Wie am ersten Tag

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Wie Thranduil gesagt hatte, kaum hatten wir die offenen Tore der Mauern hinter uns gelassen, fielen sie ins Schloss.

Ich sah zurück und zwei bewaffnete Soldaten flankierten die Seiten und wieder andere liefen in regelmäßigen Abständen auf den Mauern. Sie beobachten alles, innen und außen.
Ich schluckte schwer. Das war alles andere als gut, selbst, als ich das erste Mal durch die Tore geritten war, waren keine Bogenschützen auf den Mauern gewesen. Alles hatte sich verändert.Wie Thranduils Stimme.

Sie war kalt, berechnend und alles andere als freundlich und in ihr schwang eine tödliche Ruhe. Ich kannte ihn gar nicht, er war noch nie so gewesen. >> Du brauchst nach keiner Lücke zu suchen, keinem Schlupfloch in meiner Verteidigung. Alles ist gesichert, keiner kommt hinaus oder hinein, ohne, dass ich davon weiß. << Ich sah ihn an und mir wurde schlagartig kalt. >> Selbst du nicht. Wenn du es versuchen willst, wovon ich mehr als ausgehe, rate ich dir davon ab. <<

>> Wieso? << Ich befürchtete Böses.

Thranduil lächelte kalt. >> Alles, was sich außerhalb der Mauern bewegt, wird auf der Stelle erschossen. Bevor du fragst, ja, selbst du. << Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus, es war kein schönes Gefühl.

Im Innenhof drehten sich Waldelben nach uns um und ich wusste, ohne hinzusehen, dass sie mich anstarrten. Ihre Blicke brannten wie Feuer auf meiner Haut.

Zwischen ihnen sah ich Legolas vom Hauptgebäude, dem riesigen Palast, auf uns zu eilen.

Wir hielten an den Ställen, die als eine Art Seitenflügel an den Palast gebaut wurden, und die Soldaten, die uns begleitet hatten, stiegen ab. Außer ich. Ich konnte nicht hinunter, wenn ich nicht auf dem Hintern landen und mich vor allen Bloßstellen wollte.

Glücklicherweise kam Legolas gerade rechtzeitig, er musterte uns und besonders mich und seinen Vater kritisch, bevor sein Blick auf das Seil um meine Handgelenke fiel. Sein Blick verfinsterte sich und kalt sah er zu seinem Vater, der ihn gekonnt ignorierte und an uns vorbeiging.

Ich wollte fast empört die Luft einziehen, weil er mich einfach auf Tilion sitzen ließ, bis mir einfiel, dass er seine Arschlochseite zeigen wollte. Er wollte, dass ich ihn bemerkte und im stillen dankte ich meinen alten Deutschlehrern dafür, dass sie mich von Gedichts- bis zu Geschichtsanalysen gejagt hatten, damit ich das erkennen konnte. Deshalb war es mir egal, er konnte mich mal. Ich würde genau das tun, was er nicht wollte, damit er merkte, er kam mit seiner Art und Weise Dinge zu handhaben, die nicht nach seiner Kandare gingen, durch. Er musste lernen, dass ich nicht wie die Elbinnen war, die große Augen machten, wenn er kam und sich auf Leid und Verderb für ihn verrenkten. Nein, er sollte erkennen, dass ich genauso eigenständig war wie er und gut ohne ihn zurechtkam.

Ein kurzer Blickwechsel mit Legolas reichte, damit er die Fesseln an meinen Handgelenken durchschnitt und ich vom Pferd gleiten konnte. Danach kam auch endlich ein junger Elb angelaufen, der Tilion in seine Box brachte.

>> Will ich wissen, was passiert ist? << Legolas ging neben mir, als wir aufs Schloss zugingen.

>> Wissen willst du es bestimmt, aber ich habe keine Lust dir jetzt davon zu erzählen. <<

Er nickte. >> Dann morgen? <<

>> In Ordnung. <<

Im Stillen schritten wir über die Holzstege hinweg und zu den Gemächern.

>> Ich möchte mein eigenes Zimmer wieder haben <<, entschied ich mich.

Legolas fragte nicht warum, er ahnte auch so, dass alles schief gelaufen war, was schief gehen konnte. Er führte mich zwar in den Flügel, der der Königsfamilie gehörte, aber in den Gang, wo Legolas Zimmer schräg gegenüber von meinem alten Zimmer war. Und nicht in den Flur, der nur dem König gehörte. Das war auch gut so, ich hatte wirklich keine Nerven für ein weiteres Drama.

An meiner Tür angekommen blieben wir stehen. >> Hier <<, sagte Legolas und reichte mir zwei Schlüssel.

Ich sah ihn fragend an, nahm aber das glänzende Metall entgegen. Es war neu und funkelte. >> Wofür sind die? <<

>> Als du weg warst, ich dachte mir schon, du willst dein eigenes Zimmer zurück, ließ ich jemanden kommen, der ein neues Schloss einbaut. <<

>> Damit Thranduil mich wieder einsperren kann? << Ich deutete um mich. >> Als wenn das hier nicht reicht. <<

Legolas sah mich mitfühlend an. >> Ich weiß, aber bald wird alles besser. << Er trat einen Schritt näher und wollte meine Schulter berühren, überlegte es sich aber anders und senkte die Hand.

>> Warum bist du dir so sicher? Warum sagst du so etwas, du bist neben deinem Vater und Lord Elrond der dritte, der mir das sagt. << Langsam glaubte ich, dass etwas mit dieser Vereinigung nicht stimmte. Was sollte danach bitte besser werden? Danach konnte es eigentlich nur noch schlimmer werden, weil ich dann für immer, bis zum Tod und noch darüber hinaus, mit Thranduil verbunden war.

>> Ich weiß es und wenn wir zumindest etwas befreundet sind, wirst du mir wenigstens ein bisschen vertrauen schenken können. <<

Ich nickte. >> Okay. << Ich sah auf den Schlüssel. >> Du hast das Schloss tauschen lassen? <<

Er nickte, diesmal mit einem kleinem Lächeln. >> Ja, mein Vater weiß nichts davon, aber ich dachte mir, es beruhigt dich zu wissen, dass nur du die Schlüssel hast und, dass dich keiner einschließen kann. << Ich sah ihn ernst an und er fügte hinzu: >> Zumindest in deinem Zimmer. <<

Diesmal schaffte ich es wenigstens auch etwas zu lächeln. Ich wusste es wert zu schätzen, dass er das für mich tat. Es fühlte sich so an, als wäre er der einzige, der mich wirklich verstehen konnte und es auch wollte. Andererseits konnte er das nicht, denn ich verstand selbst nicht, was ich wollte oder fühlte. Im Moment fühlte ich nichts als Leere.
Keine Angst, keine Wut. Nur Leere. Da war ein Loch in meiner Brust, das ich nicht füllen konnte, weil ich nicht wusste, mit was ich es füllen sollte.

>> Zwei Schlüssel, falls ich einen verliere? <<, fragte ich und Legolas stimmte zu. >> Gute Nacht <<, wünschte ich ihm und trat durch die Tür.

Bevor ich die Tür schließen konnte, hielt Legolas mich auf. >> Gute Nacht, Arien. << Es war helligster Tag, aber diese Tatsache ignorierten wir.

Und dann war ich wieder alleine. Alleine in einem Zimmer, dass ich vergessen wollte. Ich war hier schon einmal eingesperrt gewesen - wirklich eingesperrt, als das Sternenlichtfest war - und nun war ich wieder eingesperrt, nur, dass keiner den Schlüssel umgedreht hatte.

Aber es war das gleiche, das gleiche Gefühl der Verzweiflung. Es passierte das gleiche. Das gleiche Händebeben, das gleiche Schluchzen, die gleiche Verzweiflung. Nur schlimmer.

Denn ich war wieder alleine, nicht wie im Wald in der Hütte. Das hatte ich mir selber ausgesucht. Das hier, das Zimmer, das Schloss, die Mauern mit den Bogenschützen, dass alles war erzwungen. Ich hatte keine Wahl, hatte sie nie gehabt und werde sie nie wieder haben. Nur zweimal hatte ich sie. Einmal, als ein Halbling mich aus diesem Zimmer befreit hatte und einmal, als ich mich für die Hütte im Wald entschieden hatte. So eine Wahl würde ich nie wieder haben und diesmal kam keiner, der mich rettete.

Ich war alleine.

Thranduil FF || Die Bestimmung - Die dunkle KroneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt