22. Wasser

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Am nächsten Morgen wachte ich auf und fühlte mich echt miserabel. Ich streckte die Flügel und diverse Gliedmaßen durch und stand wankend auf. Die Sonne ging gerade erst auf und alles war noch rötlich gefärbt vom Licht.
Schleifend wanderte ich zum anderen Ende der Wiese, bis ich das Plätschern eines Wasserfalls hörte. Der Gedanke an ein Naturbad ließ mich vorfreudig grummeln und ich machte mich daran, das Gewässer zu finden. Bald darauf fand ich es auch und folgte dem Fluss bis zu einem rauschenden, tiefen Wasserfall. Ich sah an der Klippe herunter und erspähte mehrere badende Wandler in beiden Gestalten mit Familie und Freunden im Wasserbecken unter dem Wasserfall. Ich spannte die Muskeln an, ging in die Hocke und sprang, die Flügel eng an den Körper gepresst, den Wasserfall hinunter. In sicherer Entfernung zu den badenden Wandlern tauchte ich ins nasse Kühl ein und breitete, wie als würde ich fliegen, die Flügel aus. Ich öffnete die Augen und atmete tief ein. Es passierte einfach und ich stellte fest, dass ich unter Wasser atmen konnte. Geschmeidig tauchte ich bis zum Grund des Wasserbeckens und fühlte nach den aufgeregten, inneren Tieren über mir. Da tauchte ich wieder auf und sah mich um. Überall starrten mich Wandler in erster oder zweiter Gestalt an und senkten dann sofort die Köpfe. Sogar Großkatzen schwammen hier. Ich linkte ihnen, die Köpfe zu heben und mich bitte normal zu behandeln, was sie auch freudig taten. Ich ließ mich im Wasser treiben und 'legte' die Flügel auf die Wasseroberfläche, als diverse Kinder auf mich aufmerksam wurden und begannen, an mir hochzukrabbeln und mich als Rutsche zu benutzen. Ich ließ es mir gefallen und ließ die erwachsenen Wandler auch auf meinen Flügeln sitzen. Die waren wie Luftmatratzen und trieben auf dem Wasser.
Ich fand es echt cool, die fünf Elemente zu beherrschen. Dadurch waren so viele kleinere Sachen möglich und die machten einfach Spaß.

Etwas später verabschiedete ich mich von den anderen und schüttelte mir das Wasser vom Körper. Es fühlte sich wieder etwas besser an und so hob ich ab und steuerte mit kräftigen Flügelschlägen in Richtung meines Zuhauses.

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Ich landete wieder auf der selben Lichtung und verwandelte mich zurück. Trotzdem hatte ich immernoch ein irgendwie komisches Gefühl, aber es war auszuhalten, also ignorierte ich es einfach und suchte meinen Weg durch den Wald. Als ich im Lager der sly Wolves ankam, sah ich gerade, wie Jake in Wolfsgestalt meiner kleinen Schwester Lia hinterherrannte, welche ihm lachend auswich. Als sie mich sah änderte sie die Richtung und rannte mich fast um. Letzten Endes landete auchnoch ein bestimmter Wolf auf mir und schleckte mich gründlichst ab.

𝑆𝑜𝑤𝑎𝑠 𝑣𝑜𝑛 '𝑏𝑖𝑛 𝑎𝑚 𝐴𝑏𝑒𝑛𝑑 𝑤𝑖𝑒𝑑𝑒𝑟 𝑑𝑎.'

lachte er in meinen Kopf und ging von mir runter. Ich setzte mich auf, putzte mir den Schnee vom Pulli und kraulte Jake hinter den Ohren. Lia stand neben mir und sah uns mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Was?" fragte ich und pickte ihr in den Bauch. "Ich guck doch nur!" lachte sie und warf mir diesen 'Ulala-Blick' zu. Ich verdrehte die Augen und schupste sie spielerisch weg. Da kamen schon ein paar andere Rudelmitglieder vorbei und begrüßten mich. Ich stand auf und ließ eine kleine Flamme in meiner Hand auflodern, mit der ich den Schnee von meiner Kleidung schmelzen ließ. Und warm war es auch.

"Charon! Könntest du bitte die Pflanzen gießen?... Uns geht das Wasser aus." rief mir Maria und deutete grinsend auf die Beete hinter dem Haupthaus. Ich nickte und ging mitsammt Jake zu den Pflanzen. Dort angekommen bildete ich über den Pflanzenreihen dicke Wasserschnüre und ließ sie darauf fallen. Da spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und drehte mich um. "Charon, ich will nicht von dir getrennt sein, wenn du bei der Hall of fame lebst." flüsterte Jake und senkte den Kopf. Ich seufzte und hob seinen Kopf an Kinn an. "Denkst du, ich will das?" hauchte ich und sah ihm in die bedrückten Augen. Er schüttelte den Kopf und zog mich an der Hüfte nah zu sich. Sanft presste ich meine Lippen auf seine und öffnete leicht den Mund. Ich genoss den Zungenkuss einfach und mir war bewusst, dass ich ihn nicht verlassen wollte. Aber er musste hierbleiben. Sein und mein Rudel beschützen. Und Lia...

𝑊𝑎𝑠, 𝑤𝑒𝑛𝑛 𝑖𝑐ℎ 𝑚𝑖𝑡𝑘𝑜𝑚𝑚𝑒𝑛 𝑤𝑢̈𝑟𝑑𝑒? 𝐼𝑐ℎ 𝑘𝑜̈𝑛𝑛𝑡𝑒 𝑑𝑖𝑟 ℎ𝑒𝑙𝑓𝑒𝑛.

jammerte er und löste schwerfällig den Kuss auf.

𝐷𝑎𝑠 𝑤𝑎̈𝑟𝑒 𝑧𝑢 𝑠𝑐ℎ𝑜̈𝑛. 𝐴𝑏𝑒𝑟 𝑑𝑢 𝑚𝑢𝑠𝑠𝑡 𝑎𝑢𝑓 𝑢𝑛𝑠𝑒𝑟𝑒 𝐹𝑎𝑚𝑖𝑙𝑖𝑒𝑛 𝑎𝑢𝑓𝑝𝑎𝑠𝑠𝑒𝑛.

meinte ich und drückte ihn an mich. Er schlang die Arme um mich und legte seinen Kopf auf meine Schulter. "Verdammt. Du machst mich wahnsinnig." fing Jake auf einmal an, zu schluchzen und verstärkte seinen Griff. Ich strich ihm über den Hinterkopf und meinte leise "Mich treibt es auch in den Wahnsinn." Jake atmete tief durch und löste sich aus der Umarmung. Eine Träne rann seine Wange hernter und tropfte auf den vereisten Boden unter unseren Füßen.

Traurig sah er mich an und flüsterte
"Ich liebe dich doch..."

"Ich liebe dich auch, Jake."

Das war das erste Mal, dass ich mir wünschte, ein normaler Wandler zu sein, sodass ich bei ihm bleiben konnte. Aber das Leben ist unfair.

𝑩𝒍𝒖𝒕 𝒅𝒆𝒓 𝑫𝒓𝒂𝒄𝒉𝒆𝒏  -𝐷𝑒𝑟 𝑙𝑒𝑡𝑧𝑡𝑒 𝑊𝑎̈𝑐ℎ𝑡𝑒𝑟Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt