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Harlow

„Du weißt ja, wo sich alles befindet und solltest du noch irgendetwas brauchen, befindet sich mein Zimmer am Ende des Flures." Romeo war großartig. Er kümmerte sich hervorragend um mich, ohne dabei irgendeine Art von Druck auszuüben. Warum hatte ich ihn nicht schon früher getroffen? Das hätte mir so einige Enttäuschungen erspart.

Ich bekam ein kleines Zimmer, in welchem wohl seine Eltern untergebracht wurden, wenn diese in der Stadt waren und nach ihrem Enkel verlangten, wie Romeo es nannte. Er erzählte mir ein wenig von den beiden und ich fand sie nur durch seine Geschichten sympathisch. Seine Mutter würde sich vermutlich perfekt mit meiner verstehen, denn scheinbar tickten sie gleich.

„Vielleicht lernst du sie mal kennen", meinte er beinahe beiläufig. Dabei sah er mich aber mit einer gewissen Art von stummer Aufforderung in seinen Augen an.

Wollte er tatsächlich, dass ich seine Eltern kennenlernte? Es war zwar eindeutig, in welche Richtung sich das zwischen uns entwickelte, auch wenn wir uns viel Zeit dabei ließen, dennoch schien er eine kleine Bestätigung meinerseits zu brauchen. Verübeln konnte ich es ihm aber nicht. Ich war bereits Zeuge davon geworfen, wie andere Frauen ihn regelrecht anstarrten und ich war mir ziemlich sicher, dass der Großteil von denen alles für einen solchen Mann machen würden. Sofort und ohne zu zögern. Es schien, als würde ich die Ausnahme darstellen und es erfüllte mich mit ein wenig stolz. Zu viele Dates hatte ich bereits in den Sand gesetzt und auch Romeo war durch Maximes Mutter etwas vorsichtig, was Beziehungen anging. Es war also eine reine Vorsichtsmaßnahme, die von uns beiden ausging.

Um ihn aus seiner stummen Qual zu erlösen, beschloss ich, ihn nicht länger warten zu lassen. Ich nickte ihm zu und meinte, dass ich mich sehr freuen würde, eines Tages seine Eltern kennenzulernen. Dazu müsse er aber auch meine kennenlernen und mein Dad war nicht leicht zu knacken. Er war schon immer eher der Typ Eigenbrötler und wie meine Mum es geschafft hatte, ihn um den Finger zu wickeln, war mir bis heute nicht klar.

Meine Zustimmung, seine Eltern betreffend schien alles zu sein, was er brauchte, und er kam einen Schritt auf mich zu. „Sie werden begeistert von dir sein." Es klang fast wie ein Versprechen. Dann beugte er sich zu mir herunter und gab mir einen Kuss auf meine rechte Wange. „Gute Nacht."

Er verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich, während ich einfach da stand und versuchte, mein Kreislauf irgendwie unter Kontrolle zu bekommen. Es fühlte sich an, als wäre es schlagartig zwanzig Grad wärmer geworden. Dieser Mann würde mich noch zur Verzweiflung treiben und an den Rande meiner Selbstbeherrschung.

Eigentlich hatte ich vor, auf andere Gedanken zu kommen und mich bei einem Bad zu entspannen. Aber es half nichts und drei Stunden später lag ich im Bett, während meine Gedanken noch immer um meinen Gastgeber kreisten, welcher nur ein paar Türen weiter war. Er hatte sich bestimmt nichts dabei gedacht, aber diese kleine Geste ließ meine Gedanken Achterbahn fahren. Es machte mich beinahe wütend, dass ich nicht einfach die Augen schließen und schlafen konnte. Daran war nicht wirklich Romeo oder dieser unschuldige Kuss schuld, sondern meine Gedanken, die sich wieder einmal nicht abschalten ließen.

Schon immer beneidete ich die Art von Menschen, die scheinbar schon bei der kleinsten Berührung einer Matratze schlafen konnten. Für gewöhnlich, wenn ich nicht gerade absolut geschafft war, brauchte ich mindestens zwei Stunden, um einzuschlafen. Dieser gesamte Abend, das kleine Drogenlabor in meinem Appartementkomplex eingeschlossen, machten es mir im Moment aber besonders schwierig. Dabei spürte ich bereits die Müdigkeit, dennoch wollte es einfach nicht klappen.

Es war mir klar, dass ich etwas brauchte, dass mich beruhigt. Ein Gefühl von Sicherheit und das würde ich am anderen Ende dieser Wohnung finden. Es dauerte noch mal eine halbe Stunde, in der ich das für uns wieder meiner Entscheidung gründlich abwägte, aber am Ende gab es keinen wirklichen Grund, der mich dazu veranlasste, alleine in diesem Bett zu liegen. Mehr als abweisen konnte er mich nicht und da wir uns noch sehr weit am Anfang einer Beziehung befanden, würde ich ein paar Tage Herzschmerz verkraften.

Vorsichtig, als könnte ich irgendjemandem wecken, stieg ich aus dem Bett und verließ das Zimmer. Auf dem Weg zu Romeo wurde mir einmal mehr deutlich, dass er alles kindgerecht für Maxime gestaltet hatte. Kleine, dezente Lichtquellen beleuchteten den Flur und überall lag etwas von ihm. Entweder es war irgendein Spielzeug, seine Schuhe oder ein kleiner Rucksack. Ich mochte den Kleinen wirklich und ich hoffte tief in meinem Inneren, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte und er mich nicht als Konkurrenz um die Gunst seines Vaters betrachten würde.

Als ich an meinem Ziel ankam, zögerte ich einen kleinen Moment. Würde ich es wirklich so einfach verkraften, sollte er mich zurückschicken? In diesem Moment ärgerte ich mich über mich selbst. Sollte ich umkehren, würde ich nie eine Antwort darauf bekommen, also nahm ich all meinen Mut zusammen und öffnete vorsichtig die Tür. Es war nur ein kleiner Spalt, da ich ihn unter keinen Umständen wecken wollte, sollte er schon schlafen.

Romeo jedoch war noch wach. Er sah von dem Buch auf, dass er in einer Hand hielt und nahm zeitgleich mit der anderen eine wirklich hässliche Brille ab. Warum hatte ein so schöner Mann etwas so Hässliches?

„Brauchst du etwas?" Er legte beide Gegenstände zur Seite und machte den Eindruck, als wolle er aufstehen.

„Bleib liegen." Ich betrat den Raum und schloss die Tür hinter mir. Ohne etwas zu sagen und seinem fragenden Blick ausweichend, lief ich auf das Bett zu und legte mich einfach auf die freie Seite. Erst nachdem ich meinen Kopf auf das Kissen gebettet und meinen Körper mit der Decke bedeckt hatte, traute ich mich, ihn anzusehen. „Darf ich hierbleiben? Ich will nicht alleine sein."

Sein Gesicht sprach Bände und es war offensichtlich, dass meine Anwesenheit ihn nicht im Geringsten störte. Romeo drehte sich in meine Richtung und stützte seinen Kopf auf seiner rechten Hand ab, während er mich ansah. „Du wirst aber nicht über mich herfallen, oder?" Er versuchte nicht einmal seine Belustigung zu verbergen. „Nicht, dass ich ein Problem damit hätte."

„Nur kuscheln! Kein Fummeln oder Ähnliches." Mit gespielter Strenge zeigte ich ihm meine Grenzen auf. „Nimm es hin oder lass es." Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen.

Er legte seinen freien Arm um mich und zog meinen Körper näher an seinen, während er sich bereits halb über mich beugte. „Aber küssen ist drin, oder?"

DedicationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt