Niederlage auf ganzer Ebene

73 7 0
                                    

Einige Wochen vergingen, in denen sie zwischen einem täglichen Ausdauertraining, theoretischen Unterricht bekamen, dort über Versorgungsmärsche, Reiten und Nahkampf sprachen.
Wo sie die Strategie und Taktik, sowie die Biologie der Titanen durchnahmen.
Sie Lernten die Technik, Zusammen- und Auseinandersetzung der 3D Manöver Ausrüstung kennen, ehe sie mit dem praktischen Unterricht der 3D Ausrüstung begannen, in welcher sie den Schwertkampf, den Umgang mit Schusswaffen und das Schießen an sich erlernten.
Es war ein ziemlicher Drill und forderte Eysa ihre gesamte Konzentration und körperliche Kraft.
Vor allem das Nahkampftraining war hart und immer wenn Mike sie in den Dreck niederrang, fragte sie sich, inwiefern es ihr im Kampf gegen die Titanen dienlich war so etwas zu können, oder auch eben nicht zu können.
Zumal sie schon keine Chance gegen einen Riesen wie Mike hatte, wie sollte sie dann einen Kampf gegen einen Titanen bestreiten?
Mike stand unerschütterlich da, egal wie oft Eysa auch versuchte ihn zu schlagen, zu stoßen, oder ihn niederzuringen, sie schaffte es einfach nicht.
Er war eine Säule aus festem Granit, die einfach nicht weichen wollte.
„Gibst du auf?", fragte er über ihr, als er sie erneut mit dem Rücken voran, unter sich im Dreck begrub.
Wütend über ihre eigene Schwäche, geringe Körpergröße, die Tatsache das sie eine Frau war und ihre eigene Dummheit sich Mike als Partner auszusuchen, nickte sie, was ihn süffisant grinsen ließ.
Er richtete sich daraufhin auf, nahm sein schweres Gewicht von ihr und reichte ihr eine Hand, um ihr aufzuhelfen: „Du bist besser geworden."
„Sicher, bei was genau, dem Fall zu Boden?", fragte sie ihn sarkastisch grinsend, ohne eine Antwort zu erwarten.
Erneut grinste Mike, als Eysa sich den Dreck von der Hose klopfte.
Als sie sich aufrichtete, um ihm etwas zu entgegnen, bemerkte sie jedoch wie Mike einen Punkt hinter ihr fixierte.
Verwirrt, wandte sie sich um, um zu erfahren, was genau er ansah und entdeckte Erwin, welcher sich mit Nile einen Schlagabtausch lieferte.
„Sie sind so gut", murmelte sie und war mit einem Mal neidisch, da sie nicht ansatzweise und jemals so gut sein würde, wie die Beiden und Mike.
„Du würdest sicher lieber mit einem von ihnen üben, als mit mir", murmelte sie unsicher zu Mike.
Erwin oder Nile würden Mike wenigstens etwas entgegenbringen können, anders als sie.
„Niemand ist so gut darin zu fallen, wie du."
Überrascht blickte sie auf und entdeckte das Schmunzeln seiner Lippen, woraufhin sie gespielt empört auflachte und ihm in die Rippen stieß: „Das ist gemein!", doch Mike entgegnete nichts dazu und grinste lediglich weiter.
„Du bist und bleibst meine Partnerin."
Wärme stieg bei diesen Worten in ihr auf, welche sie seit ihrem Kennenlernen vor einigen Wochen immer mal wieder verspürte.
„Erwin scheint abgelenkt gewesen zu sein", murmelte er mit einem Mal und Eysa sah wieder zu den ihren beiden anderen Freunden hinüber und sah mit erstaunen, das Erwin mit dem Gesicht im Dreck lag, Nile auf dessen Rücken, wie er Erwins Arme so zurückgebogen hielt, dass dieser sich daraus nicht befreien konnte.
„Hat Erwin gegen Nile je verloren?", fragte sie Mike überrascht, welcher nur mit dem Kopf schüttelte.
„Was könnte ihn wohl abgelenkt haben?"
Eysa blickte zu Mike empor, doch vermied dieser es eisern sie anzusehen, was sie verwirrte.
„Vielleicht solltest du deine Chance mal versuchen?", schlug Mike leise vor und Eysa runzelte die Stirn, als sie wieder zu Erwin und Nile blickte.
Ihr Glück versuchen?
Sofort riss sie die Augen auf, als sie begriff was er meinte und schüttelte lächelnd über diesen Gedanken das Gesicht: „Warum nicht."
Sie wusste das die Chance trotz Erwins unkonzentration gering war, aber sie wollte es versuchen und lief zu den beiden Jungs hinüber.
„Können wir tauschen?", fragte sie entschlossen, als Nile Erwin wieder aufgeholfen hatte und beide wieder aufrecht standen.
Überrascht blickten sie beide an, als auch Mike hinter sie trat, welcher jedoch schwieg.
„Gut", gab Nile von sich und lief auf sie zu, was sie überrascht die Augen weiten ließ.
Nile war nicht der unkonzentrierte von beiden an diesem Tag, weswegen ein Kampf ihrem Ego nicht weiterhelfen würde, da sie gegen ihn ohnehin nicht gewinnen konnte.
Dankbar lächelte sie ihn an: „Ich würde gerne mein Glück bei Erwin versuchen."
Nile stockte in seiner Bewegung, schien etwas irritiert, doch lief er dann mit einem Schulterzucken und einem gemurmelten: „Gut", an ihr vorbei zu Mike, mit welchen er sich daraufhin in Position begab.
Eysa trat daraufhin auf Erwin zu, welcher sie eindringlich betrachtete.
Sofort nahm sie ihre Kampfhaltung ein und wartete darauf, was er als nächstes tun würde.
Einen Moment betrachtete er sie noch, ehe auch er sich in eine solche Position begab, jedoch ihren Blick eisern gefangen hielt: „Warum wolltest du ausgerechnet mit mir trainieren? Meinst du nicht, Nile wäre dafür besser geeignet?"
Kurz verunsichert sah sie ihn an.
Hatte er Recht?
Aber Nile wäre auch ein zu harter Gegner für sie.
Sie hatte Erwin im Grunde ja auch nur aufgefordert, weil die Chance bestand ihn zu besiegen, da er abgelenkt war.
Aber war er das immer noch?
„Man wächst an seinen Herausforderungen", gab sie daraufhin nur kryptisch wieder, was Erwin schweigend leicht lächeln ließ.

Als er sie Mike so angrinsen sah, obwohl sie das im Grunde oft tat, war er ins Stocken geraten und abgelenkt wie er war, hatte Nile ihn mit Leichtigkeit zu Boden gerungen.
Er war im Nachhinein nicht stolz darauf, aber er war einen kurzen Moment eifersüchtig gewesen, da dieses Lächeln einem anderen als ihm gegolten hatte.
Aber er hatte Eysa gegenüber niemals auch nur Andeutungen gegenüber gemacht, das sie ihm mehr bedeutete als eine einfache Freundin.
Was ihn, als sie nun vor ihm stand und gegen ihn kämpfen wollte, zu der Frage brachte, ob er dies tat.
Empfand er mehr für sie, oder war es eine dumme Eifersucht, die sich auf ihre enge Freundschaft bezog?
„Man wächst an seinen Herausforderungen", gab sie gerade von sich, was ihn schweigend lächeln ließ.
Sie war schon immer so stark gewesen, seine Eysa.
Ein Mädchen, das jede Herausforderung des Lebens gemeistert hatte, ganz gleich wie schwer und hart sie war.
Der Verlust ihrer Mutter, die Verantwortung für ihre kleine Schwester und ihren Vater.
Die Leitung der Bäckerei mit gerade einmal 11 Jahren, damit die Familie nicht im Armenhaus endete.
Er bewunderte sie für ihren Ehrgeiz und die Entschlossenheit.
Etwas das er nach dem Tot seines Vaters fast verloren glaubte, wäre sie nicht gewesen.
Sie hatte ihn gelehrt nicht aufzugeben, völlig gleich wie groß seine Schuld am Tot seines Vater war.
Er betrachtete sie noch einen langen Moment und erkannte zum ersten Mal das sie langsam zu einer Frau wurde.
Das blonde Haar, das sie zu einem Zopf gebunden trug, hing über ihre zierlichen Schultern den Rücken hinab, die blauen Augen, funkelnd wie die Sterne bei nach, die viel zu reif für ihr Alter dreinblickten.
Vermutlich war der Verlust und die Verantwortung die Schuld daran.
Die feinen Sommersprossen auf ihrer Nase und Wangen... die sonnen braune Haut, die gesamte Statur, die zwar nicht besonders groß, jedoch für einen Mann durchaus einen gewissen Reiz ausüben konnte.
Er seufzte innerlich, nein... Eysa war eine Freundin, nicht mehr.
Sie durfte nicht mehr sein.
Entschlossen diese Gedanken zu verdrängen, griff er sie blitzschnell an und brachte sie dabei ins straucheln, auch wenn sie ihm im letzten Moment geschickt ausweichen konnte und ihm die Faust in die Seite schlagen wollte, welche er schnell mit dem Unterarm blockte und nun von sich aus zum Schlag ausholte, welcher ihren Magen treffen sollte.

Aus Furcht vor dem Schmerz, schloss sie die Augen, doch als sich kein Schmerz einstellte, öffnete sie langsam wieder die Augen und sah wie er direkt vor ihrem Magen mit der Faust gestoppt hatte.
Stattdessen nun ihren Arm packte und zu sich heranzog, woraufhin sie ihm für einen atemlosen Moment näherstand, als je zuvor einem Jungen Mann.
Ihr schoss abrupt die Röte in die Wangen, doch wandte sich Erwin schnell herum, sodass er nun hinter ihr stand und zog ihr das Bein mit seinem weg.
Sie verlor daraufhin den Halt und stürzte zu Boden.
Sofort war Erwin über ihr, saß auf ihrer Hüfte und hielt ihre Handgelenke fest auf den Boden geheftet.
Eisern war sein Blick und sie versuchte erst einmal wieder zu Atem zu kommen, nach dem Sturz.
Sie hatte verloren.
Natürlich hatte sie das!
Hatte sie wirklich angenommen sie hatte eine Chance und würde wenigstens heute mit ihm länger als ein paar Sekunden auf den Beinen sein?
Sie war so dumm und naiv.
„Du hast verloren", sagte er nicht ein bisschen aus der Puste, so wie sie und ihr wurde mit einem Mal gewahr, das er auf ihr saß.
Erneut errötete sie und schaffte es nicht zu ihm aufzusehen.
Seit wann wurde sie in Erwins Gegenwart rot?
Und seit wann ließ er ihr Herz schneller schlagen, oder lag das an dem Training?
„Schient so", murmelte sie und fragte sich sofort, warum sie bei Mike nie so reagierte, wenn er ihr so nahe kam, wie Erwin in diesem Moment.
Anstatt sich zu erheben, blieb er auf ihr hocken, hielt ihre Hände fest und musterte sie eingehend, was sie dazu veranlasste nun langsam zu ihm aufzublicken und sich regelrecht in seinen blauen, stechenden Augen zu verlieren.
Abrupt ließ er sie los und stand auf, als hätte er sich verbrannt, reichte ihr nicht einmal eine Hand, was sie dazu zwang alleine aufzustehen und sagte: „Vielleicht solltest du nächstes Mal doch lieber Nile nehmen. Ich denke, da hättest du gute Chancen."

Das war gemein, das wusste er, aber er konnte gerade nicht anders.
Er brauchte Abstand, nachdem er für einen kurzen Moment davor gestanden hatte etwas zu tun, das ihre Freundschaft für immer verändert, wenn nicht sogar zerstört hätte.
Er sah sie bedrückt nicken, was ihr schwerzufallen schien, dann wandte sie sich ohne weiteres Wort ab und lief zu Nile und Mike zurück, welche ausgeglichen zusammen trainierten.
War er zu hart gewesen?
Es tat weh sie so zu sehen, jedoch...
Wenn so etwas öfter geschah, fragte er sich, ob er diese Freundschaft überhaupt würde halten können.
Aber er wollte sie nicht verlieren, das war klar.
Würde sie auch dem Aufklärungstrupp beitreten, oder, was er eher hoffte, eine der anderen beiden, sicheren Möglichkeiten wählen?
Denn selbst wenn sie nicht zu den 10 Besten gehören würde, konnte sie dennoch zur Mauergarnison gehen.
Er würde sie dann kaum noch zu Gesicht bekommen, aber er wäre dann wenigstens sicher, das sie nicht von einem Titanen getötet wurde.
Und ihre Sicherheit war ihm deutlich lieber, als sie immer an seiner Seite zu wissen.

Mike und Nile trainierten auf eine Weise, mit der Mike und sie nie trainieren konnten.
Es tat weh, aber Mike wurde mit ihr als Partnerin nur ausgebremst.
Sie wagte es nicht sie anzusprechen und schämte sich dafür, das sie nicht wenigstens ein bisschen stärker sein konnte.
So würde sie Mike nie das Wasser reichen können, geschweige denn hoffen, das sie es bei Erwin oder Nile je schaffen würde.
Seufzend wandte sie sich ab, als der Trainingsleiter über den Platz zur Pause rief.


Broken Wings of FreedomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt