von Olcay]

Ich hatte irgendwie gar keine Lust auf Schule gehabt. Etwas hatte mir die Laune genommen. Ich ging also zum Arzt, holte mir einen Artest und wollte einfach nach Hause. Doch auf dem Weg aus der Praxis, musste dieser Hund mich ja sehen.

»Oh, wen haben wir denn da?«, fragte Bekir, als er mich sah und musterte mich dreckig von oben bis unten. Wie konnte man da bitte ruhig bleiben!? Da musste man doch durchdrehen!

»Eine Schönheit. Kommst du zu mir oder machen wir es im Wald?«, fragte er dreckig und ich ballte meine Hände zu Fäusten. Er machte mich einfach nur wütend.

»Bekir, ich gebe dir eine Chance, entweder du verpisst dich oder du bereust es zutiefst.«
Ich meinte es ernst.

»Komm schon, Süße!«, rief er und packte mich am Arm. »Ich will deinen Körper spüren!«
Und dieser Typ vergriff sich an meine Cousine und jetzt an mich? Der wird sehen...

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