Kapitel 96

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Verträumt
Ge. 02- Kapitel 96

[Sicht von Ece]

Ich nahm das Handy und sah nach, ob meine Karte drin war, doch das war sie nicht. Klar, sonst hätte man mich ja vielleicht gefunden, oder? Wahrscheinlich war das nicht einmal mein Handy.

Ich nahm das Handy trotzdem in meine Hosentasche und sah mich um. Hier musste man doch irgendwie rauskommen. Irgendwie.

»Ece!«, rief jemand und mein Herz machte Sprünge. Es war Eylem. De Cousine von Bekir.

»Eylem!«, rief ich und umarmte sie fest.
»Es ist alles vorbei«, flüsterte sie und sah verzweifelt aus. »Alles ist gut, okay?«
»Wie hast du mich gefunden?«, fragte ich und mir stiegen Freudentränen hoch.
»In der Türkei wurde mein Verhältnis zu Bekir etwas besser. Er hatte mir versprochen, keine Drogen mehr zu nehmen und nicht mehr sich zu besaufen. Deshalb bin ich ihm immer gefolgt. Er hat es trotzdem gemacht und seit kurzem ist er immer hierher gekommen. Es war so, als ob er diesen Wald studierte. Kein Ahnung. Auf jeden Fall hab ich gestern in seinem Heft ein durchstrichenes Foto von dir gesehen und heute morgen war die Pistole meines Vaters, er ist Polizist, weg. Ich bin hierher gerannt.«

Wir lösten uns von der Umarmung und ich wischte mir die Tränen weg. »Wir müssen hier schnell weg, Eylem! Bekir kommt jeden Augenblick wieder und er hat gesagt, er will mich töten. Wenn er dich sieht, bist du doch auch Beweis! Wir müssen hier weg!«
Sie nickte. »Schnell weg!«

Eylem kannte den Wald ziemlich gut. Sie brachte mich hier raus und wir gingen zu einem Polizeirevier. Sie schickten uns dann in ein anderes Revier, wo wir schon gesucht wurden. Süß, man hatte sich Sorgen um mich gemacht. Ich erzählte alles, was passiert war genau und Eylem erzählte von der Lage im Haus.

Danach wurden wir entlassen. Somit auch Olcay, Serkan abi und Alev. Sie waren wohl wegen mir hier.

[Sicht von Gülay]

Die Polizei kam und Savas und Herr Bulut wurden weggebracht. Sie kamen mit einer Geldstrafe davon, weil sie ja in der Schule sich geprügelt hatten. Savas wurde dann ins Krankenhaus gebracht, im Gegensatz zu Herr Bulut.
Herr Bulut war fast nichts passiert. Er war wie ein professioneller Killer. Okay, ich hab etwas übertrieben.

Auf jeden Fall ging ich Savas besuchen. Okay, ich wollte ihn zwar eigentlich nicht wiedersehen, aber mein Herz ließ es nicht zu, ihn einfach so zurückzulassen.

Ich setzte mich also neben ihm und er grinste mich an.
»Gülay, hast du mich vermisst?«
»Träum weiter.«
Er lachte. »Hast Recht. In meinen Träumen sehe ich eh nur dich... Es tut mir Leid, Gülay. Ehrlich, nur das mit Filiz ist für mich okay- zu ertragen. Ich hätte es nämlich wieder getan. Sie war krank, weißt du? Ihre Eltern waren gestorben und sie hatte alles, selbst ihr Haus für deren Operationen ausgegeben. Am Ende hat es nichts genützt. Sie brauchte meine Hilfe. Mehr als du. Du warst stark. Mehr als Özlem. Sie ist sogar noch stärker. Versteht ihr? Sie war glücklich mit mir. Irgendwie. Weißt du, durch diesen ganzen Stress konnte sie keine Kinder mehr kriegen. Sie war am Boden zerstört und wollte sich umbringen. Ich bin mit ihr zur Therapie gegangen. Es hat zwei Jahre gedauert, bis sie normal wurde und drei weitere Jahre, bis sie endlich lachen konnte. Nach der Zeit ist sie mir sehr ans Herz gewachsen. Nach ihrem Tod, war auch ein Teil von mir gestorben.«

Er machte eine Pause und sah aus dem Fenster. »Ich war wie weg. Am liebsten hätte ich mich selbst getötet, aber dann hab ich diese Schönheit in meinen Träumen gesehen. "Bleib stark, Savas. Bleib stark für mich. Für dich. Für die Zukunft", hat sie gesagt. Immer wieder. Ihr blondes Haar war wie aus Gold. Es war gelockt und ging ihr bis zur Brust. Ihre Augen waren blau und sie trug ein weißes Kleid, einen Schleier und einen Blumenstrauß in der Hand. Es schien so viel Licht, ih hab die Person nicht einmal richtig erkennen können.«

Mir stiegen Tränen hoch. Als er mir in die Augen sah, spürte ich diese Sehnsucht nach seiner Nähe.

»Gülay, das warst du. Du warst es, Gülay. Du. Ich- du- du hast dich sehr verändert. Keine Ahnung, wie, aber ich bekam den Drang zu dir zu gehen, obwohl ich noch nicht wusste, dass du es bist.«
»Savaş-«
»-schon olay, Gülay. Ich weiß, dass es schwer ist, jemandem zu verzeihen. Ich hab dich sehr traurig gemacht.«

Ich weiß nicht warum, aber ich umarmte ihn. Er war erst geschockt und überrascht, aber dann erwiderte er meine Umarmung. Ich fühlte mich seit Jahren wieder so glücklich, so geborgen und sicher. Es war ein Traum. Ein Märchen. Verzeihen ist schwer, aber ein Versuch war es wert.

Mein Herz explodierte bei seiner Berührung, obwohl so viele Jahre her war. So viele endlos zu scheinende Jahre, in denen ich mich selbst einsperrt und mir den Weg zur Freiheit verboten hatte. Als ob ich den Schlüssel von meinem Käfig freiwillig weggeschmissen hätte.

Ich löste mich von seiner Umarmung und sah in sein Gesicht. Er grinste amüsiert. »Du bist so wunderschön, weißt du das?«
Mir kullerte eine Träne hinunter, doch ich grinste zurück. »Vielleicht enden Märchen ja doch mit einem happy End«, meinte ich und er nickte.

[Sicht von Olcay]

Wir gingen alle zu Tunç. Tunç erzählte uns, was passiert war und wir ihm, was geschehen war. Danach erzählte uns meine Mutter von Selim. Den Typen kannte ich. Von ihm hatte mir meine Mutter schon viel zu oft erzählt.

Später lachten alle zusammen. Es vergingen Tage und Wochen, als uns Bescheid gegeben wurde, dass Bekir in eine Anstalt gebracht wurde. Seine Psyche war wohl zerstört und so. Auf jeden Fall konnte es deshalb nicht in den Knast gehen. Aber das war doch auch okay, oder?

Am Wochenende machten wir eine Gartenparty, die bei Ece und Serkan stattfand. Es war alles wundervoll. Was ich nicht richtig verstand, war dass Gülay und Savas irgendwie zusammen waren. Da hatte ich wohl eine ganze Menge verpasst.

Ich ging zur Küche und musste da Alev und Serkan bei küssen erwischen.
»Man! Schnulzt doch wo anders!«, rief ich und ging aus der Küche. Im Flur sah ich dann auch noch Ece und Tunç küssend.
»Warum immer, wenn ich komme?«, fragte dich die beiden wütend und ging wieder raus, wo ich dann vor der Tür Eylem und Yakup sah. Er küsste ihr auf die Stirn. Seit wann waren die zusammen? Wütend ging ich aus dem Garten. Auf dem Weg blickte ich auf Tufan und Nisan. Sie hielten Händchen. Machten die das alles extra!?

Ich ging schnell vorbei und wollte einfach nach Hause. Das war doch nur noch eine Kitsch-party!

Plötzlich erblickte ich da Cihan. Was tat der denn hier? Wir standen vor dem Haus von Ece.

»Olcay?«, fragte er grinsend.

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