Eine neue Expedition

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Als Erwin erwachte fühlte er sich so erholt wie schon lange nicht mehr.
Nachts konnte er kaum schlafen, hatte seinen Kopf voller Gedanken an kommende Expeditionen, Formationspläne und... er setzte sich auf seinem provisorischen Lager am Boden des Bettes auf und blickte zu Eysa hinüber.
Nie zuvor hatte er sie so gesehen.
Sie lag auf der Seite, Ihm zugewandt, die Augen geschlossen, das Gesicht völlig entspannt.
Das Licht, das durch die Gardine seines Fensters schien, ließ Ihr helles Haar regelrecht leuchten, die Sommersprossen, die er an Ihr schon immer faszinierend fand, kehrten allmählich in Ihr Gesicht zurück und verliehen Ihr wie früher, diesen gesunden Teint.
Dich am meisten fesselte gerade Ihr Mund seine Aufmerksamkeit.
Leicht geöffnet und rosig.
Wenn er sich über sie beugen würde, würde er dann Ihre warmen Atem spüren, oder atmete sie eher durch die Nase?
Würde sie auch am frühen Morgen nach diesem dezenten Duft riechen, den Ihr Körper immer schon zu eigen war?
Leicht blumig, fast wie die Kirschblüten, die fast ausschließlich innerhalb von Mauer Sina wuchsen.
Er wollte sie berühren, wollte Ihre Nähe genießen, die er sich all die Jahre versagt hatte, wollte sie endlich küssen dürfen und so vieles mehr, das nur Mann und Frau miteinander teilten.
Aber sie hatte Ihm unmissverständlich klar gemacht, das sie dazu zum gegenwärtigen Zeitpunkt, mit keinem Mann in der Lage wäre.
Zudem war sie mit diesem Ian Dietrich von der Mauergarnison auf dem Frostfest, warum also sollte sie sich für Erwin interessieren?
Vielleicht sollte er Ihr einfach weiterhin ein Freund sein, wie er es jetzt gerade war und wie er es die letzten Jahre versäumt hatte zu sein.
Sollte er Ihr nämlich seine verwirrenden Gefühle offenlegen und sie würde Ihn ablehnen, was würde das dann aus Ihrer Freundschaft machen, die sie Ihm wieder gewährte, trotz seiner jahrelangen Ignoranz?
Vorsichtig streckte er die Hand nach Ihr aus, konnte sich einfach nicht länger zurückhalten und strich Ihr eine Ihrer wirren Strähnen über die Wange, hinter das Ohr.
Das Haar, das sie früher immer Hüftlang getragen hatte und das nun lediglich noch bis knapp unter Ihre Ohren reichte.
Es gefiel Ihm, auch wenn sie Ihm vorher auch immer gefallen hatte.
Er war ein Narr gewesen, Marie schön zu finden, gar exotisch, denn alles was Ihn ansprach, verkörperte doch Eysa.
Hatte sie immer schon.
Seine Berührung, wenn auch federleicht, veranlasste sie dazu zusammenzuzucken, die Augen zu kneifen und sich auf die andere Seite des Bettes zu drehen.
War seine Berührung so unangenehm?
Oder lag es einfach an den Dingen, die Ihr in diesem verfluchten Bordell widerfahren waren?
Unsicher atmete er tief durch und erhob sich.
Er räumte die Bettsachen fort, ergriff Kleidung und wusch sich an der Waschschüssel, den Blick stets auf Eysa gerichtet.
Sollte sie erwachen, ehe er angezogen war, wäre Ihm das unangenehm?
Wäre es Ihr unangenehm Ihn so zu sehen?
Ode würde es sie erregen, wie es Ihn erregen würde, sie nackt sehen zu können?
Sie verwirrte Ihn seit jeher und er wünschte sich, das nicht alles so kompliziert zwischen Ihnen wäre.

Eysa riss erschrocken die Augen auf, kalter Schweiß klebte Ihr Ihre Kleidung an den Körper und Ihre Atmung ging schnell und schwer.
Erschrocken blickte sie hinauf an die Decke des Zimmers, spürte Ihr Herz heftig in Ihrer Brust zerspringen und Ihre Finger krallten sich unbewusst in den Stoff Ihres Pullovers an Ihrer Brust.
Sie war nicht verwirrt, wusste sofort wo sie sich befand, dennoch war es schwer zu begreifen, das sie nicht einfach aufstehen und zeichnen konnte, um Ihre Gedanken zu beruhigen.
„Du bist schon wach?", hörte sie Erwins ruhige Stimme und drehte den Kopf leicht zur Seite.
Er stand an seinem Schrank und holte gerade seine Jacke heraus, um diese anzuziehen, was Ihr sagte, das auch er schon eine Weile wach gewesen sein musste, um nun komplett angezogen zu sein.
Langsam richtete sie sich auf, ließ den Stoff Ihres Pullover los und schob sich an den Bettrand.
Selbst die Decke und das Kissen auf dem Boden, waren fort.
Er musste wirklich schon eine Weile auf sein.
Den Atem langsam beruhigend, sah sie zu Ihm auf und nickte: „Ja, ich... ich habe dich sicher geweckt. Verzeih."
Erwins Blick wurde sanft und sie schämte sich, das er sie vielleicht von Albträumen gequält gesehen haben musste.
Sie konnte nur hoffen, das sie nicht wieder geschrien hatte, das wäre Ihr mehr als unangenehm.
„Du hast mich nicht geweckt. Im Gegenteil, ich wurde wach, weil die Sonne schon so tief am Himmel stand. Ich habe besser geschlafen als sonst."
Errötend senkte Eysa den Blick, da auch sie das Gefühl hatte deutlich sicherer geschlafen zu haben.
„Heute habe ich einiges zu tun, immerhin steht unsere nächste Mission an."
Das war wohl ein dezenter Hinweis darauf, das er alleine sein wollte, weswegen sie langsam aufstand und auf die zerwühlten Laken blickte.
„Ich werde darum bitten, das du Neue bekommst", murmelte sie und zog sich Ihre Alltagsschuhe an.
„Schon gut, das kann ich machen", gab er wieder und sie lächelte Ihn leicht an, doch erreichte er nicht Ihre Augen.
„Danke das ich die Nacht hierbleiben durfte", dabei wandte sie sich zur Tür: „Ich hoffe mich sieht keiner, damit niemand Gerüchte in die Welt setzt."
Leicht rot, bei dem Gedanken, hörte sie Erwin lachen: „Mich kümmern Gerüchte nicht. Lass die anderen doch reden."
Überrascht sah sie zu Ihm auf, doch wandte sie sich schnell wieder ab: „Nein... das... das muss nicht sein. Sie reden ohnehin schon zu viel hinter meinem Rücken. Das... gefällt mir nicht."
„Verstehe. Ich will damit auch nur sagen, das es mich nicht stören würde. Wir Beide würde schließlich die Wahrheit kennen."
Ja, das würde sie, und dennoch...
Schnell senkte sie den Blick gen Boden, obwohl er ohnehin nur Ihren Rücken sehen konnte und ergriff die Türklinke: „Ich denke, ich werde noch etwas laufen gehen. Danke nochmal Erwin...", nuschelte sie und verließ Ihn schnell.
Es war sonderbar mit Ihm zu versuchen normal zu sprechen, immerhin hatten sie jahrelang kaum ein Wort gewechselt und nun waren sie... was? Wieder Freunde?
Noch ehe er etwas sagen konnte und sie war sich sicher, das er das ohnehin nicht wollte, schloss sie leise hinter sich die Tür und lief nach draußen auf den Platz.
Es war unsinnig sich vorher zu duschen, immerhin trug sie sowieso Sportkleidung und schwitzte.
Lange lief sie und als sie das Gefühl hatte, Ihre Beine könnten sie nicht mehr tragen, ging sie in Ihr Zimmer, wo sie sich frische Kleidung herausholte und dann zu den Duschen ging.

Eine Woche später:

Vor Ihnen lag ein Wald, dessen Bäume erstaunlicherweise genauso hoch gewachsen waren, wie die Bäume das Baumriesenwalds.
Eigentlich sollte es unmöglich sein, doch war aus der Ferne schon deutlich der Titan zwischen den Verästlungen zu erkennen.
„Alle Man, Gefechtsbereit!", rief Shadis aus und Eysa hielt die Zügel Ihres Pferdes fester in Ihren Händen.
Wie immer, wenn sie außerhalb der Mauern waren, war sie nervös und spürte die Aufregung in Ihrem Innern.
Jedes mal aufs Neue fragte sie sich, ob sie wirklich alle wieder zurückkehren würden und wenn nicht, wer von Ihnen da draußen seinen Tot finden würde.
„Wir haben nur ein Zielobjekt! Und wir werden es zur Strecke bringen!"
Er und auch alle anderen, gaben Ihren Pferden das Signal schneller zu laufen und die riesigen Bäume, sowie der Titan, welcher sicher der 15 Meter Klasse einzuordnen war, ragten immer höher über Ihnen auf, je näher sie kamen.
„Entfernung zum Zielobjekt 400 Meter!", hörte sie Erwin neben sich rufen.
„Es kommt direkt auf uns zu!"
Shadis Stimme rief lauf über alle Gruppen hinweg: „Teilt euch wie im Training auf. Meine Gruppe spielt den Lockvogel!"
Seine Stimme wurde sofort von Erwins abgelöst: „Entfernung noch knapp 100 Meter!"
„Alle Angriffsteams übergehen zum 3D-Manöver!", befahl Shadis und sofort löste Eysa die Riemen vom Holster und nahm die Griffe in die Hand, mit welchen sie die Anker abfeuerte und sich zu den Bäumen hinaufzog.
Überall um sie herum war das Rascheln der Blätter und der girrende Ton, der Apparate Ihrer Kameraden zu hören, welche sich alle hinaufschwangen.
„Greift es von allen Seiten gleichzeitig an!"
Abwechselnd schossen sie Ihre Anker in den Körper des Titanen und zerschnitten Ihm die Sehnen der Arme und Beine, sodass er sie nicht angreifen konnte.
„Jetzt zeigen wir dir, was wir Menschen drauf haben!", hörte sie Erwins Stimme deutlich über die anderen hinweg und sah noch, wie er auf den Nacken zu stob und wie der Titan schon im nächsten Moment in sich zusammensackte und langsam verdampfte.
„Gute Arbeit", hörte sie Shadis sagen und langsam ließen sie sich wieder auf den Boden des Waldes hinab.
„Heute ist ein guter Tag", hörte sie Shadis noch sagen, als auf einmal erneut laute Rufe ertönten und denen kurz darauf Schreie folgten.
„Titanen! Sie kommen auf uns zu...", doch auch dieser Ausruf von Moses Braun ging in einem angsterfüllten Schrei unter, und Eysa sah gerade noch, wie ein Titan Ihn packte und in sein riesiges Maul schob, ehe er zubiss und nur Moses Arm hinabflog.
„Verdammt! Geht sofort wieder über in den 3D-Manöver Angriff!", befahl Erwin und alle stoben wieder hinauf in die Bäume.
Hier im Wald hatten sie keine Rauchgranaten sehen oder abfeuern können, weswegen der gesamte Trupp beisammen geblieben und nun an diesem Ort auf einem Haufen dem Feind ausgeliefert war.
„Mehrere kleine Gruppen nehmen sich jeweils einen Titanen vor!", rief nun Eysa und wandte sich Ihrer Einheit zu, deutete auf einen 10 Meter Titanen, um den sie sich sogleich zusammen kümmerten.
Marcel schlitterte über den Boden, durchtrennte dessen Fersensehnen und Claire, die an den Schultern, ehe Eysa sich in den Nacken hakte und diese durchtrennte.
Nachdem sie Ihren Titanen erlegt hatten, halfen sie auch noch Mikes Team, Ihren zu erlegen, ehe sie sich umsahen und feststellten, das alle Titanen vernichtet waren.
Aber zu welch hohen Preis.
Überall lagen tote herum und verdampfende Titanen.
Shadis stand vor dem Arm von Moses Braun und befahl diesen und alle anderen Toten und dessen Überreste mitzunehmen, ehe sie begannen die Verwundeten auf einen Karren zu legen.
Danach setzten sie sich alle niedergeschlagen und unsagbar still auf Ihre Pferde, ehe Shadis den Befehl zum Rückzug nach Shiganshina gab.


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