Mike

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Eine Woche verging und der Abend der Auswahlzeremonie würde am nächsten Tag beginnen.
Aufgeregt wie sie war, konnte sie nicht schlafen und verließ daraufhin den Mädchenschlafraum.
Es waren die letzten Momente in denen sie sich darüber klar werden konnte, ob sie diesen Weg, den sie eingeschlagen hatte, wirklich weitergehen und Erwin folgen wollte, oder ob sie doch die Mauergarnison wählen sollte, denn unter die 10 Besten war sie nicht gekommen, um die Militärpolizei wählen zu können.
Draußen angekommen, atmete sie erst einmal tief durch und schloss frustriert die Augen.
Seit einer Woche, oder eher seit dem Tag in der Bar, hatten Nile und Erwin nicht wieder miteinander gesprochen.
Zudem war Nile oft aus gewesen, wenn das Training vorbei gewesen war, um sich mit Marie zu treffen
Seufzend stieß sie einen Stein am Boden vor sich hin und erwartete wohl ein Wunder, welcher ihre Freundschaft retten würde.
Doch wie wahrscheinlich war das schon?
Eysa zuckte erschrocken zusammen, als etwas sie, wenn auch nicht schmerzhaft, an der Schulter traf.
Sofort wandte sie sich um, doch hinter ihr war niemand, weswegen sie die Stirn runzelte.
„Hier oben", hörte sie eine leise Stimme und blickte auf.
Mike saß auf dem Dach der Kaserne und winkte sie zu sich.
Breit lächelte sie, da sie mit ihren Gedanken nun nicht mehr alleine sein würde und lief hinein, um dann die Treppe und die Leiter hinauf, aufs Dach zu steigen. Wo sie sich neben ihn setzte und die Beine an die Brust zog.
„Du kannst wohl auch nicht schlafen?", fragte sie leise und lehnte ihren Kopf an seine Schulter, während sie zu den Sternen aufblickte.
„Mhm", gab Mike von sich und sah ebenfalls hinauf.
Lange schwiegen sie, saßen einfach nur so da, genossen die Zweisamkeit, ehe Mike das Wort ergriff: „Nile hat erzählt, das Marie keinen Mann vom Aufklärungstrupp möchte, da die Gefahr zu groß wäre, dass er von einer Expedition nicht zurückkehrt."
Erstaunt setzte sie sich wieder aufrecht hin und ließ die Beine über den Rand des Daches fallen: „Und das heißt jetzt, was genau?"
Er zuckte die Schultern: „Das heißt, denke ich wohl, dass Nile sich bereits entschieden hat nicht dem Aufklärungstrupp beizutreten."
Mit offenem Mund und völlig perplex starrte sie ihn an: „Aber... er wollte doch alles tun, damit wir alle frei sein können."
Mike wandte sich ihr zu und seufzte: „Ich weiß. Aber ich mache ihm keinen Vorwurf. Ein Leben zu wählen, statt einer Passion, ist nicht verkehrt."
„Und Erwin?", fragte sie daraufhin zögerlich nach, da ihr nicht entgangenen war, dass auch er sich deutlich mehr für Marie interessiert hatte.
„Ich weiß es nicht. Er hat es zwar mitbekommen und ich denke Nile hat ees mit Absicht in seinem Beisein erzählt, doch hat er nichts dazu geäußert, sondern wie üblich still auf den Tisch gestarrt und nachgedacht", schüttelte Mike bedauernd den Kopf.
Nicht selten ließ Erwin sie alle bei seinen Gedanken außen vor, doch wünschte Eysa, das Mike dieses Mal deutlicher hätte sehen können, was Erwin gefühlt hatte.
„Er war seit dem Tag auch ein paar Mal in der Bar gewesen", gab er leise von sich und sah sie dabei undefinierbar an.
Überrascht sah Eysa zu ihm auf, hatte sie doch davon nichts gewusst und rang sich ein Lächeln ab: „Und? Das ist sein gutes Recht."
Mike betrachtete sie noch eine lange Zeit schweigend, ehe er sagte: „Du kannst deine Entscheidung auch immer noch ändern, weißt du? Niemand würde es dir vorwerfen."
Eysa verzog ein wenig das Gesicht und wusste das er Recht hatte.
Sie hatte doch vor wenigen Minuten doch selbst darüber nachgedacht, das sie diese Wahl hatte, oder nicht?
Doch schließlich schüttelte sie bedauernd, über das Leben das sie niemals führen würde, den Kopf: „Nein. Selbst wenn ich es nicht wegen Erwin tun würde, ich meinte es ernst, als ich sagte das ich es gerne wegen meiner Schwester tun würde. Für eine Welt in der es keine Grenzen gibt. Selbst für einfache Bäckertöchter."
Mike musterte sie, als könne er ihr bis auf den Grund ihrer Seele blicken und Eysa wusste, das er sie von allen dreien immer am Besten hatte lesen können, eben weil er genau hinsah und beobachtete.
Kurz nickte er verstehend und sah dann wieder zu den Sternen auf.
Der dunkelblaue Himmel, welcher in der Nacht fast schon schwarz erschien, wurde übersät von dutzenden, leuchtenden. Kleinen Punkten, welche die Nacht erhellten.
Selbst der Mond war voll und rund und deutlich zu sehen.
Dieser Anblick war atemberaubend, weil man sich leider selten die Zeit nahm ihn zu genießen.
„Ganz gleich was die Beiden tun werden", entschlossen betrachtete sie den Himmel über sich, „ich habe meine Entscheidung bereits gefällt. Auch wenn es schwer ist."
Mikes Mundwinkel verzogen sich zu einem leichten Lächeln.
Er hob leicht die Hand und legte sie ihr aufs Haar: „Ich meine auch", gab er daraufhin von sich und zum ersten Mal wusste Eysa mit Genauigkeit, wohin Mike vorhatte zu gehen und fragte sich, was seine Beweggründe für diese Entscheidung waren.
War er von Anfang an entschlossen gewesen, dem Aufklärungstrupp beizutreten, und wenn ja, was machte ihn so entschlossen?
Hatte er einst jemanden an die Titanen verloren und strebte deshalb die Freiheit der Menschen an?
Was auch immer es war, sie war erleichtert, das sie wenigstens ihn als Freund würde halten können, selbst wenn er nicht vorhätte in die selbe Einheit wie sie einzutreten.


Broken Wings of FreedomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt