Romeo
„Ich hab den Schweinehund herausgeworfen!" Gibbs war außer sich. Regelrecht rasend vor Wut und wäre ich an seiner Stelle gewesen, ginge es mir nicht anders.
„Aber er hat ihr doch nichts getan?", fragte Jessie und leerte das Glas in seiner Hand in einem Zug.
Gibbs schüttelte seinen Kopf. „Ich kam gerade rechtzeitig. Wenn ich später gekommen wäre, hätte die Situation sicherlich anders ausgesehen." Gedankenverloren sah er auf seine Hände. „Die wirkte so verängstigt. Regelrecht verloren. Nachdem er weg war, wollte ich die Stimmung auflockern, aber dadurch habe ich es wohl nur noch schlimmer gemacht."
„Was hast du getan?", fragte ich und versuchte mein Pokerface aufrecht zu halten. Ich kannte Harlow vielleicht zehn Minuten und dennoch ging mir diese Frau und ihr Wohlergehen nicht aus dem Kopf. Mein Entschluss, Justin Carr zu zerstören, stand fest und niemand würde mich davon abhalten können.
„Dass ich nun eine neue rechte Hand bräuchte. Harlow hat mir aber klargemacht, es sie davon hält."
Jessie lachte laut. „Da kam der kleine Drache zum Vorschein." Es dauerte beinahe fünf Minuten, bis er sich beruhigt hatte.
„Ich wüsste nicht, was so lustig ist", unterbrach Gibbs ihn irgendwann. „Wenn ich niemanden finde, bleibst am Ende nur noch du übrig und dann werde ich dafür sorgen, dass du ganz viel Zeit mit Harlow verbringst."
Die Stimmung des Jüngeren schlug schlagartig um und Jessie schien bewusst zu werden, was genau vor sich ging. „Das kannst du mir nicht antun!"
„Ich finde die Idee gut. Dann hat auch der letzte von euch einen vernünftigen Job." Olivia, Gibbs Frau, kam die Treppen vom oberen Stockwerk nach unten. „Maxime ist eingeschlafen."
Kein Wunder. Er hat mit Jessie bis zum Umfallen getobt und im Anschluss noch einen riesigen Teller Spaghetti verdrückt. Die Nacht würde er vermutlich nicht mehr aufwachen.
Olive setzte sich zu uns und sah mich an. „Was genau hast du morgen für einen Termin?"
„Ein Gerichtsverfahren in Detroit. Der Flieger geht um sechs Uhr und vermutlich bin ich nicht vor dem Abendessen zurück." Es war beinahe zur Normalität geworden, dass ich bei Olivia und Gibbs aß. Ich selbst konnte nicht kochen und nur von Fertigprodukten konnte und sollte ich mich sich niemand ernähren. Zumal es meinem Fitnessplan im Weg stand. Hausmannskost war da eine willkommene Abwechslung und Olivia war eine wahre Meisterin darin.
„Bring doch mal diese Frau mit", meinte Olivia plötzlich und sah ihren Mann an. „Ich muss mich noch bei ihr dafür bedanken, dass du endlich einer richtigen Arbeit nachgeht."
„Das halte ich für keine gute Idee", sprach Gibbs deine Bedenken aus. „Bevor ich Carr losgeworden bin, hat er noch ein Gerücht breitgetreten, welches beinhaltet, sie würde eine Affäre mit mir haben."
Während andere Frauen in einem solchen Moment vermutlich die Fassung verlieren würden, begann Olivia zu lachen. „Ich bitte dich", meinte sie, während sie noch immer nach Luft rang. „Du bist doch froh, dass sich jemand gefunden hat, der es mit dir aushält. Als ob du so verrückt wärst, das alles aufs Spiel zu setzen."
Ich mochte die Dynamik zwischen den zweien. Sie gingen so offen miteinander um und nahmen das Gesagte nie für bare Münze. So etwas wollte ich auch. Eine Partnerin an meiner Seite, mit der ich offen reden und so sein konnte, wie ich war.
„Aber ich könnte in die Firma kommen und mit ihr reden. Sie muss ja nicht wissen, dass es speziell um sie geht. Wir könnten ja sagen, dass ich mir einfach alles ansehen möchte."
„Macht doch einen Familientag daraus, wenn ihr Morgen früh Jessie zur Arbeit bringt." Nun war ich es, der lachte.
Dieser sah aus, als würde er mir jeden Moment an die Kehle springen wollen. „Ich will da aber nicht arbeiten." Trotzig wie ein kleines Kind verschränkte er die Arme vor seiner Brust.
„Keine Diskussion! Du kannst nicht ewig in den Tag hineinleben und hoffen, dass dir der perfekte Job zufliegt. Solange du nicht weißt, was du mit deinem Leben anfangen willst, wirst du bei Gibbs arbeiten. Wenn du ein Problem damit hast, werde ich derjenige sein, der dir irgendeinen Job zuweist. Und bei Gott, der wird dir nicht gefallen. Haben wir uns verstanden?" Außerhalb des Gerichtssaals war ich nicht so. Diese Dominanz strahlte ich mir aus, wenn es wirklich sein musste und vermutlich brauchte Jessie genau das. Einen Schubs in die richtige Richtung.
Vermutlich würde er die nächste Zeit mit mir schmollen und mit seiner Ignoranz strafen, aber in diesem Fall duldete ich keine Widerrede. Irgendwann würde er einsehen, dass es zu seinem Besten war. Wenn er so trotzig war, erinnerte er mich immer an Maxime. Vermutlich verstanden sie sich deswegen so gut.
„Wir meinen es nur gut mit dir", versuchte Olivia die Wogen zu glätten, doch Jessie war zu beleidigt, um darauf einzugehen.
„Mit euch rede ich nicht mehr."
Ich sah zu Gibbs und gab ihm mit meinem Blick zu verstehen, dass er es noch einmal versuchen sollte.
Er verstand es richtig und klopfte Jessie auf die Schulter. „In der Personalküche im vierten Stock gibt es Donuts für alle. Nicht einmal du könntest sie alle essen."
„Und ob ich das könnte", rief er aus. „Ich weiß, was du vorhast, aber ich komme morgen nur mit, um dir zu beweisen, dass ich sie alle essen kann. Danach gehe ich wieder."
Er tat zwar so, aber er würde nicht einfach wieder verschwinden. Sicherlich würde Gibbs im Laufe des Tages an sein Gewissen appellieren und somit dafür sorgen, dass er blieb.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es Zeit war zu gehen. Ich musste ausgeruht in Detroit erscheinen und das wäre nur möglich, wenn ich mehr als fünf Stunden Schlaf bekam. „Ich danke euch für eure Gastfreundschaft und das hervorragende Essen, aber ich muss mich nun auf den Weg machen."
„Es ist immer schön, wenn ihr hier seid", bedankte ich Olivia und erhob sich. Sie würde mich wieder zur Tür bringen, während Gibbs und Jessie wie immer sitzen blieben und mir zu Verabschiedung zunickten. Es gab Dinge, die sich wohl nie ändern würden.
„Wenn es irgendwelche Probleme gibt, dann ruft ihr mich bitte an." Es würde zwar nicht dazu kommen, aber ich machte mir dennoch immer Sorgen, wenn ich die Stadt verlassen musste.
„Als wenn es Probleme geben würde. Wir rufen dich nur im äußersten Notfall an und zum Glück ist es bisher nicht dazu gekommen." Ganz wie die Optimistin, die sie nun mal war, versuchte sie meine Sorgen im Keim zu ersticken. „Jetzt sieh zu, dass du nach Hause kommst. Nicht, dass du während der Verhandlung einschläfst. Morgen Abend bist du wieder da und alles wird gut sein. Vertrau mir."
Ich lächelte und nahm sie zum Abschied in den Arm. „Danke Olivia. Für alles."
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Dedication
RomanceHarlow scheint die perfekte Definition für eine einfache und normale Frau zu sein. Sie lebt ihr Leben ohne größere Vorkommnisse und sitzt täglich, trotz jeglicher Widerstände, lächelnd an ihrem Schreibtisch. Das ändert sich jedoch, als sie nachts et...