Kapitel 2: Narbe (1.434)

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Jisung:

„Man, Dongsaeng. Zieh doch nicht so ein langes Gesicht." spricht Chan neben mir. „Einfacher gesagt als getan, Hyung. Ich vermisse ihn so sehr." schmolle ich und rege mich dabei über mich selbst auf.

Eine Woche. Gerade mal eine Woche sind wir wieder in Sydney und schon vermisse ich meinen Freund. Eigentlich habe ich ihn schon vermisst, als wir noch am Flughafen waren und uns voneinander verabschiedet haben.

Ich benehme mich wie so ein anhängliches Kleinkind. Seit Minho nicht mehr bei mir ist, brauche ich irgendwie die ganze Zeit Körperkontakt. Aus diesem Grund bin ich im Moment auch bei Chan eingeharkt und habe die vergangenen Nächte mit bei ihm, Changbin oder Felix im Zimmer geschlafen, da ich mich unglaublich einsam gefühlt habe.

Allerdings brauche ich diesen Körperkontakt zu meinem Hyung jetzt auch, weil wir uns gerade gemeinsam auf den Weg zum Musikstudio machen, in dem Chan arbeitet und das sind mir hier einfach viel zu viele Menschen. Der Rückfall letztens hatte es echt in sich. Ich hatte schon Hoffnung geschöpft, dass ich diese Phobie tatsächlich besiegen könnte und dann kam dieser Rückfall und hat mir wieder all meine Hoffnungen genommen.

„Ich weiß, dass er dir fehlt, Sungie. Es tut mir echt leid, dass ihr beide nun so weit voneinander entfernt seid." sagt Chan mitfühlend, während wir sein Studio nun betreten, in dem auch zum Glück sonst niemand weiter ist, sodass ich wieder durchatmen und entspannen kann. Seufzend lasse ich mich auf einen der beiden hier im Raum stehenden Bürostühlen nieder, stütze meine Ellenbogen auf dem noch ausgeschalteten Mischpult und meinen Kopf auf meinen Händen.

„Minho und ich wussten ja, worauf wir uns eingelassen haben. Aber das wir uns nun wirklich in dieser Situation befinden, ist ein ganz anderes Gefühl. Wir meinten zwar, dass wir es schaffen, doch schon nach einer Woche habe ich Angst." murmle ich leise, während mein Hyung nun auch schon das Mischpult einschaltet und sich anschließend neben mich setzt und mich fragend von der Seite mustert. „Angst? Wovor hast du Angst?" Erneut seufze ich nach dieser Frage des Älteren, ehe ich meine Lippen aufeinander presse und meinen Blick anschließend wieder zum Rothaarigen wandern lasse.

„Ich fühle mich ehrlich gesagt unglaublich schlecht, das überhaupt zu denken. Es dir dann auch noch zu sagen, macht es womöglich noch schlimmer, aber ich kann das auch nicht für mich behalten. Weißt du, Hyung, die Sache ist etwas kompliziert. Ich habe Minho zwar verziehen, aber ich kann meine Angst nicht einfach abschalten. Tief in meinem Inneren scheine ich ihm immer noch nicht hundertprozentig zu vertrauen. Jetzt, wo uns auch noch achttausend Kilometer Luftlinie trennen, drängt sich diese Angst wieder mehr an die Oberfläche. Ständig frage ich mich, ob er mich vielleicht doch nur ausnutzt. Ständig habe ich Angst, dass er mir in Seoul fremdgehen kann. Auch wenn das nichts mit dem was zwischen uns vorgefallen ist zu tun hat, so habe ich dennoch Angst, dass er es tut, da ich ihm unbewusst eben doch nicht genug Vertrauen entgegen bringe. Ich bin so ein schlechter Mensch."

Bei meinem letzten Satz senke ich meinen Kopf bedrückt gen Boden, ehe ich Chan's Hand an meinem Kinn spüre, der meinen Kopf wieder anhebt, sodass ich gezwungen, bin ihn anzusehen. „Hey, Sungie. Sag das nicht." Nach diesen Worten entfernt der Ältere seine Hand wieder von meinem Gesicht und schenkt mir eines seiner sanften und liebevollen, fast schon väterlichen Lächeln.

„Du bist keinesfalls ein schlechter Mensch. Denk das nicht. Es ist verständlich, dass du daran noch immer denken musst. Es ist schließlich noch sehr frisch, Jisung. Du warst fast siebzehn Jahre mit Minho befreundet. Sein Verrat hat dich verletzt und eine Wunde hinterlassen. Zwar heilt eine Wunde wieder, doch meist bleibt eine Narbe. Was ich damit sagen will ist, dass du es wohl niemals komplett vergessen wirst. Dieser Gedanke wird vermutlich niemals verschwinden. Das Einzige, was du tun kannst, ist zu versuchen, diesen Gedanken zu verdrängen und zuversichtlich zu bleiben. Zu hoffen, dass Minho es ernst meint. Und ich bin auch sicher, dass er es mit dir ernst meint, jedoch kann ich dir nichts versprechen. So gerne ich auch würde. Ich bitte dich aber noch, mir eine Frage zu beantworten."

Scars {Stray Kids}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt