Kapitel 68

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Verträumt

Ge. 02- Kapitel 68

»Was!?«, schrie ich auf.

»Ich weiß nicht, wie sie an ein Messer kommt, aber falls der Praktikant sie nicht gesehen hätte, wäre es zu spät. Mehr Informationen kann ich nun leider nicht geben. Wir vermuten, dass es ihr ein Gast überreicht hat«, erklärte der Arzt.

»Soll ich Yakup abi rufen?«, fragte ich und mein Herz schlug vor Angst.

»Wenn sie aufwacht, braucht sie sicherlich Unterstützung und durch die Einwilligung von ihm, können sie auch zu Nisan.«

Ich nickte und rief ihn an. Er sagte, dass er sofort kommen würde und dann gab ich mein Handy dem Arzt, damit er hörte, dass Yakup abi es uns erlaubte. Er wollte einfach, dass Nisan keine Sekunde allein war.

Ich und Alev gingen also in das Krankenzimmer und sahen Nisan. Eine Krankenschwester war neben ihr und wechselte ein Verband aus.

»Oh nein«, murmelte ich, als ich Nisan so sah und meine Beine wurden wackelig. »Was hast du bloß getan, Nisan?«

Sie war noch nicht wach und ich traute mich nicht, näher zu ihr zu gehen. Nicht, weil ich wackelige Beine hatte und es sowieso nicht schaffen würde, sondern weil es von hier aus aussah, als sei es ein Traum. Von der Nähe könnte mich selbst nicht täuschen.

Alev nahm meine Hand und drückte sie. Sie wusste, wie sehr es mir weh tat. Sie wusste, wie sehr es schmerzte.

»Lass uns gehen«, murmelte sie in einem schwachen Ton. »Lass uns gehen, wenn Yakup abi hier ist. Er wird auch bei ihr allein bleiben wollen.«

Ich schluckte und nickte nebenbei. Wir gingen dann auch, nachdem Yakup abi kam. Ich fühlte mich den ganzen restlichen Tag schlecht. Sogar am Sonntag noch konnte ich sie nicht aus meinem Kopf bringen.

Erst am Montag ging es mir besser. Ich wachte früh auf und rannte ins Badezimmer, bevor es Serkan abi tun konnte. Blitzschnell machte ich mich fertig und aß dann in der Küche etwas.

An der Bushaltestelle begrüßte ich Alev und in der Schule war irgendwie alles okay. Um die Sache mit Tunç machte ich mir keine richtigen Sorgen mehr. Es würde schon irgendwie geklärt werden, ich meine, meine Mutter brauchte nur etwas Zeit und die würde ich ihr geben. Ich vertraute ihr.

Alev ging es auch gut, obwohl sie Streit mit meinem Bruder hatte. Ansonsten war alles okay. Wir waren wie früher und nahmen uns vor, ab jetzt mehr in der Schule aufzupassen.

Der Unterrichtsstoff war ziemlich schwer, vor allem weil wir so lange nicht mitgemacht hatten. Dennoch packten wir es beide irgendwie und wenn nicht warfen wir geknüllte Zettelchen mit Fragen auf Olcays Tisch, die sie uns jedes Mal beantwortete.

Die Pausen und Stunden vergingen rasch, sodass wir mit einem Augenschlag in der Mittagspause angelangten und in der Mensa saßen. Ich holte mir wie immer Ananas als Nachtisch und musste grinsen.

»Sollen wir nach Schulschluss etwas machen?«, fragte ich Olcay und Alev.

»Ich muss nachsitzen, weil Gülay mir immer noch sauer ist, dass ich Cem geschlagen habe und meine Mutter darüber gelacht hat, statt zu schimpfen«, erklärte Olcay eher gleichgültig.

»Deine Mutter hat gelacht?«, fragte ich mit großen Augen.

»Typisch Özlem teyze (Tante)«, meinte Alev und grinste.

»Diese Özlem würde ich Mal gerne kennenlernen«, sagte ich und aß weiter. Ich war als erstes fertig und stellte mein Geschirr weg.

»Ich muss kurz ein paar Bücher in die Schulbibliothek abgeben, okay?«, erzählte ich den beiden und war schon weg, bevor sie antworten konnten. Auf dem Weg stieß ich auf Tunç, würdigte ihm aber keinen Blick. Er mir auch nicht.

Schnell ging ich an ihm vorbei. Er war doch eh ein Hohlkopf, redete ich mir ein, weil ich mich schlecht fühlte.

Als ich fast den Gang hinuntergegangen war, nannte er meinen Namen. »Ece!«, rief er und etwas in meinem Inneren sprang auf. Ich sah nicht nach hinten, sondern rannte weg. Das musste nicht sein. Nein.

In der Bibiliothek gab ich meine Bücher ab. Die Schülerin, die dort arbeitete sah mich mit großen Augen an. »Bist du nicht die, die mit Aksoy zusammen ist?«

Ne, nicht schon wieder.

»Nein. Ich bin nicht mit Aksoy zusammen.«

»Ach«, murmelte sie etwas enttäuscht. »Dann bist du nicht die, die auf dem Foto ist?«

Raste nicht aus, Ece.

»Doch. Deshalb müsst ihr aber keine Geschichten erfinden.«

»Aha«, sagte das Mädchen. Ich tat so, als wäre ich nicht sauer und lächelte gespielt. Danach ging ich schnell weg. Die Leute hatten echt keine besseren Hobbies, als über andere zu lästern.

[Sicht von Alev]

Nachdem Ece gegangen war, musste Olcay auch schon los. Sie musste Frau Özkan irgendeinn Zettel geben, hatte sie gesagt. Ich war also allein. Somit legte ich mein Geschirr weg und ging in den Pausenhof. Was nun? Da hatte ich noch ganze zwanzig Minuten und hatte nichts zu tun. Extrem scheiße.

Ich lehnte mich an die Schulwand und neigte meinen Kopf zur Seite. Auf einmal stand dann Serkan vor mir und ich richtete mich sofort hin. »Was?«

Er lächelte leicht.

»Was machst du hier?«, fragte ich und musterte ihn von oben bis unten.

»Ich will dich zurück gewinnen«, sagte er knapp und sah mich mit seinen atemberaubenden Augen an. Ich hob eine Braue. »Ach«

»Es tut mir Leid. Ich weiß, es war falsch und ich weiß, es war ein Fehler, aber ich weiß auch, dass du das auch weist. Wenn du glaubst, dass ich dich absichtlich verletzen würde, hast du mich einfach zu schlecht gekannt. Ich meine, du warst meine Freundin und ich würde doch mit keiner Schlampe zusammen sein.«

Ich war nicht in der Lage, etwas zu sagen. Meine Kehle war zugeschnürt.

Er legte eine Hand an die Wand, direkt neben meinem Kopf und kam somit näher zu mir. Sein Gesicht stand meinem sehr nahe. »Ich weiß, du liebst mich«, sagte er und grinste schief. »Oder nicht? Wenn nein, dann sag es mir und sieh mir dabei in die Augen. Wenn du es schaffst, lasse ich dich in Ruhe.«

Natürlich liebe ich dich du Trottel! Das liegt doch auf der Hand und du weißt es ja auch!

Dennoch wollte ich es nicht sagen. Mein Herz schlug so schnell und so laut, dass ich die Angst bekam, dass er es hören würde. Ich verlor mich einen Augenblick in seinen Augen und sah deshalb schnell runter. Peinlich. Hoffentlich wurde ich nicht rot.

»Komm, Alev sag es«, murmelte er und dabei prallte sein Atem auf mein Gesicht. Die Art, wie er meinen Namen sagte, verzauberte mich immer wieder. Es kam mir so vor, als hätte ich den schönsten Mädchennamen. Traumhaft.

Ich sah zu Serkans Arm, der neben meinem Kopf war und ging unten durch. Serkan sah mich von der Seite an und nahm seinen Arm weg. »Du kannst nicht, richtig?«

Er sah stolz aus, glücklich, erfolgreich.

Ich nickte. »Ich hab nie geleugnet, dass ich dich liebe, Serkan«, sagte ich klar und deutlich. Er sah mich starr an und zog seine Augenbrauen zusammen.

»Aber wer kann mir sagen, was du für mich empfindest?«, fragte ich und sah ihm in die Augen. Mein Herz machte einen Sprung, weil es genau wusste, was ich gleich sagen würde und es war wahrscheinlich dagegen. Es wollte, dass ich mich in seine Arme warf und ich war wirklich kurz davor es zu tun. »Ich meine, woher soll ich wissen, ob ich nicht irgendeine Schlampe, ein Spiel für dich bin? Kannst du mir das sagen? Nachdem du mich so genannt hast, ist meine kleine Welt zerbrochen. Ich hab sie wieder aufgebaut und hab nicht vor, sie wieder abstürzen zu lassen.«

Sein Mund ging einen winzigen Spalt auf und er sah mich fassungslos an. Vielleicht war es nicht so gekommen, wie er es wollte. Vielleicht.

Ich machte einen Blick, der etwas ernstes hatte und auf jeden Fall echt aussah. Den Blick hatte ich mir von Olcay abgeguckt und war ehrlich stolz darauf. »Serkan, beweis es mir.«

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