Einige Tage waren seither vergangen.
Tage, in denen Eysa Erwin stets aus dem Weg gegangen war und auch Mike, Hanji und Levi, eher dürftig gesprochen hatte.
Sie wusste nicht, wie sie mit Ihnen sprechen sollte, ohne das sie sie ansahen, als würde sie jeden Moment zerbrechen.
Zudem fühlte es sich auch an, als könnte sie jeden Moment auseinanderfallen.
Nachts konnte sie nicht mehr durchschlafen, ohne von Albträumen gequält zu werden, was dazu führte, das sie tagsüber, müde und ausgelaugt war.
Sobald sie Nachts Ihre Augen schloss, sah sie Ihn.
Sie sah seine hohe Gestalt, sein wirres, dunkles Haar, seine gebräunte Haut, seine grauen Augen, die feinen Linien, die sich um jene gegraben hatten, wenn er sein charmantes, jedoch kühles Lächeln aufgesetzt hatte.
Sein Körper hatte den Ihren bei weitem überragt, sowohl an Größe, als auch an stärke.
Sie hatte nicht einmal mithilfe Ihrer Ausbildung im Nahkampf eine Chance gehabt.
Immer wieder wurde sie ruckartig aus Ihrem unruhigen Schlaf gerissen und rang jedes Mal nach Atem.
Versuchte die Panik niederzuringen, welche von Ihrem Verstand Besitz ergriff.
Auch in dieser Nacht war es wieder so.
Doch als sie dieses Mal keuchend am Bettrand saß, eine Hand in den Stoff Ihres Nachthemdes an der Brust verkrampft, da entschloss sie sich, nicht noch einmal zu versuchen wieder einzuschlafen.
Dieses vergebliche Unterfangen hatte sie in den Nächten davor immer wieder unternommen, doch es hatte nichts genützt.
Sie hatte stets wachgelegen und an die Decke über sich gestarrt.
Eysa lockerte langsam Ihre Finger um den Stoff Ihres Nachthemdes, als Ihr Atem sich soweit beruhigt hatte und sah sich in dem dunklen, einsamen Zimmer um.
Seit sie unter Erwins Kommando Teamleiterin geworden war, schlief sie in einem Einzelzimmer, etwas das Ihr am Anfang eher ungewohnt und komisch vorgekommen war, sie aber jetzt mehr als beruhigte.
So musste sie sich wenigstens keine Gedanken darum machen, wen sie durch Ihren unruhigen Schlaf, jede Nacht alles wecken würde.
Mit zitternden Beinen stand sie schließlich auf, entzündete eine Kerze auf Ihrem schmalen Tisch und setzte sich langsam dort nieder.
Einen Moment starrte sie noch auf das raue, Nussbaumholz der Tischplatte und im nächsten, ergriff sie Ihre Zeichenunterlagen und eine Stift.
Der Stift flog förmlich über das gelbliche Papier und sie zeichnete wie eine Besessene, wild drauf los.
Immer wieder war es das gleiche Gesicht, Nacht für Nacht, nur aus den verschiedensten Perspektiven und Winkeln.
Er hatte immer wieder andere Ausdrücke im Gesicht, wobei die kalten Augen, jedoch immer gleich blieben.
Sie spürte Ihr Herz in Ihrer Brust heftig pochen und sich schmerzhaft zusammenziehen.
Sie wusste nicht wie viele Stunden, ab dieser Nacht so dasaß und einfach nur immer wieder Jered O'Tool malte.
Doch es endete jedes Mal auf die gleiche Weise.
Sie hörte immer dann auf zu malen, wenn sie sich leer fühlte, befreit von allen Gedanken und Gefühlen gegenüber dieses Mannes.
Sie legte Ihren Stift beiseite, die Finger grau vom Blei und starrte auf die Zeichnungen hinab, die alle voll waren mit dem gleichen bedrohlichen Gesicht.
Es war, als hätte sie in jedes dieser Bilder etwas von sich selbst hineingelegt, das sie dann als leeres Gefäß zurückließ.
Als wenn sie jeden Schmerz, jede Trauer, Verlust, Liebe und Freude, durch diese Bilder, verloren hätte.
Sofort stand sie auf, legte den Stift aus der Hand, räumte hektisch alle Zeichnungen zusammen und stopfte sie grob in einen Umschlag, welchen sie in der Schublade Ihres Tisches versteckte und wusch sich an der kleinen Waschschüssel, die Hände.
Als sie sämtliches Blei von den Händen abgewaschen hatte, blickte sie auf und sah erschrocken in den Spiegel über der Schüssel.
Ihr sonst so sonnenbrauner Taint, war fahl und blass.
Ihre blauen Augen, waren ohne jeden Ausdruck und Ihre Lippen, so hell, wie Ihre Haut.
Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und Ihr Haar fiel Ihr in wirren Strähnen um das Gesicht.
Ihr Haar... es reicht Ihr bis zur Hüfte und mit einem Mal hasste sie es.
Hasste das Kleid Ihrer Mutter, das sie Im Spiegel hinter sich am Schrank hängen sah.
Sie verspürte den Drang nach Veränderung und griff fahrig nach der Schere auf dem Tisch, ehe sie eine der langen, hellen Strähnen anhob und kurz unter dem Kinn, einfach abschnitt.
Das Gefühl der Erleichterung, welches sie dabei durchströmte, zwang sie dazu weiterzumachen.
Eysa nahm eine Strähne nach der Anderen und schnitt sie ab, das machte sie so lange, bis Ihr gesamtes Haar nur noch Knapp bis unter die Ohren reichte.
Hin und wieder versuchte sie es zu begradigen, damit es nicht krumm und schief aussah, doch im großen und ganzen, war es Ihr ohnehin gleich.
In feinen Wellen, fiel es Ihr nun um das Gesicht und sie schluckte schwer, als sie sich selbst kaum wiedererkannte.
Die Jugend und Unschuld, welche bis vor kurzem in Ihrem Blick gelegen hatte, war fort und der Haarschnitt ließ sie zudem auch reifer wirken.
Ihr Kopf fühlte sich auf einmal so leicht an und es war, als wäre die Schwere der Last von Ihr gefallen.
Vielleicht war dies Ihr Neuanfang?
Eine Veränderung, die sie gebraucht hatte?
Sie fuhr sich unwirsch über das Gesicht und durch Ihr Haar, ehe sie die Schere mit der anderen Hand wieder weglegte und das abgeschnittene Haar in den kleinen Eimer neben dem Tisch schmiss.
Als die Sonne langsam durch Ihr Fenster schien und einen neuen Tag ankündigte, pustete sie die Kerze wieder aus, da es ohnehin langsam Zeit zum aufstehen wurde.
Sie zog sich aus, sah noch immer die blauen Flecken an Ihrem Körper, welche entstanden waren, als Jered O'Tool und sie miteinander gerungen hatten.
Sie wandte den Blick ab und begann sich mit dem kalten Wasser aus der Schüssel zu waschen.
Danach zog sie sich Ihre Trainingskleidung an und ging hinaus, um zu laufen.
Etwas, das sie normalerweise jeden Morgen tat, aber seit dem Frostfest nicht wieder hatte tun können.
Vielleicht konnte sie nun Ihr Leben wieder aufnehmen?
Gras über die Sache wachsen lassen?
Vielleicht hatte es geholfen Ihn Nachts immer wieder zu Zeichnen?
Vielleicht.
Zumindest redete sie sich das ein.
DU LIEST GERADE
Broken Wings of Freedom
RomanceEysa Evergreen, welche zusammen mit Erwin Smith aufwuchs und aufgrund einer vergangenen Schuld ebenfalls dem Aufklärungstrupp beitrat, entdeckt im Laufe der Jahre ihre Gefühle für den einstigen Kindheitsfreund und Kameraden. Doch können diese Gefühl...