Der Sturm

35 3 0
                                    

Am nächsten Morgen ging es gleich in aller Frühe weiter und Shadis überließ Erwins Trupp, als Vorhut die Chance, den Neuen zu zeigen, wie gut die neue Formation funktionierte.
„Fernaufklärungsformation einnehmen!", rief Erwin laut aus und streckte dabei sein Schwert seitlich neben sich aus.
Da er Mike und Eysa zu jeweils eigenständigen Teamleitern ernannt hatte, ritt sie mit einer Handvoll aus ihrer Einheit, nach rechts, während Mike mit einigen anderen nach links ritt.
Erwin wiederum blieb auf gerader Strecke mit seiner kleinen Truppe.
Lange ritten sie in dieser aufgefächerten Formation dahin, bis noch ein wenig weiter rechts von ihr ein rotes Rauchsignal aufstieg.
„Rotes Rauchsignal bestätigt!", rief Eysa aus und Carolina hinter ihr feuerte ebenfalls eine ab, um die Anderen in der Formation zu informieren.
In der Mitte der Formation, links von ihr, sah sie ein grünes Rauchsignal aufsteigen.
Erwin konnte sie auf die Entfernung nicht sehen, aber nur er hatte dazu die Befehlsgewalt.
Bestätigend hob Eysa ihre Waffe und schoss ebenfalls ein grünes Rauchsignal in dieselbe Richtung wie Erwins, in den Himmel.
Danach zog Eysa an den Zügeln und lenkte ihr Pferd nach links, wobei ihr ihre Truppe folgte.
„Das ist unglaublich", sagte Carolina neben ihr und auch Eysa war auch nach den letzten Malen, nicht weniger beeindruckt, wie gut die Formation im Grunde funktionierte.
„Verdammt, Teamleiter Evergreen, der Himmel!", rief Marlo hinter ihr und Eysa blickte hinauf und biss daraufhin fest die Zähne zusammen.
„Pechschwarze Wolken", gab Carolina keuchend neben ihr wieder.
„Das solch eine Wand so schnell aufzieht, ist doch nicht normal", Marlo ritt an ihrer Seite und Eysa sah kurz zu ihm hinüber.
Schnell würde sie im Grunde nicht sagen, sie hatte das Gefühl gehabt, umso weiter sie vorankamen, das es immer mehr Veränderungen in der Luft und ihrer Umgebung gab, die darauf hindeuteten.
Die Luft roch schwer und nach Regen, sie hatte jedoch auch einen merkwürdig salzigen Anteil gehabt, den Eysa so nicht kannte und die Erde unter den Hufen ihres Pferdes wurde zunehmend weicher und sandiger.
Was auch immer sie sich näherten, es war eine völlig andere Umgebung, als sie es von innerhalb der Mauern gewohnt waren und vielleicht war das der Grund, warum das Wetter so schnell umschlug.
So wie es in den Bergen zumeist Schneite und am Fuß des Berges grünes Gras und Sonne gab.
„Seit vorsichtig!", warnte sie ihre Gruppe.
Wenn es nun wirklich zu Regnen anfing, könnte es durchaus sein, das sie je nachdem wie stark der Regen ausfiel, die Rauchgranaten nicht mehr sehen konnten und die Formation zerbrechen würde.
Noch einige Zeit ritten sie so weiter und Eysa hoffte fast schon, das Erwin zum Rückzug rief, doch keine blaue Rauchgranate zierte den mittlerweile dunklen Himmel.
Sie war immer darauf bedacht Titanen zu erspähen, da sie aufgrund ihrer Umgebung nicht darauf vertraute diese rechtzeitig zu sehen, was ihr große Sorge bereitete.
Als es schließlich heftig zu schütten begann, zog Eysa die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf, doch konnte diese ihr Gesicht nicht vor den peitschenden Tropfen schützen, oder gar ihre verschleierte Sicht bessern.
„Ich kann nichts mehr erkennen!", rief Carolina laut neben ihr und Eysa konnte sie durch das laute Prasseln kaum verstehen.
„Bleibt in der Formation! Orientiert euch an denen neben euch, bleibt zusammen!"
Es wäre jetzt mehr als gefährlich, wenn sie sich in diesem Regen verlieren würden.
Abgeschnitten von der Kommunikation mit Erwin, zerstreut und allein, wäre bei dem Wetter quasi ein Todesurteil.
Blitze erhellten den Himmel und heftiger Donner erfüllte die plötzliche Nacht.
„Schützt die Rauchgeschosse, wenn sie nass werden, sind sie unbrauchbar", rief sie aus und sah im Augenwinkel, wie Carolinas Pferd auf dem nassen Boden den Halt verlor und fiel.
„Verdammt!", knurrte sie und zog heftig an den Zügeln: „Stopp!"
„Aber Teamleiterin, wenn wir anhalten, könnte das unser Tot sein, zudem verlieren wir dann den Anschluss zur Formation", rief Fritz aus und sah sie geschockt an.
Er war jung, noch nicht so lange dabei wie Eysa und sie verstand seine Sorge, jedoch...
„Wir lassen niemanden zurück!", rief sie durch den Regen und ritt zu Carolina zurück, ehe sie vom Rücken ihres Pferdes glitt.
„Sollen wir einen Hilferuf abfeuern?", fragte Hannah nervös und blieb vorsichtshalber auf ihrem Pferd, während Eysa sich zu der bewusstlosen Carolina hinabbeugte und sie mit den Augen nach Verletzungen absuchte.
„Nein, die würde niemand sehen", antwortete Eysa ihr und fragte dann die blinzelnde Carolina, die wohl wieder zu sich kam: „Bist du verletzt?"
Mit großen, ängstlichen, braunen Augen, sah sie zu Eysa auf und schüttelte den Kopf: „Nein."
Erleichtert nickte sie.
Dann bräuchten sie sie nur auf ihr der Pferde setzen und...
„Teamleitern, ihr Pferd lahmt", hörte sie Hershel sagen, welcher ebenfalls abgestiegen war und nach Carolinas Pferd sah.
Eysa schloss einen Moment die Augen und dachte nach.
Verdammt, warum musste das alles passieren?
Vorsichtig half sie Carolina auf die Beine und blickte in den von Blitzen erhellten Himmel hinauf: „Nebel zieht auf", murmelte sie daraufhin.
Oder war es der Dreck der sich um sie herum aufbauschte, nachdem der Regen so stark auf den Boden niederprasselte?
Was es auch war, es war das schlimmste Szenario, das man sich für eine Fernaufklärungsformation, oder eine Expedition hinter die Mauern an sich, vorstellen konnte.
„In dieser Situation können wir jederzeit auf Titanen stoßen, also seit wachsam", wies sie die Gruppe an, doch vernahm sie rechts von sich einen abrupten Schrei, sowie ein verzweifeltes Wiehern.
Eysa wandte sich erschrocken und mit heftig pochendem Herzen um, doch konnte sie nichts sehen.
„Marlo ist weg!", rief Mia aus und Eysa drehte sich geschockt zu ihr, zählte alle nach, doch konnte sie Marlo wirklich nirgends sehen.
„Zieht eure Klingen und haltet die Augen offen!", verdammt, sie mussten weg, doch wohin und wie?
Eysa hatte vollständig die Orientierung, sowie den Anschluss an das Bataillon verloren.
Heftig zuckte sie zusammen, als etwas großes mit einem lauten Aufprall, neben ihr im Matsch landete.
Entsetzt blickte sie auf Marlos totes Pferd.
Sein Genick war merkwürdig verdreht und Eysa blickte in die Richtung, aus der es geflogen kam.
Schwer atmend starrte sie in den Nebel vor sich und hörte nichts, außer ihrem eigenen rauschenden Blut in ihren Ohren, sowie dem prasselnden Regen und dem Donnergrollen um sie herum.
„Mia, Fritz, Hannah!", rief sie aus, „reitet los. Versucht die Anderen zu finden und bittet um Hilfe!"
„Aber Teamleiterin...!", begann Hannah, doch unterbrach Eysa sie, „los!"
Sie sah Hannah leicht zusammenzucken, doch zog sie an den Zügeln und ritt mit den anderen Beiden in die Dunkelheit.
Eysa konnte nur hoffen, das sie es schafften.
Denn ganz gleich, ob sie das Bataillon fanden, für sie würde jede Hilfe zu spät kommen.
Fest biss sie die Zähne zusammen und wandte sich an Carolina, deren Hand ihre heftig drückte.
„Hershel, aufs Pferd!", rief sie ihm zu und auch er eilte zu seinem Pferd, rutschte kurz aus, fing sich wieder und bestieg sein Pferd, während Eysa die verstörte Carolina auf ihr eigenes Pferd half.
Doch noch ehe sie Hershel anweisen konnte, ebenfalls loszureißen, tauchte eine große Hand aus der Dunkelheit des Nebels auf und packte ihn, zog den schreienden Mann von seinem Pferd.
Als Carolina neben ihr aufschrie, schlug Eysa ihrem Pferd auf die Flanke, sodass es sich in Bewegung setzte und zusammen mit Carolina in der Dunkelheit verschwand.
Sofort wandte sie sich dann Hershel zu, schoss ihre Seile ab und hakte sich bei dem Titanen am Körper fest.
Ihre Klingen fest umfangen, drehte sie sich, das Tempo nutzend, im Flug und schlug mit einem heftigen Zug ihrer Schwerter, die Hand des Titanen ab, sodass Hershel hinabfiel und auf dem matschigen Boden landete.
„Lauf!", rief sie ihm zu, doch erkannte sie mit Schrecken, das er sich stöhnend das Bein hielt.
Verdammt, er schien sich entweder beim Aufprall auf dem Boden, oder aber durch den Titanen, verletzt zu haben.
Eysa hakte sich in der Luft aus und an einer anderen Stelle wieder ein, nutzt ihr Gas, um durch den Halt ihrer Ausrüstung, um den Titanen herum zu schwingen.
Es war ein 12 Meter Titan und er war verflucht schnell und leise in seinen Bewegungen, dafür das er so groß war.
Er drehte sich mit ihr, holte mit seinem anderen Arm aus und erwischte dabei ihre Seile, sodass sie im Flug hinab gerissen wurde und gegen seinen Körper prallte.
Geschockt, da sie aus dieser misslichen Lage so schnell nicht wieder in eine Position kam, in der sie die Ausrüstung effektiv nutzen konnte, stach sie schnell denkend, mit einer Klinge in den Körper des Titanen, sodass sie besseren Halt hatte und holte mit dem anderen aus.
Eysa erwischte ihre Seile, durchtrennte diese, ließ die Klinge, welche im Titanen steckte los und ließ sich hinabfallen.
Gerade rechtzeitig, wie es schien, denn er hatte bereits erneut ausgeholt und schlug mit seiner verbleibenden Hand, gegen die Stelle seines Körpers, an der sie eben noch gehangen hatte.
Durch den Matsch am Boden, versuchte sie so schnell wie möglich zu Hershel zu gelangen, doch rutschte sie immer wieder weg und fiel einmal komplett nieder.
Keuchend richtete sie sich wieder auf, doch packte der Titan sie nun wieder und riss sie mit einer enormen Geschwindigkeit vom Boden in die Luft.
Zischend zog sie die Luft in ihre Lungen, da der Titan ihr diese zum Atmen nahm.
Ihre Arme waren frei, weswegen sie mit ihrer verbleibenden Klinge ausholte und versuchte seine Finger zu durchtrennen, doch gelang es ihr aus dieser Position nicht.
Dampf stieg lediglich aus den Wunden aus und verheilten wieder.
Immer näher brachte er sie seinem Maul, welches er schon weit aufgerissen hatte und in einem weiteren Versuch sich freizuschneiden, zerbarst ihre Klinge, flog ihr entgegen und schnitt ihr schmerzhaft durch die Haut an ihrem Wangenknochen.
Sie spürte ein scharfes Brennen und Blut aus der Schnittwunde fließen.
Es war so heiß, das es sogar deutlich durch den kalten Regen auf ihrem Gesicht zu spüren war.
„Teamleiterin!", hörte sie Hershel rufen, doch war sie so gehetzt, das sie ihn gar nicht erst versuchte am Boden auszumachen.
Immer wieder stach sie mit der zerstörten Klinge auf die Finger des Titanen ein, welcher sich nicht ein Stück dafür interessierte, wie sie wusste.
Schmerzempfinden war nicht vorhanden, das wusste sie, dennoch wollte sie nicht kampflos untergehen.
„Ich höre Reiter!", rief er und nun konnte Eysa ihn im Matsch kriechen sehen und rief: „Verschwinde endlich von hier!"
Wenn er wirklich Reiter hören konnte, dann musste der Sturm sich langsam legen, doch nahm sie nichts weiter wahr, als den Titanen vor sich.
Als er Eysa nahe genug an seinen Mund gebracht hatte riss er diesen noch weiter auf, legte den Kopf in den Nacken und ließ sie in das schwarze Loch fallen, das sein Mund war.
Ihr Körper kam auf seiner Zunge auf und seine Zähne schlossen sich um ihren Körper, doch noch während sie über den glitschigen Speichel auf den Rachen zu rutschte, während er versuchte sie in einem Stück zu schlucken, ging ein Ruck durch diesen gewaltigen Körper und Klingen schoben sich zwischen den Zähnen vorbei und versuchten den Kiefer aufzustemmen.
Als die Muskeln des Titanen soweit verdampft waren, das der Kiefer sich einfach öffnete, kletterte Eysa hustend über die Zunge ins Freie, wo eine Hand nach ihrem Arm griff und sie dann fest an sich zog.
Mit großen Augen und zittrigen Gliedern, hatte sie ihrem Tot doch ins Auge geblickt, sah sie zu Mike auf, welcher Sorge zeigte, als er seine Augen über ihren Körper und ihr Gesicht gleiten ließ.
Doch ehe Eysa etwas sagen konnte, hörte sie Hannahs Stimme rufen: „Teamleiterin!"
Mike ließ sie los, als Hannah auf sie zustürmte und besorgt auf sie einsprach: „Geht es ihnen gut? Wir hatten solche Sorge."
Verwirrt sah Eysa sie an und spürte dann Mikes Hand auf ihrer Schulter: „Dein Team kam auf uns zugeritten und berichtete, das ihr Hilfe bräuchtet."
Eysa sah wieder zu ihm auf und nickte noch immer schwer atmend, da ihre Rippen sich nicht gut anfühlten.
Doch da sie noch lebte und atmete, waren sie wohl nicht gebrochen.
„Ja, ihr seit in letzter Sekunde gekommen", gab sie erleichtert wieder.
Mike drückte kurz ihre Schulter und Eysa sah sich dann auf der Lichtung um, auf der sich der Nebel langsam verzog und die Wolken am Himmel aufbrachen, sodass Sonne alles um sie herum erhellte.
„Sind alle... sind alle am Leben?", fragte sie Hannah, welche nickte: „Ja, dank ihnen."
Eysa gab einen Laut von sich, der sowohl Staunen, als auch Lachen war.
„Nein", schüttelte Eysa den Kopf und erntete einen verständnislosen Blick, „nur danke euch, leben Hershel und ich noch."
Eysa trat auf sie zu, legte, wie Mike eben bei ihr, kurz eine Hand auf ihre Schulter und drückte diese leicht.
Es war ein Zeichen der Anerkennung und Dankbarkeit, welches Hannah errötend annahm.
Ihre Augen leuchtete freudig und stolz, ehe sie an ihr vorbei zu Hershel lief, welchen man auf einen Wagen half.
„Sein Bein ist gebrochen, wie es scheint", sagte gerade einer aus Mikes Gruppe und Eysa sah besorgt zu Hershel hinüber.
„Sie haben mich gerettet", keuchte dieser jedoch voller Schmerz auf und ließ sie ihr Gesicht verziehen.
Sie hatte den Titanen lediglich davon abgehalten ihn zuerst zu fressen.
Wenn Mikes Gruppe nicht aufgetaucht wäre, dann...
„Was macht ihr überhaupt hier?", fragte sie ihn daraufhin, als er wieder näher kam.
„Du warst in der Formation doch viel weiter links von meinem Trupp."
Er grinste leicht verzweifelt: „Wir sind bei dem Sturm wohl vom Weg abgekommen."
Eysa lachte nervös auf und sah ihn dankbar an.
Sie wusste, das es nicht der Sturm allein gewesen sein konnte, der ihn zu ihr geführt hatte.
Sie kannte schließlich seine gute Nase.
Dankbar ergriff sie nun seine Hand und drückte diese leicht.
„Ein grünes Rauchsignal!", rief Mia, woraufhin Eysa und Mike in die Richtung sahen, in welche sie zeigte.
„Das wird Abteilungsführer Smith und Kommandant Shadis sein. Sicher rufen sie alle verstreuten Truppen zu sich", sagte Hannah und Eysa nickte.
„Dann sollten wir nicht weiter zögern", gab sie zurück und ließ Mikes Hand los.
„Hast du zufälligerweise ein Pferd übrig?", er sah nickend zu ihr hinab.
Anscheinend hatten auch sie Leute verloren, denn sonst hätte er nicht weniger Soldaten als Pferde über.
Bei ihrem Trupp starb Marlo und Hershel wurde schwer verletzt, während Carolina noch immer unter Schock zu stehen schien.
Aber sie lebten, das war die Hauptsache.
Sie wusste nicht, ob ihre Entscheidung sie wegzuschicken, die Richtige war, aber das sie lebten, war das Einzige, das zählte.


Broken Wings of FreedomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt