Romeo
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir Maxime abholten, hielt ich meine Idee, Harlow bei uns wohnen zu lassen für einen guten Plan. Die Blicke von Olivia und Gibbs entgingen mir zwar nicht, dennoch fragten sie nicht nach, wie der Abend mit Harlow verlief oder warum sie Maxime gemeinsam mit mir abholte. Doch ihre Fragen würden kommen und das vermutlich schneller, als mir lieb war. Das zufriedene Grinsen meines Freundes und die seltsamen, quietschenden Geräusche von Olivia ignorierte, quittierte ich einfach mit einem Kopfnicken. Das sollte für den Anfang reichen.
Die Situation war auch für mich neu. Denise, Maximes Mutter, war die letzte Frau, mit der ich zusammen gelebt hatte und das lag schon einige Jahre zurück. Ich war zwar nie ein Kind von Traurigkeit, aber bewusst hatte ich meinem Sohn nie eine der potenziellen Partnerinnen vorgestellt. Es hatte sich bisher immer sehr schnell gezeigt, dass diese Frauen und ich auf welcher Art auch immer, auf Dauer nicht zusammen funktioniert hätten.
Bei Harlow hingegen sah es anders aus. Maxime schien sie regelrecht zu vergöttern, und als wir gemeinsam mit ihm den Nachmittag im Zoo verbrachten, schien ich für die beiden gar nicht mehr zu existieren. Das machte mich beinahe wahnsinnig. Natürlich hätte es nicht besser laufen können, aber ich war es bisher gewohnt, für meinen Sohn die Nummer eins zu sein und als ihr Partner sollte ich auch bei Harlow oberste Priorität haben. Scheinbar waren die beiden jedoch anderer Meinung, wenn ich mich irgendwo auf eine Bank gesetzt und gewartet hätte, wäre ihnen mein Fehlen vermutlich nicht einmal aufgefallen.
„Ist etwas nicht in Ordnung?" Harlow stand etwas vor mir und drehte ihren Kopf in meine Richtung, während Maxime ihre Hand hielt und sich die Tiere im Gehege vor ihm ansah. „Du bist so still."
„Was sollte denn nicht in Ordnung sein?" Ich selbst konnte heraushören, wie angepisst ich klang und bereute sofort die Art und Weise, auf welche ich ihr geantwortet hatte.
Harlows verzog ihr Gesicht, was sie nicht weniger schön machte. „Bist du böse auf mich? Habe ich etwas falsch gemacht?"
Ich fuhr mir mit meiner rechten Hand durchs Gesicht, während ich zeitgleich meinen Kopf schüttelte. „Du hast gar nichts falsch gemacht."
Kurz war es still zwischen uns und sie schien darüber nachzudenken, was mir meine Laune vermiest haben könnte. Dann sah sie von mir zu Maxime, der sich noch immer fest an ihre Hand klammerte und Harlow schien zu verstehen. „Du bist nicht wirklich eifersüchtig?" Mit einem Mal entgleisten ihr sämtliche Gesichtszüge. „Das kann nicht dein Ernst sein."
„Ich weiß selbst, dass das völlig bescheuert ist. Aber ihr ignoriert mich." Ich ließ meinen Frust raus, achtete dabei aber darauf, dass Maxime nichts davon mitbekam.
„Bereust du dein Angebot?"
Die Unsicherheit, mit der Harlow mich in diesem Moment ansah, fühlte sich wie ein Schlag in den Magen an. „Natürlich nicht", versuchte ich ihre Angst, die ich selbst ausgelöst hatte, sofort zu zerstreuen. „Ich bin es einfach nicht gewöhnt, dass nicht ich derjenige bin, dem Maxime seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt."
Es gab auch noch Olivia, welche sich in den letzten Jahren beinahe aufopferungsvoll um ihn gekümmert hatte. Dennoch war es mit Harlow etwas anderes und tief in mir machte es mich wirklich glücklich, dass Maxime begeistert zugestimmt hatte, als ich ihn fragte, ob sie bei uns wohnen könnte.
„Daran wirst du dich wohl oder übel gewöhnen müssen." Sie lächelte und stieß mich leicht an. „Aber du darfst nicht vergessen, dass es auch für mich eine neue Situation ist. Es ist mir wichtig, dass Maxime mich gern hat."
Natürlich hatte sie mit ihrer Aussage recht. Maxime war in diesem Moment die wichtigste Komponente, denn von ihm hing alles ab. „Aber du vergisst mich dabei nicht, oder?", fragte ich und rang mir ein Lächeln ab.
Maxime hatte scheinbar genug von den Tieren und zog Harlow weiter zum nächsten Gehege. Diese griff nach meiner Hand und zog mich ebenfalls mit. Vermutlich, damit ich mir nicht weiterhin außen vor vorkam. „Als ob ich dich vergessen könnte." Sie klammerte sich an meine Hand und lachte. „Immerhin spüre ich noch die Nachwirkungen von letzter Nacht."
Den letzten Satz flüsterte sie und in ihrem Gesicht zeichnete sich eine leichte Röte ab, die ich absolut hinreißend fand. Keine Ahnung, warum Jessie solche Angst vor ihr hatte. Von dem Drachen, in den sie sich scheinbar verwandeln konnte, hatte ich noch nichts mitbekommen. Natürlich konnte sie fordernd sein. Das hatte sie letzte Nacht mehr als deutlich gemacht, indem sie plötzlich auf mir saß und die Führung übernommen hatte. Aber an ein feuerspeiendes Monster erinnerte sie mich in diesem Moment wirklich nicht. In meinem Kopf befand sich in jenem Augenblick eh nicht viel Blut.
____________________
Maxime schlief beinahe auf meinen Armen ein, als ich ihnen sein Zimmer trug. Bereits bei Abendessen fielen ihm die Augen immer wieder zu und nur mit Mühe konnte er wach bleiben. Er wollte jedoch nichts verpassen und erst dann schlafen gehen, wenn auch Harlow ins Bett ging. Es war ein anstrengender, aber auch aufregender Tag für ihn.
„Morgen geht es für dich wieder in den Kindergarten", sprach ich leise und deckte ihn zu. Es waren nur noch ein paar Monate und dann wäre dieser Abschnitt vorbei. Ich hatte ihn bereits in einer Privatschule angemeldet und kurz sehnte ich mir den kleinen Jungen zurück, der gerade seine ersten Schritte machte und immer wieder auf seinen Po fiel.
Er gähnte laut und streckte seine kleinen Arme. „Holt Tante O mich ab oder Harlow?"
Sanft strich ich ihm über die Haare und erklärte, dass Harlow ihn noch nicht abholen könnte. Zum einen, weil sie offiziell nicht dazu befugt war, und zum anderen war sie zu diesem Zeitpunkt noch am Arbeiten. Ihre Auszeit, die eine Woche betrug, war nun vorbei und vermutlich würde Gibbs morgen wie ein Geier um sie kreisen, bis er irgendwelche Informationen von ihr bekam. Er war tatsächlich weitaus neugieriger als seine Frau.
„Daddy, darf ich dich noch was fragen?"
„Wenn es jetzt wieder um ein neues Haustier geht, kennst du die Antwort." Seitdem er im Streichelgehege war, wollte er unbedingt eine kleine Ziege haben und ich hatte alle Mühe damit, ihn das auszureden.
Doch er schüttelte nur seinen Kopf. „Muss ich Harlow nun Mom Nennen?"
„Wie kommst du darauf?" Ich stoppte in meiner Bewegung und sah ihn an.
„Sie wohnt jetzt hier und ihr teilt euch ein Zimmer. So wie Mommys und Daddys das bei den anderen Kindern machen."
„Ich denke, du solltest sie Harlow nennen." Alles Weitere würde die Zeit zeigen.
DU LIEST GERADE
Dedication
RomanceHarlow scheint die perfekte Definition für eine einfache und normale Frau zu sein. Sie lebt ihr Leben ohne größere Vorkommnisse und sitzt täglich, trotz jeglicher Widerstände, lächelnd an ihrem Schreibtisch. Das ändert sich jedoch, als sie nachts et...