Wünsche im Leben

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„Vater scheint ihn nicht zu mögen", jammerte ihre kleine Schwester Nina und biss unglücklich in ihr Gebäck.
Eysa hingegen konnte über ihr jugendliches Jammern nur schmunzeln: „Er mag ihn, er..."
Fast einen Monat, nachdem Eysa dem Aufklärungstrupp beigetreten war, hatte Nina ihr von ihrem Schwarm berichtet.
Andrew Floyd.
Im Grunde war es wenig überraschend, das sie sich in diesen Jungen verliebt hatte, immerhin kannten die Evergreens die Foyds seitdem ihre Eltern damals die Bäckerei erwarben.
Er war der Sohn des Handwerkers in der Stadt, was wohl das eigentliche Problem darstellte, denn ihr Vater hatte immer gehofft, das Eysa eines Tages einen Mann heiraten würde, der mit ihr zusammen die Bäckerei weiterführte.
Doch als sie sich dem Militär verschrieben hatte, hatte er seine Hoffnungen diesbezüglich auf Nina gesetzt.
Und diese kam ausgerechnet mit dem Sohn eines Handwerkers an, der mit ziemlicher Sicherheit das Geschäft des eigenen Vaters weiterführen würde.
Ninas und Eysas Vater war verrückter weise sogar laut geworden und hatte ihr diese Beziehung verboten, was natürlich nur eine Kurzschlussreaktion seinerseits war.
Jedoch hatte diese Reaktion von ihm gereicht, um Nina zu verunsichern.
Andrew war ein guter Junge und würde Nina versorgen können, denn der Beruf eines Handwerkers war genauso wichtig wie ein Bäcker.
„... hatte nur gehofft, das jetzt, wo ich ihm keinen Bäcker nachhause bringe, du es tust. Andrew genießt seinen Respekt, das hat er schon immer. Er weiß nur leider, das Andrew kein Bäcker werden wird", erklärte Eysa ihr, was sie seufzen ließ.
„Aber ich will keinen Bäcker! Ich will Andrew. Ich wollte immer ihn, so wie du immer nur Erwin wolltest. Es...", „Moment!", unterbrach Eysa ihre Schwester mit erhobenen Händen, sodass diese sie verwirrt ansah.
„Wie kommst du darauf, das ich... Erwin will?"
Verdutzt sah Nina sie an: „Willst du nicht? Ich nahm immer an, das ihr schon lange zusammen seid und irgendwann heiraten würdet. Sogar Vater meinte neulich, das er nur darauf wartet, das Erwin bei ihm um deine Hand bittet."
Eysa starrte ihre Schwester mit offenem Mund ein und überlegte was sie sagen sollte.
Erwin und sie waren seit ihrer Kindheit Freunde, so wie Andrew und ihre Schwester seit der Kindheit Freunde waren, jedoch hatten diese Gefühle füreinander entwickelt, Erwin und Eysa nicht.
Oder doch?
Schon länger fragte sie sich, warum es sie so gestört hatte, das Erwin Marie so angesehen hatte, wie Nile sie angesehen hatte.
Aber hieß das gleich, das sie Gefühle hatte?
Zudem erwiderte er diese doch offensichtlich nicht, wenn er eine andere so ansah.
Denn Fakt war, er hatte Eysa niemals so angesehen.
Nie.
„Erwin und ich, wir sind nur Freunde und das wird sich in Zukunft auch nicht ändern", sprach sie nun langsam und etwas überbetont.
„Nun, das erstaunt mich jetzt", murmelte sie und musterte ihre Schwester genau, als könnte Eysa etwas verbergen, was ihre Gefühle betraf.
„Du schwindelst mich doch nicht an, oder? Ich bin immerhin deine Schwester und sollte so etwas schon wissen."
Ninas leichtes Schmollen, ließ sie leise auflachen: „Ich schwindel nicht, versprochen. Du wärst du Erste, die etwas erfahren würde."
„Gut", sagte sie in völlig ernstem Ton, doch verschwand kurz darauf das Schmollen aus ihrem Gesicht und sie sah Eysa wieder unsicher an: „Andrew möchte mich heiraten. Das ist der Grund, warum ich mit Vaters Ablehnung nicht umgehen kann."
Eysa, die gerade einen Schluck Tee zu sich nehmen wollte, hustete auf, als sie drohte an der Flüssigkeit zu ersticken: „Ihr... wollt heiraten?"
Nina war gerade einmal 14 Jahre alt und definitiv zu Jung, um sich schon jetzt an einen Mann fest binden zu können.
„Nun, wir werden natürlich noch ein paar Jahre warten, oder zumindest will er das, bis ich alt genug bin. Meiner Meinung nach könnten wir allerdings auch schon Morgen heiraten, meine Einstellung würde sich diesbezüglich auch in 3 Jahren nicht ändern", erzählte sie entschlossen.
Eysa musterte ihre kleine Schwester, die so viel Weltoffener war in Bezug auf Männer, als Eysa.
Sie wusste auch das sich in 3 Jahren die Einstellung ihrer Schwester nicht geändert haben würde, aber zu jung war zu jung.
Wenigstens war Andrew ein Gentleman, schüchtern, unsicher und unglaublich lieb, so dass sich Eysa darüber keine Gedanken machen musste.
Dieser Tag war wirklich eine Überraschung, erst ihre Worte über sie und Erwin und jetzt eine Heirat.
Was würde als nächstes kommen?
„Vater würde es ohnehin nicht erlauben", seufzte sie auf und legte das Gebäck auf den Teller vor sich und starrte aus dem Fenster zu Vaters Bäckerei hinüber.
„Doch das wird er. Er mag ihn. Lass ihn nur über den anfänglichen Schock hinwegkommen. Seine Enttäuschung überwinden, dann wird er einsehen, dass es für dich keinen besseren Mann geben kann."
Nina sah ihre Schwester mit ihren blauen Augen an und schmunzelte leicht über ihr sommersprossiges Gesicht.
„Andrew und ich werden am Samstag noch einmal mit ihm sprechen. Er wird ja sagen, da bin ich mir sicher!", sprach sie zuversichtlich und fügte dann murmelnd hinzu, „hoffe ich zumindest."
Eysa sah deutlich ihre Nervosität und wie sie fest die Hände zu Fäuste ballte, sodass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten.
„Vater vergöttert uns, er würde dir nie verwehren den Mann zu heiraten, den du so sehr liebst."
Sie nickte leicht und ergriff über den Tisch hinweg Eysa Hand.
„Was ist mit dir, hast du dir nie ein normales Leben gewünscht? Einen Mann der an deiner Seite ist und... Kinder? Wenn es allem Anschein nach nicht Erwin ist, kannst du dir das mit einem anderen Vorstellen?"
Eysa sah auf ihre ineinander verschränkten Hände hinab und dachte an diese Lieben, das ihre Schwester gerade beschrieb.
Sofort kamen ihr ein Paar heller, himmelblauer Augen in den Sinn, welche sie unergründlich musterten.
Sofort verdrängt sie diesen Gedanken und tat ihn damit ab, das das nur daran lag, weil sie kurz zuvor über ihn gesprochen hatten.
„Nein, für mich gibt es nur den Trupp. Ich denke nicht,... das heiraten und Kinder kriegen, das ist was ich mir wünschen würde."
Lüge.
Es war eine glatte Lüge.
Eysa hatte sich dem Aufklärungstrupp verschrieben, wegen Erwin und Mittlerweile, weil sie sich einredete, diese Welt besser und größer für die Menschheit und ihre Schwester zu machen.
Betrübt musterte sie Eysa: „Das ist irgendwie,... traurig."
Kurz seufzte sie und meinte dann: „Kein Mann, der Augen im Kopf hat, wird dir lange widerstehen können. Also verlassen wir uns auf diese trübsinnige Zukunft lieber nicht", grinste sie dann.
„Vielleicht solltest du dir das mit Erwin doch nochmal unter die Augen führen. Wer weiß, vielleicht ist er ja doch der Richtige für dich", ihr Lächeln wurde schelmisch und Eysa schüttelte ebenfalls lächelnd den Kopf.
„Aber nun habe ich deine Aufmerksamkeit genug gefangen genommen. Du musst sicher wieder zurück zur Kaserne?"
Leicht nickte Eysa und erhob sich langsam: „Schreib mir, wenn ihr mit Vater gesprochen habt."
Eifrig nickte Nina: „Gut."
Sanft küsste Eysa Nina aufs Haar, bezahlte für sie beide und verließ das Cafè, um zurück zur Kaserne zu reiten.


Broken Wings of FreedomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt