Kapitel 44

2.9K 158 1
                                    

Verträumt

Ge. 02- Kapitel 44

Ich sah mir den Brief genau an und las jede Zeile. Eine tiefe Trauer überzog mich. Gerade noch am Lachen und jetzt war ich wieder den Tränen nahe.

Ich war mit so sicher gewesen, kurz vor dem Glück stand und danach greifen konnte, aber es war wohl nur der Schatten des Glückes gewesen.

Ece stand auf und ging einige Schritte, dann tippte sie in ihrem Handy und wollte jemanden Anrufen, doch in der letzten Sekunde drückte sie auf "Anruf beenden" und schmiss ihr Handy auf den Boden.

»Verdammt«, rief sie mit bebender Stimme. »Soll er es mir doch selber sagen.«

Ich legte den Brief wieder in den Umschlag und versiegelte ihn ordentlich. Dabei kam es mir fast so vor, als ob ich ein Stück von mir selbst reintun würde.

Ece setzte sich auf den kalten Boden und legte ihren Kopf auf ihre Knie. Ich konnte mir zu gut vorstellen, dass sie weinte.

Ich stand auf und ging zu ihr. Genauso, wie ich kaputt war, war sie es auch. Es war schließlich ihr Bruder.

»Ece, alles okay?«

Was für eine Frage. Natürlich war alles nicht okay. Ece stand langsam auf. »Ich will jetzt schlafen«, murmelte sie und wir gingen hoch.

Wir legten uns hin und taten beide so, als würden wir schlafen. Ich konnte es einfach nicht. Tausend Gedanken durchströmten mich. In mir hatte ich noch Hoffnungen, dass er nicht gehen würde, aber ich wusste, dass das nicht in meiner Hand lag.

Was könnte ich denn tun? Ihn bitten, nicht zu gehen? Sollte ich ihm sagen, wie viel er mir bedeutet? Aber was, wenn er nicht dasselbe fühlt? Was, wenn er mich nicht... liebt? Was, wenn er danach noch viel mehr weg, will? Schließlich wäre es dann besser für ihn, weit weg von mir.

»Schläfst du schon?«, fragte Ece mich. Sie drehte sich aber nicht zu mir.

»Nein«, erklärte ich. »Was willst du tun, wegen Serkan abi?«

»Nichts, er hat es ja nicht einmal für nötig gehalten es mir zu sagen.«

Okay, da hatte sie zwar Recht, aber trotzdem war es ihr Bruder. Scheiße, Ece ist zu stur und stolz. Wenn Serkan ihr es nicht sagt, mischt sie sich nicht ein und stirbt innerlich vor Sehnsucht.

»Du wirst ihn vermissen.«

»Normal. Ich werde ihn vermissen, Alev. Aber... wie es aussieht er mich nicht.«

»Du weißt, dass das nicht stimmt.«

»Alev, ich schlafe.«

Ich gab auf. »Gute Nacht!«

...

Am nächsten Tag wachte ich früh auf, ich zog mich um und schminkte mich etwas. Ece schlief noch. Wir hatten heute schließlich frei.

Serkan muss schon in der Schule sein. Es war nämlich schon über neun Uhr.

Ich band mein Haar noch zu einem Pferdeschwanz zusammen und ging runter. Bis Ece aufstand, könnte ich ja Frühstück vorbereiten.

Als ich unten war, hörte ich ein Geräusch von der Küche. Ich schlich mich hinein und entdeckte Aliye Teyze (Frauen, nennt man oft Teyze (Tante), wenn sie einem nahe stehen. Man muss also nicht verwandt dafür sein.), Eces Mutter.

Ohne sich nach hinten zu drehen, redete diese. »Guten Morgen, Alev.«

»Guten Morgen«, murmelte ich zurück. »Seit wann seit ihr zurück?«

VerträumtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt