Das alte Ich

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Es war nicht so, dass ich lebensmüde war. Nein, ganz und gar nicht. Aber vielleicht könnte man meine Tat als lebensmüde bezeichnen.

Ich lachte in mich hinein, als ich in die dunklen Tiefen der Wasserschnellen sah. Nur ein Schritt von dem sicheren Holzboden des Weinkellers nach vorne und ich würde geradewegs von den Stromschnellen des Wassers mitgerissen werden. Und genau das war der Plan.

Ein leeres Fass stand neben mir und wartete nur noch darauf, dass ich hineinklettern und mich mit ihm ins Wasser stürzen würde. Ich glaubte, es würde funktionieren, wie ein Geistesblitz kam mir diese Idee mit einem Bild komisch kleiner und behaarter Menschen, die mich mehr oder weniger grimmig angesehen hatten. Ich musste so etwas schon einmal getan haben, wenn nicht in diesem Palast, dann woanders, denn nie im Leben wäre ich auf eine solch leichtsinnige Idee gekommen. Oder es war doch nur in einem Traum gewesen, ich weiß es nicht mehr.

Es zählte nur, dass es funktioniert hatte und, dass es auch diesmal funktionieren würde.

Hoffentlich.

Die beiden Elben suchten mich bereits und ich hatte gehört, wie der Elbe, der den Namen Thranduil trägt, nach mir suchen lässt. Ich hörte, wie er einigen Weiteren befahl die Tore zu verriegeln. Dumm nur, dass sich die Rigel der Weinkammern nicht verschließen lassen. Mein einziges Problem waren nur die zwei jungen Elben gewesen, die Wache geschoben hatten. Aber diese Problemfälle hatte ich angemessen beseitigt. Keine Ahnung wie, sie waren schon bevor ich irgendwie nach hier unten gekommen war, überaus unaufmerksam und etwas Betrunken gewesen.

Leises Gemurmel ertönte vor der geschlossenen Tür, dass ich schnell in das Fass kletterte und dem Holz einem kräftigem Ruck gab. Augenblicklich setzte sich das Fass in Bewegung, dass ich mich versuchte festzuhalten, ohne meine Finger von meinem eigenen Gewicht zerquetschen zu lassen.

Mein Herz sackte in die Hose, als plötzlich die Welt kippte und ein lautes Platschen in meinen Ohren widerhallte. Kaum eine Sekunde später wurde ich Unterwassergedrückt, dass mir der Schrei in der Kehle stecken blieb und ich Wasser schluckte.

Dann war es zum Glück vorüber und ich atmete Luft. Mir blieb keine Zeit zum Verschnaufen, denn nun, wo ich draußen war und kühle Luft auf meinem Gesicht spürte, rissen die Stromschnellen mein Fass hin und her. Ich drehte mich im rasanten Tempo um die eigene Achse, ehe ich nach links gerissen wurde und gegen einen Felsen krachte, der im Wasser aufragte.

Ich schrie, als meine Finger zwischen dem Fass und dem Stein zerquetscht wurden und wurde schon im nächsten Moment nach rechts gerissen.

Ich riss die Augen auf, als ich einen kleinen Wasserfall erblickte. Er war zwar nicht riesig, aber immer noch so groß, dass mir das Herz in die Hose sackte. Angst setzte sich in meiner Kehle fest, dass das Schlucken schwerer wurde, nur um hilflos in dem Wasser gefangen zu sein. Ich konnte nicht raus, ich durfte nicht aus dem Fass, wenn ich nicht an den Steinbrocken erschlagen werden wollte, oder Unterwasser gedrückt zu werden.

Der Wasserfall kam mit Tempo immer dichter und selbst das Holz knarzte vor Angst, denn es wusste, dass es sein Ende werden würde. Ausgerechnet jetzt drehte das Fass sich erneut, dass ich den Wasserfall nicht mehr sehen konnte und die Umrisse des Schlosses - und ja, es war tatsächlich ein Schloss - erkennen konnte.

Doch dann blitzte etwas Silbernes in meinem Augenwinkel auf. Unwillkürlich duckte ich mich. Keine Ahnung, warum ich das tat. Ich erwartete irgendwas schlimmes, einen Schlag, einen Stich. Aber nichts passierte. Doch, als ich einst einer fiesen silbernen Klinge auswich und schnaufend zum Gegenschlag ausholte ( komischerweise auch mit einem Schwert), tippte mich neckend kühles Metall in die Seite.

>> Zu langsam <<, sagte jemand, den ich nicht verstand, den ich aber nicht weit von mir sah, als ich mich aus meinem Tagtraum riss. Oder, war es doch kein Traum?

Erschrocken riss ich die Augen auf, als ich eben diese Klinge, die mich einst tadelnd in die Seite pickte, an der Seite eines Mannes - eines Elben - baumeln sah, den ich mir gewünscht hatte, nie wieder zu sehen. Thranduil.

Man könnte mich für verrückt halten, aber der Elbe, der mich scheinbar für geisteskrank hielt und vor dem ich gerade davonlaufen wollte, sieht gerade alles andere als zum Davonlaufen aus. Ganz im Gegenteil...

Von meinen eigenen Gedanken verwirrt schüttelte ich den Kopf und realisierte gerade noch, dass er auf einem Pferd nahe dem Ufer galoppierte.

Er rief etwas, aber das Rauschen des Flusses übertönte seine Stimme. Er könnte schreien und ich würde ihn nicht verstehen. Klar war nur, dass er mich meinte, denn sein rasiermesserscharfer Blick bohrte sich in mich hinein und zerriss mich von innen hinaus. Ich war mir sicher, wenn Blicke töten könnten, wäre ich bereits zu Asche verbrannt.

Mein Herz blieb oben stehen, dort wo der Elbe mit einigen weiteren seiner Art stand und dort hinstarrte, wo er mir nicht hin folgen konnte, während mein Körper von Nadelstichen durchbohrt wurde, bis mir gänzlich die Luft wegblieb.

Mir fiel nur ein, dass die Welt brannte, als ledrige Flügel und ein grausames Grollen über mich hinwegschossen und die Welt mit dem Jungen, den ich beschützen sollte, zu Asche verbrannte.

Ich bekam keine Luft mehr und dann... dann waren da raue Hände auf meinem schmerzenden Rücken und eine Stimme, die ich nie vergessen würde.

>> Ich dachte, die Menschen von der Erde wären schöner. <<

Ich musste lächeln, als mich Schmerz durchzuckte.

Thranduil FF || Die Bestimmung - Die dunkle KroneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt