Erwin hatte Ihr das Kleid Ihrer Mutter gebracht, was sie nur widerwillig angezogen hatte.
Es war ein komisches Gefühl, dieses Kleid wieder anzuziehen, erinnerte es sie doch immer wieder an das Frostfest und die Zeit danach, die Untersuchung und wie Jered O'Tool es Ihr ausgezogen hatte.
Sie hatten Ihre Aussage getätigt und waren dann entlassen worden.
Eine Kutsche hatte auf sie und Carolina Schulz gewartet.
Begleitet von Erwin, welcher zu Pferd saß, fuhren sie zurück zur Kaserne, wo man sie ins Lazarette brachte und Ihnen anbot sie zu untersuchen, was Carolina zum weinen brachte und Eysa lediglich in Ihrem Gesicht gestattete.
Als sie das Lazarette mit verarzteter Lippe und blauem Auge verlassen hatte, saß Erwin auf dem Flut und wartete auf sie.
Bekümmert verzog sie das Gesicht bei seinem Anblick, als er von seinem Stuhl aufsprang und sie unsicher betrachtete: „Eysa."
Den Blick sinkend, lief sie an Ihm vorbei und verließ das Lazarette, auch wenn sie spürte, das er Ihr folgte, wusste sie nicht wie sie mit Ihm umgehen sollte.
Sie versuchte abzuschalten, nicht daran zu denken, was alles geschehen war, doch... es war zu schwer und sie wollte nicht darüber reden, auch nicht mit Erwin.
Sie lief in Ihr Zimmer und holte sich frische Kleidung, welche sie mit in die Duschen nahm, immer gefolgt von Ihm, auch wenn er vor Ihrem Zimmer und schließlich vor den Duschen wartete.
Eysa hatte bestimmt eine halbe Stunde unter dem heißen Wasserstrahl verbracht und sich die Haut wundgerieben.
Auch wenn sie nicht vergewaltigt worden war, hatte O'Tool Ihren Körper auf eine Weise eingefordert, die Ihr zuwider war.
Die sie Ihm nicht gestattet hatte.
Die Ihr schlecht werden ließ.
Sie sollte vermutlich erleichtert sein, weil sie noch lebte und weil Ihr nicht das angetan wurde, wie vielen anderen Mädchen vor Ihr, doch... sie fühlte sich nicht erleichtert.
Alles in Ihr fühlte sich an, wie von Schmerz gepeinigt und sie hatte das Gefühl jeden Moment loszuweinen.
Doch wenn sie damit erst einmal beginnen würde, könnte sie wohl nicht mehr damit aufhören und das machte Ihr mehr als Angst.
Als sie sich abgetrocknet und wieder angezogen hatte, ergriff sie das Kleid Ihrer Mutter und atmete tief durch, ehe sie die Duschen verließ und erneut auf Erwin traf, der an der Wand gelehnt hatte und sich dort nun abstieß.
„Können wir reden?", fragte er leise und unsicher blickte sie zur Seite, ehe sie auf einmal von jemand anderen angesprochen wurde: „Evergreen, wie geht es Ihnen?"
Shadis trat auf sie zu und Eysa wanste sich zu Ihm herum, fast schon dankbar, das sie nicht mit Erwin sprechen musste.
„Kommandant, mir... geht es den Umständen entsprechend."
Er nickte: „Ich bin froh, das dem so ist. Nun wo wir Fitzgibbons verloren haben...", er schien nicht genau zu wissen, wie er mit Ihr sprechen, oder umgehen sollte, denn er hatte seine raue Art komplett abgelegt.
„Carolina Schulz hat darum gebeten, den Dienst niederlegen zu dürfen."
Überrascht sah sie zu Ihm auf und er fragte: „Werden sie diese Bitte ebenfalls äußern?"
Lange schwieg sie und schloss die Augen.
Sie lauschte in sich hinein und überlegte, ob es nicht das Beste wäre dies zu tun.
Sie könnte zu Ihrem Vater zurückkehren und in seiner Bäckerei arbeiten.
Ihn unterstützen und mit diesem Leben abschließen.
Was brachte Ihr dieses Leben denn schon, außer Leid und Qual?
Doch als sie die Augen öffnete, schaffte sie es nicht diese Worte auszusprechen.
Sie streckten Ihr im Halse fest und sie musste schwer schlucken, ehe sie den Kopf schüttelte: „Nein, Kommandant Shadis. Ich bleibe weiterhin im Aufklärungstrupp."
Es würde Ihr nicht guttun, sich Ihrem Leid hinzugeben, denn das würde sie zwangsweise tun, sollte sie den Trupp verlassen.
Shadis nickte und atmete erleichtert durch: „Sie sind für eine Woche vom Dienst befreit, um sich wieder zu erholen. Sollten sie mehr Zeit brauchen, scheuen sie sich nicht, es zu sagen."
Eysa schüttelte abermals den Kopf: „Ich brauche keine Erholung, Sir. Bitte, ich... möchte wieder ganz normal in den Dienst."
Eine Auszeit würde sie zwangsläufig dazu bringen über die Geschehnisse nachzudenken.
Darüber, was alles passiert war und das sie einen Menschen getötet hatte.
Auch wenn es Notwehr gewesen war.
Sie blickte auf Ihre Hand hinab, welche vor ein paar Stunden noch voll war mit Blut und schluckte abermals.
Tief durchatmend schloss sie die Augen, ließ die Hand sinken und sah dann wieder zu Shadis auf.
Dieser hob seine Hand an den Mund, räusperte sich, ehe er sie wieder fest ansah: „Wie sie wollen. Heute Nachmittag informieren wir die Familie von Fitzgibbons, nehmen sie sich die Zeit und sprechen sie mit Ihren Lieben. Sie sollten wissen, das es Ihnen gut geht. Wenn ich mich recht entsinne, gab es da einen jungen Soldaten, der Mauergarnison, der sich große Sorgen um sie gemacht hat."
Ian...
Sofort dachte sie an die gütigen, schüchternen Augen und verdrängte den Gedanken an Ihn sofort wieder.
„Sir, ich.... wäre es möglich, das ich mit der Familie von Fitzgibbons spreche? Sie war in meiner Einheit und ich denke, ich bin es Ihr schuldig."
Shadis musterte ernst jeden Winkel Ihres Gesichts, sah dann über Ihre Schulter hinweg zu Erwin und dann wieder zu Ihr, ehe er sich straffte: „Sind sie sicher, das sie dafür schon wieder bereit sind?"
„Ja Sir, mehr als sicher", nickte sie.
„Nun gut, die genaue Adresse bekommen sie von Ihrem Abteilungsführer.
Angespannt betrachtete sie Shadis und seufzte innerlich auf.
„Danke Kommandant", murmelte sie und salutierte vor Ihm, ehe er sich mit einem weiteren Nicken abwandte und über den Kasernenhof lief.
Einen langen Moment stand sie einfach nur da, spürte Erwin in Ihrem Rücken und versuchte sich darauf einzustellen, mit Ihm zu sprechen.
Er hatte sie in einem Moment in Ihrem Leben gesehen, der noch viel schlimmer war, als alles, was er bisher aus Ihrem Leben wusste.
Er hatte sie nackt und verwundbar gesehen.
Hilflos und völlig verängstigt.
„Levi wollte heute mit der Familie von Fitzgibbons sprechen. Er kennt die Adresse, wenn du Ihn also begleiten möchtest, findest du Ihn sicher bei den Pferden", hörte sie Erwin hinter sich sagen und schloss dankbar die Augen, da er Ihr so die Chance gab einem Gespräch mit Ihm noch etwas auszuweichen.
„Danke", murmelte sie und verließ Ihn, ohne Ihn auch nur angesehen zu haben.
Bei den Ställen, entdeckte ich Levi welcher gerade ein Pferd sattelte, obwohl ein weiteres vollständig gesattelt, direkt neben Ihm stand.
„Warum braucht du zwei Pferde?", fragte sie Ihn und blieb neben Ihm stehen, um dem Tier über die Nüstern zu streichen.
„Ich wusste du würdest kommen", sprach er lediglich ruhig und zog den Sattel unter dem Bauch des Tieres fest.
Überrascht blickte sie Ihn an: „Woher?"
„So eine Ahnung", murrte er wie immer sehr grimmig, doch richtete er sich auf und sah sie direkt an: „Also steig auf."
Als er zu dem anderen Pferd lief und aufsetzte, blickte sie Ihm verwirrt nach, ehe sie einen Gedanken äußerte: „Erwin hat es dir gesagt, nicht wahr? Er wusste, das ich das tun möchte und bat dich mich zu begleiten."
„Tch", gab er von sich und ergriff die Zügel seines Pferdes: „Was auch immer für Dinge zwischen euch stehen, versucht es endlich zu klären. Das hält ja keiner aus."
Eysa gab ein entrüstetes Geräusch von sich und stieg auf.
Erwin hatte es gewusst.
Er hatte es gewusst und Levi gebeten, weil er genau gewusst hatte, das sie mit Ihm nie losgezogen wäre.
Wie oft hatte sie versucht mit Erwin zu sprechen, die Dinge zu klären?
Und jedes Mal war sie kläglich gescheitert.
Am Ende hatte er Ihr sogar klipp und klar gesagt, das er sich in Ihrer Nähe unwohl fühlte.
„Wohin reiten wir?", fragte sie Levi, um Ihre Gedanken abzulenken.
„Dauper. Wir erledigen das und danach reiten wir nach Quinta und du Informierst deinen Vater, das es dir gut geht."
Langsam galoppierten sie los und sie spürte Angst in Ihrem Nacken: „Wusste er es denn?"
„Ich glaube nicht. Bei Fitzgibbons Familie wussten sie es, immerhin war sie verheiratet, doch dein Vater sieht dich nicht jeden Tag. Weswegen er wohl keine Ahnung haben dürfte. Aber das ändert nichts daran, das du Ihn sehen solltest", sprach er ruhig neben Ihr.
„Mie war verheiratet?", fragte sie Ihn erstaunt und dachte daran, wie wenig sie über Ihre Kameradin wusste.
Irritiert blickte er zu Ihr hinüber: „Was, das wusstest du nicht? War sie nicht in deiner Einheit?"
Beschämt senkte sie den Blick: „Nein, das wusste ich nicht. Wir... sprachen kaum über private Dinge."
Sie war verheiratet gewesen.
Hatte sie vielleicht auch Kinder gehabt, denen auf diese grausame Weise die Mutter genommen worden war?
Fest krallten sich Ihre Hände, um die Zügel und sie hörte Levi sagen: „Noch kannst du wieder umdrehen. Ich kann das alleine machen und du bleibst draußen."
Sofort sah sie zu Ihm auf, war drauf und dran das Angebot anzunehmen, doch schüttelte sie den Kopf und sagte mit fester Stimme: „Nein. Das ist meine Aufgabe."
Er nickte: „Gut."
Den Rest ritten sie schweigend dahin, bis sie bei Mias Adresse in Dauper ankamen und sie saß unsicher und mit heftig pochenden Herzen, vom Pferd ab.
Levi nahm Ihr die Zügel ab, band die Pferde an und wartete das sie an die Haustür klopfte, was Eysa zögerlich tat.
Sofort wurde die Tür aufgerissen und ein Mann, etwa 30 Jahre alt, blond und mit braunen Augen, sah sie gehetzt an: „Mia!"
Doch als er erkannte, das Eysa nicht seine Mia war, versank sein Blick in tiefer Verzweiflung und seine gesamte Gestalt sank in sich zusammen.
„Verzeihen sie. Als ich die Uniform sah", dabei blickte er zu Levi, da Eysa keine trug, „da dachte ich...", doch stockte er erneut, da Ihm bewusst zu sein schien, weshalb sie Beide da waren.
„Sie haben sie gefunden", seine Stimme klang rau und seine Augen huschten von Levi zu Eysa hin und her.
Es war keine Frage, eher eine Feststellung und Ihr sank erneut der Mut.
„Ich...", murmelte sie und schluckte schwer.
Sie musste versuchen professionell zu bleiben.
Wie sollte sie Mias Familie Respekt zollen, wenn sie weinend zusammenbrach?
„Dürften wir vielleicht reinkommen und in Ruhe mit Ihnen sprechen?", sprach sie nun noch immer leise, jedoch gefasster.
Sofort trat er beiseite und ließ sie und Levi eintreten.
Die Wohnung war klein, beschaulich, jedoch gemütlich eingerichtet.
„Ich... war nicht auf Besuch eingestellt. Möchten... möchten sie Tee?"
Sie schüttelte den Kopf und setzte sich auf das kleine Sofa.
Normalerweise erledigten sie solche Besuche eher im Stehen, immer bereit zu gehen, sobald die Aufgabe erledigt war, doch...
Es unpersönlich zu halten, wenn es um Mia, Ihre Kameradin ging, die das schreckliche Ereignis das Ihnen beiden widerfahren war, nicht überlebt hatte, war... nicht richtig.
Sie starb an diesem grausamen Ort und nichts daran, war unpersönlich.
Levi setzte sich neben sie und sie wusste, das er sie unterstützen würde, wenn sie Ihn brauchte.
„Sind sie... Mias Mann?", fragte sie sanft.
Er nickte und setzte sich Ihnen gegenüber: „Peter. Mein Name ist Peter Fitzgibbons."
Kurz blickte Eysa auf Ihre Hände hinab, welche sie in Ihrem Schoß gefaltet hatte und sammelte sich, ehe sie Ihn wieder ansah: „Mr. Fitzgibbons, Ihre Frau Mia, sie... war in meiner Einheit. Sie wurde am Abend des Frostfestes zusammen mit einigen anderen Frauen aus dem Militärdienst entführt."
Eysa machte eine kleine Pause und ließ absichtlich aus, das sie selbst eine dieser Frauen war.
Fitzgibbons wirkte, als wenn man Ihm jeden Moment dennoch eine gute Nachricht überbringen würde, doch die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.
„Man wollte, die Frauen an Männer verkaufen und zur Prostitution zwingen."
Seine Augen wurden größer, besorgter und sie krampfte Ihre Hände im Schoß.
„Die Militärpolizei, der Aufklärungstrupp und sogar die Mauergarnison, haben alles getan, um Ihre Frau und die anderen Entführten zu retten. Doch leider... Mia sie... sie starb bei dem Versuch. Es... tut mir leid", murmelte sie und fühlte sich mehr als schlecht, als der Mann vor Ihnen noch mehr in sich zusammensackte.
Er wirkte so klein und verloren.
Sein Blick starrte ungläubig durch Eysa hindurch.
Sie sah seinen Unterkiefer leicht zittern, während die Hände sich in die Armlehnen seines Stuhls krallten.
„Mr. Fitzgibbons, ich...", begann Eysa, doch unterbrach er sie: „Mia war schwanger."
Seine Stimme klang leer und unglaublich ruhig.
Geschockt sah sie Ihn an: „Was?"
„Sie war im zweiten Monat. Sie hatte vor, in wenigen Wochen Ihrem Kommandanten, um den Rücktritt aus dem Dienst zu bitten. Wissen sie, wir sind sehr früh zusammengekommen. Wir... kannten und seit wir kleine Kinder waren und mit 20 habe ich es geschafft Ihr zu sagen, das ich sie liebe. Wir warteten 3 Jahre und als sie 20 wurde, heirateten wir. Sie wurde sehr schnell schwanger und als unsere Tochter zur Welt kam... der Arzt sagte, sie sei zu schwach für diese Welt gewesen. Sie starb nach nur einem halben Jahr. Danach, war Mia völlig versunken in Ihrer Trauer und entschied sich dem Aufklärungstrupp beizutreten, für den sie mit 17 die Trainingseinheit absolvierte. Ich habe sie in allem unterstützt. Wusste, das sie auf Ihre Weise trauerte und ich konnte jeden Tag sehen, wie sehr Ihr das guttat zur Kaserne zu gehen und vor den Mauern zu kämpfen. Auch wenn ich jedes Mal fürchterliche Angst hatte."
Tränen rannen Peter über die Wangen und Eysa konnte nichts weiter tun, als Ihn weiter einfach nur anzuschweigen und zuzuhören, da sie all diese Dinge nicht über Mia gewusst hatte.
„Als sie bemerkte, das sie erneut schwanger war, bekam sie es mit der Angst. Sie fürchtete, es könnte wieder so enden. Doch... irgendwann, gewann die Freude und sie entschied sich aus dem Dienst auszutreten. Am Abend des Frostfestes, da...", er wischte sich über das nasse Gesicht und Eysa ballte die Hände immer mehr.
Ihr Herz zog sich bei seinen Worten und seinem Anblick zusammen.
„Ich hatte aufgrund meiner Arbeit, keine Zeit. Ich bin Handwerker und hatte einen Notfall in der Gegend. Deswegen entschied sie mit einigen Freundinnen zu gehen. Ich... wäre ich mit Ihr gegangen, dann.... dann...", er brach zusammen und begann vor Ihnen fürchterlich zu weinen.
Doch war es nicht Eysa, die wie erstarrt auf dem Sofa saß und Ihm half, sondern Levi, welcher aufstand, dem Mann eine Hand auf die Schulter legte und in seinem üblichen, ernsten Ton sprach: „Es hätte nichts geändert. Sie hätten einfach nur einen passenden Moment abgewartet, oder sie sogar einfach getötet, um sie mitnehmen zu können. Nach allem was wir wissen, haben die Täter, die Frauen wochenlang beobachtet und sich bewusst für diesen Abend entschieden. Sie hatten Ihre Beute, schon ausgewählt. Sie hätten also nichts ändern können."
Mr. Fitzgibbons wandte sich Levi zu, schlang die Arme um dessen Körper und weinte sich bitterlich an dessen Brust aus.
Eysa stand langsam auf, sah die beiden Männer eine Weile schweigend an und verließ dann das Haus, indem eine bedrückte Stimmung herrschte.
Ihr Herz hatte sich bei dem Anblick verkrampft und sie bekam schwer Luft.
Alles in Ihr hatte sich zusammengezogen und sie befürchtete zusammenzubrechen, wie in der Nacht der Untersuchung.
Sie schloss die Augen und begann tief durchzuatmen, um das Zittern Ihrer Hände loszuwerden und an andere Dinge zu denken.
Sie konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, bis Levi wieder neben Ihr stand und die Zügel Ihrer Pferde lockerte.
Er reichte Ihr die Ihren und murrte: „Komm", während er aufstieg.
Schweigend setzte auch sie auf und zusammen ritten sie lange dahin, ohne Worte zu wechseln.
Erst nachdem sie Dauper verlassen hatten, sagte er: „Oi, wie geht es dir?"
Sie wandte sich Ihm zu und senkte dann beschämt den Blick: „Ich weiß es nicht."
Es war schwer Ihm das zu gestehen, aber noch schwerer es sich selbst einzugestehen.
„Du kannst nichts dafür, hörst du. Niemand kann das. Außer die Männer, die euch das angetan haben und die werden verurteilt werden."
Ja, und einen hatte sie selbst gerichtete.
Eysa schloss die Augen, versuchte das Bild von Jered O'Tool aus Ihrem Kopf zu bekommen und ritt einfach weiter.
„Du musst deinem Vater nicht sagen was geschehen ist. Tu einfach so, als wolltest du Ihn besuchen. Er muss sich nicht unnötig Sorgen machen."
Eysa nickte dankbar und als sie nach Stunden Quinta erreichten, ließ Levi sie alleine in den Laden Ihres Vaters gehen.
Als dieser sie erblickte, lächelte er sie an.
Ganz anders als damals, nach der Epidemie und Ninas Tod.
Er war wieder der Mann, der er vor dem Tod seiner Tochter gewesen war und das lag vielleicht auch größtenteils daran, das Ihm bewusst geworden war, das er noch ein Kind hatte, das Ihn brauchte.
Wenn auch nicht so wie Nina.
Er entschuldigte sich bei einer Kundin, wies sie an seinen Angestellten, welchen er eingestellt hatte, nachdem Nina gestorben war, weiter und kam auf Eysa zu.
Sofort streckte sie Ihre Arme nach Ihm aus und barg Ihr Gesicht an seiner Halsbeuge.
Eysa verbarg sich jegliche Tränen, wollte nicht das er sah, wie sie sich fühlte, damit sie gar nicht erst in Erklärungsnot kam und klammerte sich an Ihm fest.
Er war vor dem Tot Ihrer Mutter, immer Ihr Fels gewesen.
Der, auf den sie sich am meisten verlassen konnte, doch als sie starb, hatte sie gelernt für sich selbst da zu sein.
Doch jetzt, in diesem Moment, war er wieder Ihr Fels und sie war dankbar dafür Ihn zu haben.
Er strich Ihr über den Rücken und murmelte beruhigende Worte, als wüsste er, was in Ihr vorging.
„Mein Mädchen, was ist los? Was machst du schon so früh im Monat hier?", hörte sie Ihn fragen und presste sich einfach nur noch enger an Ihn: „Ich wollte dich einfach nur sehen. Ich habe dich vermisst"; nuschelte sie und spürte, das er etwas ahnte.
Aber er fragte nicht weiter nach, er hielt sie einfach nur in seinem Arm, strich weiter über Ihren Rücken und sagte: „Ich habe dich auch schrecklich vermisst. Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dich in meinen Armen zu halten. Mein kleines, großes Mädchen."
Vermutlich glaubte Ihr Vater, das sie einfach nur eine schlechte Verabredung am Frostfest gehabt hatte, wie sollte er auch ahnen, was Ihr widerfahren war?
Doch seine sanften Worte brachen den Damm und sie schluchzte leise an seinem Hals auf.
Vergoss die heißen Tränen und ließ sie in sein Hemd sickern.
„Na na, wer wird denn da gleich weinen?", fragte er.
„Ich bin ja da. Papa ist ja da."
Sie klammerte sich so fest in den Stoff seines Hemdes, das Ihr bereits die Finger schmerzten und löste sich erst von Ihm, als der Tränenstrom versiegt war.
Bekümmert strich er Ihr mit seiner Hand über die nassen Wangen und lächelte sanft und so unendlich liebevoll, wie nur ein Vater es tun konnte.
„Willst du darüber reden?"
Sofort schüttelte sie den Kopf und er nickte verstehend.
„Was immer es ist, es ist vorbei und ich bin hier."
Sie musste bei diesen Worten erneut gegen die Tränen ankämpfen, wischte sie sich selbst von den Wangen und zwang sich zu einem Lächeln.
„Ich wollte dich einfach nur sehen. Nichts weiter. Ich liebe dich."
„Ich liebe dich auch Eysa. Sehr sogar. Du bist alles, was ich noch habe und du erinnerst mich so sehr an deine Mutter, also pass bitte immer auf dich auf", lächelte er und sie nickte: „Werde ich."
Noch einmal strich er Ihr über die Wange und küsste Ihre Stirn, ehe sie sich von Ihm löste und wider verabschiedete.
Ihr Vater wusste es besser.
Er wusste das es durchaus etwas gab, das Ihr auf dem Herzen lag, aber er hakte nicht nach.
Er verabschiedete sich bloß an der Tür und sah Ihr lange nach, während Levi und Eysa zurück zur Kaserne ritten.
„Er hat es nicht gewusst", murmelte sie und Levi nickte: „Gut."
„Danke Levi", hauchte sie leise und wusste, er verstand sie auch ohne das sie dies weiter ausführen musste.
„Mir geht es wirklich schon viel besser", fügte sie hinzu und er sah sie kurz einen Moment lang an, ehe er wieder nickte.
Er hatte sie nicht bloß begleitet, weil Erwin Ihn darum gebeten hatte.
Er hatte sie auch begleitet, weil er so sichergehen wollte, das sie auch wirklich zu Ihrem Vater ritt.
Etwas das sie sonst nie getan hätte.
Etwas, das ihr aber auch mehr als alles andere geholfen und was sie gebraucht hatte.
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Broken Wings of Freedom
RomanceEysa Evergreen, welche zusammen mit Erwin Smith aufwuchs und aufgrund einer vergangenen Schuld ebenfalls dem Aufklärungstrupp beitrat, entdeckt im Laufe der Jahre ihre Gefühle für den einstigen Kindheitsfreund und Kameraden. Doch können diese Gefühl...