Kapitel 18: Trauerbewältigung (1.368)

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Jeongin:

Unglaubliche Erleichterung durchfuhr meinen Körper, als ich meinen Freund wohlbehalten wieder sehen konnte. Dennoch machte mir dieser Anblick auch unglaubliche Sorgen. Hyunjin sah nicht so aus, als wäre er nur einen Tag hier gewesen. Eher wirkte es so, als hätte er seit ein bis zwei Wochen kein Auge mehr zu bekommen und wäre seither mit niemandem auch nur annähernd in sozialen Kontakt getreten.

„Ich bin so glücklich, dass es dir gut geht. Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht." sage ich zu ihm, während sich in meinen Augen Tränen sammeln, doch noch immer reagiert der Ältere nicht. „Hyunjin? Kannst du mich hören?" frage ich, während ich mich hin hocke, um halbwegs auf Augenhöhe mit ihm zu sein und meine Hand an seine Wange legen will, doch zu meiner Überraschung schlägt er jene einfach weg.

Und diese Tatsache verletzt mich mehr, als sie sollte, weshalb die angesammelten Tränen nun auch aus meinen Augen laufen.

„Hyunjin, bitte sprich mit mir." bitte ich den Älteren. „Lass mich einfach in Ruhe." flüstert er schon fast. „Was?" frage ich überrascht, da ich nicht glauben kann, um was mich der Ältere soeben gebeten hat. „Du sollst mich in Ruhe lassen! Ihr alle sollt mich einfach in Ruhe lassen! Es hatte schon seinen Grund, warum ich nicht auf eure unzähligen Nachrichten und Anrufe reagiert habe! Lasst mich einfach alleine!" fährt er mich mit so einer Ernsthaftigkeit und Kälte in seiner Stimme an, dass ich verängstigt zurückzucke und dabei fast auf meinen Hintern gefallen wäre, da ich ja noch immer vor ihm hocke.

„Jetzt geh endlich und nimm die Anderen mit." spricht er dann wieder ruhiger, jedoch noch immer mit dieser Kälte in seiner Stimme und ohne mich anzusehen. Aus diesem Grund stehe ich dann also auf und wende mich schon zur Tür und stehe somit mit dem Rücken zum Älteren. Meine Hand liegt bereits an der Klinke, ehe ich mich doch anders entscheide.

Ich kenne den Älteren besser, als jeder andere aus unserer Clique. Ich kenne ihn meines Erachtens nach sogar besser, als er sich selbst. Ich weiß, dass er nie der Typ Mensch war, der solche Schicksalsschläge ganz einfach alleine bewältigen konnte. Er braucht immer jemanden, der an seiner Seite ist und ihm den benötigten Halt gibt. Er braucht immer jemanden, mit dem er über alles reden kann und dem er vertrauen kann.

Auch wenn das nicht annähernd mit der aktuellen Situation zu vergleichen ist, so erinnere ich mich noch genau daran, wie sehr Hyunjin am Boden zerstört war, als sein Hund Kkami starb. Damals ging er jeden Tag an das Grab seines Hundes und weinte sich die Augen aus. Immer dann, wenn seine Eltern es nicht mitbekamen — da Hyunjin es nicht gefällt, wenn die Menschen, denen er so viel bedeutet und die ihn über alles stellen würden, leiden sahen — weinte er vor sich hin. Auch ich bekam eher so nebenbei mit, wie nah ihm dieser Tod seines Haustieres eigentlich ging.

Ich wollte ihn eines Tages einfach besuchen, um mich mit ihm zu treffen und mit ihm zu spielen, da wir zur damaligen Zeit noch relativ jung waren. Als ich dann vor der Haustür stand und klingeln wollte, hörte ich sein herzzerreißendes Schluchzen, weshalb ich dann auf alle Höflichkeiten verzichtete und in den an ihrem Wohnblock angrenzenden Garten, der für alle Mieter ist, ging, wo ich ihn dann weinend vor dem Grab hocken sah.

Und wenn der Tod seines Haustieres ihn schon so zusetzte, konnte ich mir nicht annähernd vorstellen, wie es ihm wohl jetzt gehen musste, wo seine Eltern — seine einzigen noch lebenden Blutsverwandten und die Menschen, die ihn großzogen — im Koma lagen. Ich wusste nur eins: Es war definitiv schlimmer für ihn, als der Tod eines einfachen Haustieres.

„Nein." sage ich also und entferne meine Hand wieder von der Türklinke. „Was?" fragt der Größere. „Ich sagte nein." entgegne ich und drehe mich zum Älteren um. „Ich werde dich jetzt ganz bestimmt nicht alleine lassen." beharre ich, während ich meine Tränen aus den Augen wische, wobei sich in Hyunjin's scheinbar welche sammeln.

„Du kannst mich so oft von dir stoßen, wie du willst. Du kannst mir so oft du willst die kalte Schulter zeigen und von mir etwas verlangen, was du eigentlich gar nicht willst. Ich weiß von deiner Unsicherheit und auch ist mir bewusst, wie wichtig dir deine Eltern sind, Hyung. Ich sehe dir an, wie fertig du bist und da kann ich dich nicht einfach alleine lassen. Nicht wenn es dir so schlecht geht." verteidige ich also meinen Standpunkt, woraufhin mein Freund nun gänzlich los lässt und zu schluchzen beginnt.

Automatisch bilden sich dann auch in meinen Augen wieder Tränen, während ich zurück zum Älteren gehe und ihn in eine feste Umarmung ziehe, die er dieses Mal auch ohne zu zögern erwidert. Er schlingt seine Arme eng um meine Taille und vergräbt seinen Kopf tief in meiner Brust, während ich den meinen auf seinem bette und ihm liebevoll durch seine Haare und über seinen Rücken streiche.

„Ich liebe dich so sehr, Hyunjin. Du wirst mich so schnell nicht wieder los." flüstere ich noch leise, woraufhin der Angesprochene noch mehr zu schluchzen beginnt und seine Arme noch enger um mich schlingt, was ich ihm gleich tue. Während der Ältere mit seinen Tränen also mein Oberteil durchnässt, tropfen die meine auf seinen Haarschopf, doch uns beide interessiert das nicht.

Ich wünsche mir einfach nur, dass es meinem Freund so schnell wie möglich wieder besser geht und meine Nähe ihn wenigstens etwas besser fühlen lässt. Auch wenn Hyunjin sich jetzt so fest an mich drückt, als wäre ich sein Rettungsring in der Weite des Meeres, welches droht ihn mit sich zu reißen, so habe ich dennoch auch Angst, dass ich mich doch komplett vertan habe und er doch lieber alleine sein will. Dass ich es mit meiner Anwesenheit nur noch schlimmer anstatt besser mache.

„Lass mich bitte für dich da sein, Hyunjin." flüstere ich leise, ehe ich ihm einen kleinen Kuss auf seinen Haarschopf hauche und meine Nase anschließend leicht in diesem vergrabe, um seinen so wunderbaren Eigenduft in mich aufnehmen zu können, der mir die letzten zehn Stunden mehr als nur gefehlt hat.

„Es tut mir leid." nuschelt er in meine Brust, während er seinen Kopf noch etwas mehr in diese drückt und sich kurzzeitig fester in mein Oberteil krallt. Daraufhin drücke ich ihn etwas aus der Umarmung und hocke mich wieder hin, um auf Augenhöhe mit ihm zu sein. Mit meinen Händen umrahme ich sein Gesicht, wodurch er mir endlich zum ersten Mal, seit ich ihn wiedergefunden habe, in meine Augen sieht.

Trotz der unfassbaren Angst seine Eltern zu verlieren und der damit einhergehenden Trauer, die ich in seinen Augen sehen kann, bin ich so unglaublich dankbar dafür, dass er mir endlich in meine Augen sieht. Denn so kann ich erkennen, dass wirklich noch Leben in ihm ist und er nicht nur eine leere, menschliche Hülle ist. Denn genau so wirkte er zuvor noch auf mich.

Deshalb schleicht sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen, während ich meine Stirn an seine lehne. Wir beide schließen dabei unsere Augen. Noch immer hat er sich fest in mein Oberteil gekrallt, während ich ihm versuche mit meinen Daumen die Tränen von den Wangen zu wischen, was sich als schwieriger herausstellt, als angenommen. Denn immer wieder kommen neue Tränen in seine Augen.

„Es tut mir leid." haucht er ein weiteres Mal leise, ehe er zu meiner Überraschung seine Lippen auf meine drückt. Ohne zu zögern erwidere ich den Kuss natürlich. Schließlich habe ich ihn jetzt schon so lange nicht mehr bei mir gehabt und wusste nicht mal wo er war oder ob vielleicht etwas mit ihm geschehen wäre.

Als Hyunjin sich schon wieder von mir entfernen will, ziehe ich ihn jedoch direkt in einen weiteren Kuss, welchen der Ältere ebenso sofort erwidert. Dabei schlingt er seine Arme noch enger um meinen Körper und zieht mich im gleichen Zug auf seinen Schoß.

Als ich nun auf seinen Schoß sitze und wir unseren durchaus gefühlvollen Kuss lösen, vergräbt Hyunjin sein Gesicht augenblicklich wieder in meinem Oberteil und scheint, ebenso wie ich zuvor, meinen Duft tief einzuatmen und schließt dabei seine Augen. Ich lehne meinen Kopf wieder leicht an den Seinen, so fern unsere Sitzposition dies ermöglicht.




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01.04.2023

Scars {Stray Kids}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt