Das süße Kleid der Albträume

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  Ich fiel.

  Ich fiel so lange, bis ich endlich aufschlug.
  Hart und schmerzhaft.

  Ich wusste nicht, wo ich war, doch als ich mich mit schweren Augen langsam aufsetzte und mich umsah, wusste ich, ich war nicht zu Hause. Nicht willkommen.

  Es war wie in meinen Träumen, die mich in den Nächten plagten, die ich vor Thranduil so lange schon versteckte. Er sollte nicht wissen, dass ich seit jener dunklen Nacht in der einsamen Ruine nicht mehr im Dunkeln schlafen konnte, mich fürchtete, wenn ich von Schatten umgeben war. Er sollte nicht denken, dass ich schwach war, dass ich ein Kind war, wenn es um Dunkelheit ging.

  Aber die Dunkelheit und Kälte waren auch hier im Spiel und sorgten für eine Atmosphäre, die ich noch aus den Horrorfilmen kannte, die ich immer so gerne im Fernsehen geschaut hatte. Hier sein wollte ich definitiv nicht.

  Ich stand schnell auf und sah mich um. Komischerweise trug ich nicht das üppige Brautkleid, was ich noch vor kurzem Tragen sollte und in dem ich mir so... albern vorgekommen war. Ich wusste nicht, was ich anhatte, denn die Schwärze hing wie rabenschwarze Schlieren um meinen Körper. Es war wie ein Kleid, das sich die kleinen Kinder aus meiner Welt als Prinzessinnen Kleid erträumt hätten, nur, dass es Albträume waren , die mich umgaben.

  Ich musste zurück, auch wenn ich nun etwas erleichtert war, dass mich mein Schwindel aus dem Strudel des langen Gehens und der Anspannung befreit hatte. Aber das durfte niemand wissen. Was würden die Gäste und Thranduil denken, wenn ich solche Angst vor der Trauung hatte? Als schwach würden sie mich bezeichnen und Elben, die nebenbei viel fürsorglicher als die Menschen waren, würden mich wahrscheinlich vollends von sich stoßen. Es war schließlich kein Geheimnis, dass sie mich nach Monaten immer noch misstrauisch beäugen. Das durfte definitiv nicht passieren!

  Ich lief einige Schritte in irgendeine Richtung, aber die Dunkelheit war so dicht, wie die ersten Nebelschleier über dem Düsterwald. Ich musste mich beeilen, denn sie würden es mir anrechnen, wenn ich zu lange weg blieb. Die Elben oder Thranduil. Schlimmer noch beide. Gerade heute an seinem - unserem - wichtigsten Tag, der eigentlich der Grund war, warum ich vor Monaten von der Menschenwelt in diese gebracht wurde. Natürlich ohne mein Zutun, aber es hatte die Elben damals schlichtweg nicht interessiert, was meine Wünsche anging, Thranduil eingeschlossen. Nun hatte es sich aber alles geändert und es gab eigentlich keinen Grund mehr Angst zu haben. Vor ihm oder anderen. Er liebte mich und ich liebte ihn. Aber warum fürchtete ich mich so vor heute?

  Vielleicht sollte ich in der Düsternis etwas länger ausharren und warten, dass die Nacht verging und die Hochzeit nur nochmal auf den nächsten Vollmond verschoben werden würde. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Allein der heutige Tag musste bereits zwei Mal verschoben werden und ich war mir sicher, dass sein Volk - unser Volk - es nicht als gut erachten würde, wenn wir die Vereinigung erneut verzögern würden. Es würde Thranduil als Autoritätsperson schwach aussehen lassen und das Volk an seinem Können zweifeln lassen. Nur, weil er wollte, dass wir beide glücklich wären, weil ihm wichtig war, dass ich einverstanden war, weil ich ihm wichtig war.

  Bisher hatte sich an der Einstellung der Elben nämlich nicht viel geändert. Nur die Soldaten und die Bediensteten waren freundlich, auch wenn sie nie mit mir redeten oder nur dann, wenn ich sie ansprach, wobei die Antwort meist eher knapp ausfiel. Ich wusste nicht, warum sie mich nicht mochten. Natürlich war ich anders und vielleicht auch etwas komisch, denn wie kann aus einem Menschen eine Elbin werden, noch dazu ihre zukünftige Königin? Nicht einmal Thranduil wusste, wie ich mich so verändern konnte. Es war eigentlich gar nicht möglich, sogar von den Göttern aus nicht möglich.

  Ich konnte mich nur damit trösten, dass ich jetzt zwei echte, richtige Freunde hatte.
  Caiwaynn und Yelkian, zwei Soldaten aus Thranduils Reihen, die mich begleitet hatten, als ich mein Brautkleid in einer anderen Elbenstadt im Düsterwald gekauft hatte.

  Trotzdem ging ich weiter und suchte nach einem Ausgang, einer Tür oder etwas anderem, obwohl ich nicht einmal meine eigene Hand vor Augen sah.

  Für sie und für alle anderen ging ich weiter, bis ich ein leises Kratzen vernahm. Es klang wie eine Kralle, die langsam über Stein gezogen wurde. Es erklang nochmal, aber dann war es auch schon von der Schwärze um mich verschluckt worden.

  Stille folgte und nur mein eigener Atmen zeugte von Leben.

Trotzdem ging ich weiter und weiter und weiter. Aber ich fand nichts.

  Der Boden unter meinen Füßen war blank und erhob sich nicht. Ich wusste nicht, ob ich mich überhaupt von der Stelle bewegt hatte.

  Trotzdem ging ich weiter, immer gerade aus und irgendwann sah ich etwas rot aufblitzen. Abrupt blieb ich stehen und sah mich um. Dort drüben war es wieder! Es war nur ein Lichtschimmer, dennoch rannte ich. So schnell, wie es meine Elbenbeine vermochten und ich laut zu Keuchen begann.

  Schweiß rann mir über die kalte Stirn, meine Finger und mein Körper waren ebenfalls kalt.

  Aber es störte mich nicht, denn das, was mich sah, ließ mich stutzen. Ich stand auf einer schwarzen Klippe, am Ende eines riesigen Tunnels und blickte auf ein riesiges Schloss aus grünen und schwarzen Schlieren hinab, die es umgab. Es war ein schauriger Ort und er fühlte sich schrecklich falsch an. Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut und mein Magen rumorte gefährlich, als ich den Geruch vernahm, der an mir vorbeizog. Fäulnis und Moder.

  Gespannt stand ich weiter dort oben und blickte auf das Geschen hinab. Zwei Kreaturen, die fast so aussahen wie Drachen, saßen in zwei Horten über dem Schloss. Sie waren gesattelt und trugen Trensen in Form von breiten Lederriemen. Ein Reiter saß jeweils auf ihren riesigen Rücken. Der eine war zu weit weg, als dass ich ihn genauer sehen konnte, aber der andere trug einen schwarzen, wallenden Umhang und einen Eisenhelm, der komisch hoch stand. Er trug ein Schwert aus Eisen und Handschuhe, ebenfalls aus dem harten Metall.

  Er schaute sich suchend um, doch als er zu mir sah, machte ich mich schnell auf dem Boden klein.

  Ich wusste nicht, ob er mich sehen konnte, oder ob er überhaupt sehen konnte. Er hatte kein Gesicht und nur Schwärze füllte den Helm aus. Es war ein wahres Schauerspiel, aber als ich erneut hinunter lugte, war es weg und sein Partner ebenfalls.

  Da sah ich es wieder. Das rote Leuchten, aber es verschwand nicht wieder. Ich blickte auf und nach Norden und erstarrte. Es war ein riesiges Auge auf einem hohen Turm. So unheimlich und schrecklich, dass es gar nicht möglich war.

  Und es schaute mich an.

  Es blinzelte und ich versteckte mich, aber ich wusste, dass es mich sah. Schnell robbte ich rückwärts und Angst machte sich in meinem Herzen breit.

  Doch ein Kreischen ließ mich auf die Beine springen. Es kam aus dem Tunnel.

  Der Boden vibrierte unter meinen Füßen und dann preschte es aus der Dunkelheit hervor. Der Drache mit seinem gesichtslosen Reiter. Er hatte sein Schwert gezogen und der Anblick der Kreatur war so schrecklich, dass ich blindlings wieder aus dem Tunnel stolperte und mich dem wartendem Auge offenbarte. 

  Es schien auf mich gewartete zu haben und hatte den zweiten Reiter zur Verstärkung geschickt. Er stand dort und versperrte den Weg auf den schmalen Pfad hinunter zum Schloss und meinem einzigen Fluchtweg. Nur die Klippe ließ auf Befreiung hoffen.

  Also entschied ich mich und sprang.

Thranduil FF || Die Bestimmung - Die dunkle KroneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt