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Eine Woche später
Harlow

„Nach jetzigen Untersuchungsstand ist Ihre Erkrankung nicht weiter fortgeschritten. Die Ergebnisse der vorgenommenen Tests weisen keinerlei Unterschied zu den Letzten auf. Dennoch sollten wir Ihre Medikation nochmals umstellen. Die Kosten wären zwar höher, aber Ihr Körper, insbesondere die Organe, werden durch die neuen Medikamente nicht so stark beansprucht."

Mein behandelnder Arzt starrte auf sein Klemmbrett und ratterte seit geraumer Zeit sämtliche Untersuchungsergebnisse herunter. Ab einem gewissen Zeitpunkt hatte ich einfach abgeschaltet. Wichtig war, dass meine Erkrankung nicht weiter fortgeschritten war. Man konnte sie zwar nicht heilen, aber wenn es so blieb, konnte ich ein gutes Leben führen. Bei der Erwähnung der Kosten jedoch fühlte es sich an, als würde sich mein Magen zusammenziehen. In meinem Kopf jonglierte ich bereits mit den Zahlen und überlegte, wo ich noch sparen könnte, damit ich mir die Medikamente leisten konnte.

Mir wurde beinahe schmerzlich bewusst, dass ich nicht dazu in der Lage war, mir eine neue Wohnung zu suchen, wenn ich vorhatte, meine Medikamente umzustellen. Ich hatte die Möglichkeit, Gibbs um mehr Lohn zu bitten, aber ich konnte nicht. Es kam mir falsch vor, immerhin war ich nichts anderes als ein kleines Licht in der Firma. Das Schicksal meinte es nicht gut mit mir. Ein Schritt vor und zwei zurück.

Ich wollte weinen und mir meinen Frust von der Seele schreien. Doch noch musste ich mich zusammenreißen, denn keinesfalls konnte ich in der Öffentlichkeit eine Art Nervenzusammenbruch erleiden. Somit verbrachte ich die nächste halbe Stunde damit, mir anzuhören, worauf ich bei der neuen Medikation achten und bei welchen Signalen, wie der Arzt es nannte ich ihn umgehend kontaktieren sollte. Als alles erledigt war und ich mich verabschiedete, meldete ich mich nochmals bei der Empfangsdame, wobei diese mir die aktuelle Rechnung gab. Diese Summe riss mir beinahe die Füße weg.

Sollte ich die Rechnung begleichen, würde für den restlichen Monat nichts mehr übrig bleiben. Die Miete wäre noch drin, aber es durfte zu keinem unvorhergesehen Zwischenfall kommen. Der Ersatz eines defekten Haushaltsgeräts würde mir das Genick brechen. Es half alles nichts, denn meine Gesundheit stand an erster Stelle und ich musste quasi in den sauren Apfel beißen.

Das Wetter schien meine Laune widerzuspiegeln und als ich die Praxis verließ, begann es stark zu regnen. Natürlich hatte ich keinen Regenschirm dabei und bereits nach wenigen Metern war ich komplett durchnässt. In diesem Moment brachen in mir alle Dämme und mir liefen die Tränen übers Gesicht, die der Regen wegspülte. Warum konnte ich nicht einmal Glück haben?

Mein Kopf arbeitete auf Hochtouren und da ich eh schon nass war, konnte ich den Weg nach Hause auch zu Fuß zurücklegen. Das Geld für die U-Bahn, auch wenn es nur ein geringer Betrag war, konnte ich mir sparen. Ich hatte die Hoffnung, dass der Spaziergang mir dabei half, meine Gedanken zu ordnen. Doch es gelang mir nicht wirklich und als ich einer älteren Dame platz machte und etwas weiter am Rande des Gehwegs lief, raste ein Auto an mir vorbei und ich wurde von einem Schwall aus kaltem, dreckigen Wasser getroffen.

Wie vom Blitz getroffen blieb ich stehen und konnte gar nicht glauben, was mir da eben passiert ist. Wie verdorben musste ein Mensch sein, um bei solch einem Wetter durch die Pfützen zu rasen? Ich sah auf meine Schuhe und aus meinen stummen Tränen wurde nun ein lautes Japsen. Auf andere Menschen musste ich wie eine Irre wirken und es passte nicht wirklich zu mir, meinen Gefühlen in solcher Umgebung freien Lauf zu lassen.

Ich bekam nicht einmal mit, wer irgendwann vor mir stand und sich dafür entschuldigte, zu schnell gefahren zu sein. Mit meinen Nerven war ich am Ende und diese halbherzige Entschuldigung konnte der Typ sich sonst wo hinstellen. Ich wollte ihn nicht einmal ansehen, sondern mich in meinem Bett zusammenrollen und für den Rest der Woche nicht mehr hervorkommen.

„Harlow?"

Eine tiefe Stimme veranlasste mich dazu, von meinen Füßen aufzusehen und damit, dass mein Gegenüber derjenige war, der mich mit seinem Handeln komplett aus der Fassung brachte, hatte ich nicht gerechnet. Was zur Hölle machte Romeo hier?

„Es tut mir leid. Beruhige dich." Er stand, genauso wie ich, ohne jeglichen Schutz im Regen und sein Anzug war vermutlich dahin.

Zu einem kompletten Satz war ich nicht in der Lage und ich stammelte nur irgendwelche unzusammenhängende Worte, die ihn vermutlich nicht im Geringsten begreiflich machen konnten, was genau für meine momentane Verfassung verantwortlich war.

„Komm", meinte er, nachdem ich ihm noch immer keine Antwort gegeben hatte. „Ich fahre dich nach Hause. Wenn du weiter hier stehst, wirst du noch krank."

Seine Aussage wirkte auf mich wie blanker Hohn. Wenn er wüsste, wie krank ich bereits war, hätte Romeo diese Aussage vermutlich nicht getroffen. Zwar hatte ich mir vorgenommen zu laufen, aber in meiner Verfassung hätte ich dafür wahrscheinlich viel zu lange benötigt und somit schob ich meinen Vorsatz zur Seite und ließ mich von ihm zu seinem Wagen führen, der mit laufendem Motor an der Seite einige Meter entfernt stand. Vermutlich hätte er keinerlei Widerstand von mir gelten lassen.

Romeo öffnete mir die hintere Beifahrertür und kurz bekam ich ein schlechtes Gewissen. Vermutlich war sein Anzug nicht das einzige, was durch den Regen heute in Mitleidenschaft gezogen wurde. Hoffentlich hinterließ ich keinen allzu großen Schaden auf dem Ledersitz, auf den er mich manövrierte.

Ich sah mich im Auto um und alles wirkte beinahe surreal. Der Unterschied zwischen unseren Lebensweisen wurde mir allein dadurch bewusst, dass ich hier saß. Ich müsste alles verkaufen, was ich besaß und könnte mir vermutlich selbst dann nicht einmal die Anzahlungen vor so etwas leisten.

„Du bist ganz nass."

Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich und Romeo nicht allein waren. Maxime saß auf dem Beifahrersitz und drehte seinen Oberkörper zu mir nach hinten.

„Hat Papa dich nass gefahren? Ich habe ihm gesagt, er soll schnell fahren, weil ich es toll finde, wenn das Wasser so hoch spritzt. Bin ich daran schuld?"

Hatte er wirklich Papa gesagt? War Maxime Romeos Sohn? Bisher ging ich davon aus, dass Olivia und Gibbs seine Eltern wären. Daran, dass das nicht der Fall war, hatte ich bisher keinen Gedanken verschwendet.

Schnell schüttelte ich meinen Kopf und wischte mir die Tränen und den Regen aus dem Gesicht. „Nein. Ich war vorher schon nass."

„Dann musst du schnell in die Badewanne, sonst bekommst du einen Schnupfen."

Wie gerne ich ein warmes Bad genossen hätte, aber in meiner Wohnung hatte ich mir eine Dusche und mit dieser würde ich vorliebnehmen müssen. Ich lächelte Maxime an, konnte ihm jedoch keine Antwort mehr geben, weil mir erneut die Tränen in die Augen traten.

DedicationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt