Neue Freunde und alte Ängste

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Wir kehrten erst spät am Abend zurück. Die Sterne strahlten schon in all ihrer Pracht und der Mond lächelte mir rund entgegen. Morgen. Morgen war es endlich soweit, morgen an Vollmond unter einem strahlendem Sternenmeer würde ich einen Platz in dieser Welt finden. Ich konnte es mir selbst kaum vorstellen und hätte es mir vor noch wenigen Monaten nicht einmal erträumt hier zu sein, hier sein zu wollen. Bei ihm.

Die Tore der hohen Stadtmauern schlossen sich quietschend für die Nacht und stille legte sich auf das bereits schlafende Schloss. Mein Zuhause.

Wir waren länger unterwegs gewesen, als es vorgesehen war, aber es war viel zu aufregend gewesen, eine andere Elfenstadt zu sehen. Ich kannte bisher zur Rivendell und Eryn Galen, weshalb ich alles sehen wollte.
  Wir hatten wirklich Spaß gehabt und ich hatte mich auch mit  zwei Soldaten angefreundet. Sie hießen Yelkian, ein großer, breitschultriger, oft grimmig dreinblickender Elb und Caiwaynn, eine kleine Elbin aus Bruchtal, mit einer listigen Zunge und einem scharfen Verstand.
  Ich mochte sie beide wirklich gern und wir hatten in den bunten Geschäften und überfüllten Straßen viel Spaß gehabt. Sie hatten mir auch bei der Wahl meines Brautkleides geholfen. Es war ein Traum und alles, was ich mir je erhofft hatte!
  Ich hatte mich sofort verliebt, als eine Schneiderin es aus ihrer Kammer geholt hatte und Caiwaynn und Yelkian waren glatt aus dem Häuschen gewesen, als sie mich darin sahen. Sie waren die Einzigen, die es gesehen hatten und ich war schon so aufgeregt, was Thranduil davon halten würden. Aufgeregtheit war eine deutliche Untertreibung in dem Sinne, was ich auf dem gesamten Rückweg gefühlt hatte, und, was mich noch immer in stetige Unruhe versetzte. Ich fühlte mich so aufgeladen von Adrenalin und Anspannung, dass ich freiwillig auf die höchsten Bäume des Düsterwaldes klettern würde, um mich zu beruhigen.

  Nun passierte die Kolonne aus 20 Reitern und Reiterinnen die Säulen und Bögen zu den Ställen, ehe mehrere Stallburschen uns aus dem beleuchteten Gebäude entgegenliefen. Ich stieg ab, wie meine Begleiter. Schwer ließ ich mich von Tilions Rücken, meinem Rappen, hinunter gleiten und merkte erst in dem Moment, als meine Füße den Boden berührten, wie müde ich eigentlich war.

  Ich blickte zu den Türmen des Schlosses empor und fragte mich, wie ich mich nach Morgen fühlen würde, als Caiwaynn neben mich trat und mich musterte.
  >> Du bist sehr nachdenklich. <<, stellte sie unter einer hochgezogenen Augenbraue, die unter den im Mondlicht golden schimmernden Helm kaum zu erkennen war, fest. Ich bat sie und Yelkian darum, mich nicht ständig "Eure Hoheit"  oder "Herrin" zu nennen, da ich wirklich Freunde wollte oder besser gesagt brauchte, die normal zu mir waren.
  Sie hatten nur freundlich gelächelt als ich sie um diesen Gefallen bat und schon war alles ganz anders. So... schön.
  >> Ich denke über morgen nach. <<, gestand ich ihr. Sie nickte verständlich und griff mich, wie eine lang gekannte Freundin, an der Hand, um mich ins Schlossinnere zu ziehen. Yelkian und die anderen Soldaten folgten uns, ohne einen Laut von sich zu geben.

  Die Wärme des Schlosses umfing mich und wärmte meine Finger, die von der frühen Nacht etwas Kalt geworden waren. Hinter uns vielen die Tore ins Schloss, welches doch recht ungewöhnlich war, denn die meiste Zeit blieben sie offen, während die Tore der Mauern  geschlossen waren. Es wurden vielleicht noch weitere Gäste erwartet, sodass sie draußen die Tore für Nachzügler offen hielten, während die des Schlosses andererseits geschlossen waren. Sicherheitsmaßnahmen waren im Reich der Elben und besonders der Elben des Düsterwaldes sehr hoch geachtet und scharf kontrolliert.
 
  Die Soldaten meiner Eskorte verstreuten sich auf die Nebenwege und versteckten Gänge vom Hauptpfad ab, der geradewegs zum Thronsaal führte. Sie verabschiedeten sich höflich von mir und auch untereinander riefen sie sich eine gute Nacht zu, ehe ich alleine mit meinen zwei neuen Freunden den leeren Steg entlangging.
  >> Wir sorgen dafür, dass dein Kleid morgen zu dir gebracht wird. <<, fing Caiwaynn freundlich an.
  >> Wir wollen doch nicht, dass unser lieber König die falschen Taschen öffnet und vor Erstaunen umkippt. Dann wärst du eine Braut ohne Bräutigam und das wäre doch ein ziemlicher Skandal. <<, scherzte die braunhaarige Elbin. Eine Seltenheit war ihre Haarfarbe, weshalb auch mein braunes Haar unter den klassischen blonden Schopf der Waldlandelben sich abhob.
  Ich lächelte die müde an. Ich hatte sie beide, auch wenn Yelkian kaum redete und eher der stumme Begleiter war, der alles und jeden nieder starrte, der ihn über den Weg lief, sehr lieb gewonnen. >> Danke. <<

  >> Sehen wir uns Morgen? <<, fragte ich nach einer kurzen Stille. Yelkian räusperte sich diesmal leicht, ehe er zu sprechen begann. Seine Stimme klang etwas ausgemergelt, aber immer noch hatte sie den leichten Singsang, der für die elbischen Völker Mittelerdes typisch war.
  >> Ich nicht. Ich muss morgen an die Mauern und Wache halten. Das Biest wird aber morgen in der Nähe deines Altars stationiert sein und wird den ganzen Tratsch im Schloss verbreiten. <<
  "Das Biest" war folglich Caiwaynn, die amüsiert schnaubte und Yelkian den Ellenbogen spielerisch in die Seite rammte. Metall traf auf Metall und es schepperte schrecklich laut im gesamten Schloss wieder, sodass Caiwaynn leise zu lachen begann. Selbst der ebenso blonde Elb, wie es Legolas und Thranduil waren, kicherte leise, sodass ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen konnte.
  Ich hatte noch nie einen Elben kichern gehört. Nur ich selbst, aber es klang immer schrecklich in meinen Ohren und nicht so betörend, wie ich es eben vernommen hatte.
  Wahrlich, ich sollte Thranduil auch dazu bringen! Nicht heute, aber irgendwann. Er versprach mir schließlich die Ewigkeit, weshalb ich es auf die Liste setzte. Ich wollte noch so viel sehen und erleben. Würde dafür überhaupt die Ewigkeit selbst ausreichen? Ich wusste es nicht.

  >> Es ist besser, wenn wir gehen. <<, sagte Caiwaynn etwas leiser, als sie die weit geöffneten Tore zum Thronsaal erblickte. Ich nickte und konnte verstehen, warum sie schnell davon kommen wollten. Nur, weil wir nun mehr oder weniger Freunde waren, machte das den König auch nicht sympathischer. >> Gute Nacht. <<, hauchte Yelkian schnell, ehe sie sich eilends in einen Nebengang verdrückten.
 
  Allein und in völliger Stille blieb ich auf dem Steg zurück, der Abgrund und die Dunkelheit unter mir eine immerwährende Drohung. Automatisch schlug mein Herz schneller, als ich einen Blick hinunter wagte.
  Nein! Schnell weiter.
  Meine Schritte klangen laut in meinen Ohren, als ich den Weg zu Thranduils und meinen Gemächern einschlagen wollte, der vor dem Thronsaal abzweigte. Ich vermutete Thranduil würde bereits schlafen, weshalb ich mir nicht die Mühe machte einen Blick in den Prunksaal zu werfen und ging nicht achtens weiter.

  Ich hatte es fast auf den nächsten Steg zu den königlichen Gemächern und vorbei an den offenen, vergoldeten Türen geschafft, als ein lautes Scheppern von Metall auf Stein ertönte. Sofort erstarrte ich für einen Wimpernschlag, total erschrocken über den bereits verebbenden Krach, als ich mich umdrehte.
  Sofort wurde mir die Luft aus den Lungen gepresst, als ich in eine klammernde Umarmung gezwungen wurde.
  Nach einem kurzen Moment erkannte ich den König, der mich in seinen Armen umschlungen hielt und mich an seine Brust drückte.
  >> Arien. <<, murmelte er, >> Arien. <<   Immer wieder, ohne mich loszulassen. Überfordert verharrte ich, strich beruhigend mit meinen Fingern über den dicken Stoff des roten Umhangs auf seinem Rücken, der seinen herrlichen Körper verbarg. Was war los?
 
  Ich starrte einfach über seine Schulter und erkannte im Thronsaal einen Weinkelch, der noch immer über den Boden rollte. Flecken bildeten sich bereits auf dem Stein und dem Holz, welches den Palastboden zierten.
  Er musste schon länger auf seinem Thron gesessen haben, vermutete ich, wenn er sich so erschrocken hatte, mich zu sehen. Vermutlich saß er sogar den ganzen Tag dort. Allein.

  >> Ich bin da. <<, hauchte ich gegen seine leicht Schulter, als er erneut meinen Namen flüsterte. Seine Schultern bebten leicht, weshalb ich mich mehr an ihn drückte. Ihm versuchte zu zeigen, dass ich da war, dass alles gut war. >> Ich bin wieder da. <<, murmelte ich in den weichen Stoff, als ich meine Stirn an seine Schulter lehnte und die Augen schloss. >> Alles ist wieder gut. <<

Thranduil FF || Die Bestimmung - Die dunkle KroneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt