Die Krankheit des Waldes

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- Thranduil -

So schnell wie heute war ich noch nie auf meinen Thron geflüchtet. Flucht. Es war genau das richtige Wort, um das zu beschreiben, was ich eben getan hatte. Dabei hatte ich mir versprochen es nie wieder zu tun und schon gar nicht vor Arien.

Aber sie war nicht mehr Arien, rief ich mir in den Kopf. Zumindest war sie nicht mehr meine Arien, die mich mit ihren Blicken und einfachen Worten um den Verstand brachte. Sie, die ich eben in meinem Zimmer zurückgelassen hatte, war eine ganz andere Elbin. Sie war eine Fremde, die das Bett meiner einstigen Gefährtin entehrte.

Denn meine Arien war im Fluss untergegangen, als ich sie mit panisch aufgerissenen Augen den Wasserfall runterstürzen sah. Sie war Untergegangen und das Holz des Fasses an den Steinen im Flussbett zerschlagen worden. Ich hatte sie tagelang gesucht.

Tage wurden zu Wochen.

Bis vor zwei Tagen ein Soldat mit einer bewusstlosen Elbin durch das Tor geritten kam und behauptete diese Elbin, die meiner zukünftigen Königin aufs Haar ähnlich sah, würde meine Arien sein.

Ich hatte sie nur kurz angesehen, um zu wissen, dass sie nicht die Elbe war, die ich suchte. Nein, diese Elbin mit ihren blau angelaufenen Lippen, den blauen Flecken und der viel zu blassen Haut mit der kaputten Hose und der viel zu großen Tunika, die ich in meinem Leben noch nie gesehen hatte, war nicht sie. Als ich sie zuletzt gesehen hatte, hatte sie ihr Nachthemd mit ihrem blauen Mantel angehabt und diese Kleidung war alles andere als ein Nachtkleid gewesen. Es sah viel mehr nach Männerkleidung aus.

Sie konnte es nicht sein, denn Arien wäre schon lange tot gewesen, wenn sie es aus dem Wasser in den tödlichen Düsterwald geschafft hätte. Ich wusste es, denn die Spinnen haben es fast an meinen ersten Schutzwall geschafft. Diese Biester waren überall und das Überleben im Wald unmöglich. Selbst für mich und Legolas.

Denn er war es gewesen, der Arien gefunden hatte, und nach Monaten zurück zu mir gekehrt war. Gerade ihm musste ich jetzt in die Augen sehen, als er vor mich trat.

>> Vater. << Seine Stimme glich reinster Empörung, dass ich nur mit den Augen rollte und mir neuen Wein einschenkte. Er war noch genauso wie zu der Zeit, als er mich verlassen hatte, um einen jungen Menschen zu suchen, der Aragorn hieß. So sah er auch noch aus, was ich bedauerte, denn er sollte endlich an mein Maß heranreichen können. Aber er schien noch genauso Grün hinter den Ohren zu sein wie vorher.

Ich bezweifelte sogar, dass er seinen ersten Kuss gehabt hatte. Er musste sich langsam ranhalten, wenn er seinem jungen Alter gerecht werden wollte. Ich erinnerte mich noch gut, als ich so alt war wie er, hatte ich meinen Stand als Prinzen schamlos ausgenutzt und viele schöne Elbinnen geküsst. Aber keine von ihnen war so schön wie Arien gewesen. Nur, dass die anderen Elbinnen noch lebten und Arien tot war.

>> Was willst du, Legolas? <<

Wenigstens hatte der Junge etwas breitere Schultern gekriegt, dachte ich, als er aufsah und sprach, >> Ich wollte euch fragen, wie es Arien geht? Verzeiht, wenn ich beobachten konnte, wie ihr aus eurem Zimmer gestürmt seid. <<

Ich setzte den mit Robinen besetzten Kelch an meine Lippen und ließ meinen Sohn warten. Er musste lernen zu warten, aber das wir ihm bereits bekannt. >> Ich stürme nicht, Legolas. Ich gehe. Verstanden? <<

>> Ja, Vater. <<

Ich nickte nachdenklich. >> Ihr geht es gut, beinahe zu gut. << Ich sah, dass Legolas aufhorchte und wusste, dass er fragen würde, was ich meinte, weshalb ich ihm diese Frage vorwegnahm. >> Sie ist sehr ungehorsam. <<

Legolas grinste. Nach einem warnendem Blick verschwand es jedoch.

>> Verzeiht, Vater, wenn ich das sage <<, entschuldigte er sich vorweg. >> Aber Arien war schon immer ungehorsam. Gerade das ist es doch, was an ihr so schätzenswert ist. <<

Ich blinzelte einmal und eine lange Pause kehrte ein. Wie es sich gehörte, starrte Legolas nicht.

>> Ich möchte mit ihr sprechen, wenn ihr es gestattet. << Mein Sohn sah mich fragend an. Ich wusste, dass Arien und Legolas gute Freunde waren, was komisch war, da sie seine Stiefmutter geworden wäre, wenn sie nicht wirklich gestorben wäre. Innerlich, nicht äußerlich.

Ich hatte alles zerstört. Wegen mir, weil ich nicht aufmerksam genug war, als Arien zu mir geschritten war, kippte sie um und blutete aus Augen, Nase und Mund. Ich wusste nicht, wo das herkam, nur, dass meine Hände in nur weniger als ein paar Sekunden, nachdem ich sie in meinen Armen gehalten hatte, blutgetränkt waren. Es hatte nicht aufgehört zu bluten, bis Elrond etwas getan hatte, was die Blutungen verlangsamt hatten.

Erst jetzt wusste ich, was der Auslöser dazu war, nachdem ich sie von Lord Elrond untersuchen lassen hatte, als sie bewusstlos war. Es stellte sich heraus, dass von der Krankheit befallen wurde, die die Soldaten hatten, die sie in der Krankenstation besucht hatte. Nur, dass Arien in einem Anfangsstadium war und sie nicht, und Lord Elrond die Krankheit vertreiben konnte, wo die Soldaten nur wenige Tage später gestorben waren. Es stellte sich heraus, dass die Krankheit aus dem Wald kam und mit den Spinnen in Verbindung gesetzt werden konnte, aber wie sie miteinander zutun hatten, wusste ich noch nicht. Die besten Heiler und Gelehrte aus dem ganzen Reich wurden deshalb von mir zusammengerufen, die sich diesem Problem widmen sollten. Zu viele Soldaten und Familien, die lieber im Wald und in ihren eigenen kleinen Dörfern und Städten im Düsterwald lebten, wurden von der Krankheit dahingerafft.

Das ausgerechnet meine Arien sie bekommen hatte, glich einem Säbelstoß ins Herz, denn die Heilung ist mit schwerwiegenden Nebenwirkungen ausgegangen. Deshalb hatte ich ihr Unrecht zugefügt, denn für ihre Gedächtnislücken und Erinnerungsverluste konnte sie nichts. Es war das Resultat der Heilung, denn die Krankheit griff zuerst ihr Bewusstsein, als wie es eigentlich war, ihren Körper an. Deshalb, weil sie keine schwarzen Adern hatte, wie es typisch war, hatte ich nichts bemerkt.

>> Sprich mit ihr, wenn du es willst. Verlass dich aber nicht drauf, dass sie sich an dich erinnert. << Mein Kopf tat weh und ich wollte schlafen, aber das Bett war bereits belegt und ich wollte es nicht teilen.

>> Wieso? Kommen mit der Zeit nicht ihre Erinnerungen zurück? <<

>> Ich weiß es nicht <<, gestand ich und erinnerte mich nur wenig an das Gespräch mit Elrond, wo er mich über Ariens zustand belehrte. Als ich hörte, dass es ihr schlecht ginge und die Gefahr bestand, dass die Krankheit sie töten könnte, hatte ich nichts mehr mitbekommen und Tage nicht schlafen können. Nachdem sie für ganze Wochen verschwunden war war an Schlaf gar nicht mehr zu denken gewesen. Die meiste Zeit hatte ich auf dem Thron verbracht und auf die Tore gestarrt, in der Hoffnung sie würde wie früher hineinkommen und sich zu mir gesellen. Ich räusperte mich leise. >> Lord Elrond konnte mir nicht sagen, ob sie sich je an vergessene Erinnerungen erinnern wird, denn bisher hat niemand die Krankheit des Waldes überlebt. <<

Legolas schluckte, aber er rührte sich nicht. >> Wieso hat sie sie überlebt? <<

Ich atmete schwer und mein Schädel brummte. >> Weil sie eine Nachfahrin der Valar ist. <<

Legolas wurde ganz still, denn er wusste wer oder besser gesagt was die Valar waren.

Sie waren die Kinder des Ilúvatars und hatten durch ihre Musik ganz Arda erschaffen.

>> Sie ist die Nachfahrin von Manwë und Varda. <<

Legolas sog scharf die Luft ein und selbst die Vögel um den Palast hörten auf zu zwitschern.

Thranduil FF || Die Bestimmung - Die dunkle KroneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt