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Harlow

Ich fühlte mich wie auf Wolken. Es war warm, kuschelig und ruhig. Dass ich einmal aufwachen würde, weil es leise war, hätte ich nie für möglich gehalten. Scheinbar hatte mein Unterbewusstsein sich bereits an die ständige Lärmbelästigung durch meine Nachbarn gewöhnt.

Als ich meine Augen aufschlug, brauchte ich einen Moment, um zu realisieren, dass ein rotes Kaninchen neben mir im Bett war. Wo kam dieses Tier her und warum war es hier?

„Hast du ausgeschlafen?" Es war Maxime, welcher scheinbar bis eben auf dem Boden gespielt hatte und nun auf mich zukam, um wie selbstverständlich zu mir ins Bett kam. Seine Actionfiguren ließ er einfach liegen und schenkte ihnen keine Beachtung mehr. Mit ausgestreckten Beinen saß er mir gegenüber und griff nach dem Kaninchen, das er auf seinen Schoß hob. „Das ist Pepper. Dad hat sie mir gekauft und sie ist ganz lieb. Wenn sie frisst, dann bewegt sich ihre Nase ganz lustig." Er erzählte mir alles Mögliche über seine pelzige Freundin und streichelte ihr dabei über den Rücken, was dem Tier zu gefallen schien. Es wirkte so klein, aber als ich sah, wie lang es sich auf Maximes Beinen machte, war ich erstaunt.

„Ich musste ganz lange fragen, bis ich sie bekommen habe und versprechen, dass ich alles selber mache."

„Darf ich sie streicheln?" Noch während ich die Frage aussprach, setzte ich mich vorsichtig auf. Zwar hatte ich nicht viel Erfahrung mit Haustieren, aber ich wusste, dass Kaninchen eher schreckhafte Tiere waren.

Mein junger Gesprächspartner hob das Tier hoch und setzte es auf meine von der Decke bedeckten Beine. Behutsam strich ich mit meinen Fingern durch das dichte, weiche Fell und ein sanftes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „Sie ist süß."

In meine eigene Welt versunken nahm ich nichts mehr um mich herum war und streichelte das Kaninchen eine gefühlte Ewigkeit, bis ich in meinem Tun unterbrochen wurde.

Maxime krabbelte zu mir, schob seinen Kopf zwischen mich und Pepper und sah mich mit großen Augen an. „Du träumst." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. „Bist du noch müde? Wenn du noch müde bist, sage ich Dad Bescheid, dass er das Essen später machen soll."

„Das Essen?"

Mit einem breiten Grinsen lächelte er mich an und nickte. „Heute ist Pizza-Tag und Dad macht dann immer Pizza für uns. Einmal war Jessie dabei, aber er will Ananas auf seiner Seite. Deswegen hab ich gesagt, dass er nicht mehr zum Pizza-Tag kommen darf. Willst du Ananas?"

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich in diesem Augenblick nichts Falsches sagen durfte. Vermutlich würde er mir Pepper vom Schoß nehmen und mich aus seinem Zimmer schicken. Dabei war ich glücklich darüber, dass er so offen und unbewegt mit mir umging. „Ich möchte keine Ananas."

Seine kleinen Augen wurden noch größer, ebenso wie sein Lächeln. „Dann sage ich es schnell Dad."

Ich bekam einen Schreck, als ich sah, wie er einfach vom Bett sprang und losrannte. Es hätte ihm etwas passieren können, so unbedacht, wie er drauflos lief und auf nichts anderes mehr achtete. Wäre ich so aus dem Bett gesprungen, hätte ich mir vermutlich irgendetwas gebrochen oder mein Rücken würde mir die gesamte nächste Woche Probleme bereiten.

Während ich alleine mit dem Kaninchen zurückblieb, sah ich mich etwas in dem Zimmer, welches eindeutig Maxime gehörte um. Überall lag oder stand Spielzeug und an einer Wand war ein riesiges Bild von Iron Man. Einen Käfig für sein Haustier suchte ich jedoch vergebens. In einer Ecke war eine Art Auslauf mit einem kleinen Haus, Näpfen und Heu, welcher er jedoch offen war.

„Scheinbar wohnst du da", sprach ich und wunderte mich nicht wirklich darüber, dass ich nach einem solchen Tag mit einem Kaninchen sprach. Ich hob meinen Blick erst, als es kurz klopfte und Romeo im Türrahmen stand.

„Ich habe gehört, dass du den Ananastest bestanden hast?"

Sein Anblick verschlug mir die Sprache. So wie bisher jedes Mal, wenn ich ihn sah. Wie konnte ein Mann nur so gut aussehen? Seine Haare sahen nicht so gestylt wie bei unserem letzten Zusammentreffen aus und er trug ein einfaches Shirt mit einer Jogginghose, ohne dabei ungepflegt zu wirken. Nur zu gerne hätte ich gewusst, ob sein Körper wirklich so trainiert und muskelbepackt war, wie seine freien Oberarme es vermuten ließen. Vermutlich würde ich nicht ein Gramm Fett an ihm finden.

Als sich mein Verstand endlich meldete und mir bewusst wurde, dass ich ihn vermutlich wie eine Irre anstarrte, senkte ich meinen Blick und versuchte mich auf Pepper zu konzentrieren. „Er hat eine Andeutung gemacht, dass Jessie nicht mehr kommen darf."

„Das liegt aber nicht nur an dessen Vorliebe für Obst auf Pizza." Romeo trat weiter in den Raum und nahm mir das Kaninchen vom Schoß. „Er hat die Angewohnheit, Maxime immer Maxi zu nennen und darauf reagiert er etwas empfindlich." Nachdem er mir diese Information gegeben hatte, ging er zu der Ecke mit dem Auslauf und setzte Pepper dort ab.

„Ich behalte es im Hinterkopf." Ich schlug die Decke zur Seite und stieg aus dem Bett, während ich dabei versuchte, die Hose, die Romeo mir zusammen mit einem seiner Shirts gab, nicht zu verlieren, weil diese einfach viel zu groß für mich war.

„Ich habe nichts anderes hier, was dir passen könnte", meinte er noch, bevor er mich ins Badezimmer geschickt hatte. Danach lief ich ihm nicht mehr über den Weg und Maxime nahm mich wie selbstverständlich mit in sein Zimmer.

„Es tut mir leid, wenn ich dir Umstände bereite", entschuldigte ich mich bei ihm.

Er schüttelte den Kopf und zeigte mit seiner rechten Hand auf die Tür, um mir den Vortritt zu lassen. „Jeder hat mal einen schwarzen Tag und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht einiges an Arbeit geschafft habe, während ihr beide den halben Tag verschlafen habt. Maxime hat es nicht so mit Mittagsschlaf, doch deine Anwesenheit scheint ihn umgestimmt zu haben. Außerdem war es meine Entscheidung, dich hier herzubringen. Ich hätte dich auch einfach nach Hause fahren können."

Es wirkte beinahe zu real, wie groß dieses Appartement war. Wäre meine Wohnung nur etwas kleiner, würde sie komplett in Maximes Zimmer passen. Wir gingen nebeneinander den Flur entlang und ich entschuldigte mich erneut für meinen heutigen Ausfall.

„Es ist schön, wenn Maxime und ich einen Gast haben. Sonst sind eigentlich nur die Jungs hier oder Olivia. Du bringst also etwas Abwechslung in unseren Alltag."

Wollte dieser gut aussehende, charmante Mann mir etwa in diesem Moment wirklich weismachen, dass es keine Frau in seinem Leben gab? Maxime musste doch eine Mutter haben, und selbst wenn es nicht so war, wirkte Romeo auf mich wie jemand, der sich eine potenzielle Partnerin einfach aussuchen konnte. Wenn ich den Schwärmereien meiner Kolleginnen zuhörte, brauchte er vermutlich nur mit dem Finger auf eine zeigen und dabei bildete ich keine wirkliche Ausnahme. Seine Anwesenheit und die samtige, warme Stimme bewirkten ein verräterisches Kribbeln in meinem Bauch, das ich bereits am Abend unseres ersten Zusammentreffens gespürt hatte.

DedicationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt