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Harlow

Was in mich gefahren war, als ich beschloss, die beiden im Auto wartenden Gorilla anzuschreien, konnte ich mir selbst nicht erklären. Aber ich war getrieben von Wut und Verzweiflung. Selbst als einer von ihnen ein Telefonat begann, machte ich meinem Unmut Luft und scheinbar hatte es gefruchtet. Nachdem ich noch immer aufgebracht, meinen Weg zurück ins Firmengebäude antrat, wurden sämtliche Abteilungsleiter zu einer Telefonkonferenz gerufen, an deren Ende uns bekannt gegeben wurde, dass unser Chef innerhalb der nächsten Stunden eintreffen würde.

Ich war so glücklich und es fühlte sich an, als würde eine tonnenschwere Last von meinen Schultern fallen. Meine Euphorie wurde jedoch von einem einzelnen Satz, den einer meiner Kollegen unbedacht von sich gab, getrübt. Was, wenn er uns bei seiner Ankunft mitteilen würde, dass wir alle entlassen wären und er die Firma schließt? Was sollte ich dann machen?

Hier arbeiteten über fünfzig Mitarbeiter und sollten wir uns alle auf einmal etwas Neues suchen müssen, hätte ich mit Sicherheit Probleme auf die Schnelle eine neue Anstellung zu finden.

Es dauerte mehr als eine Stunde, bis die einzelnen Abteilungen nacheinander in den großen Konferenzraum gerufen wurden. Scheinbar sollten gab es etwas, was auch wirklich jeder Einzelne von uns verstehen sollte und als ich mit meinen Kollegen endlich an der Reihe war, dauerte es nochmals eine Stunde.

Als wir den Raum betraten und ich mir einen Platz in der hinteren Reihe gesucht hatte, traf mich beinahe der Schlag, als ich nach vorne zu unserem Chef sah. Auf der rechten Seite von Mister Miller stand einer der beiden Männer, die es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht hatten, mir das Leben schwer zu machen.

Ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren, und als sich unsere Blicke trafen, meinte ich ein kleines Lächeln in seiner sonst steinernen Mine zu erkennen. Was zum Teufel hatte er hier verloren und wo war der andere? Als Nächstes fragte ich mich jedoch, wo der gut aussehende dritte war? Ich ging davon aus, dass er vorhin angerufen wurde und ein klein wenig Traurigkeit überkam mich, als ich ihn nirgends sah. Zu gerne hätte ich ihn noch einmal gesehen und mir jedes noch so kleine Detail von ihm gemerkt.

Auf der anderen Seite stand jemand, den ich tatsächlich noch mehr verabscheute als den Chef. Seine rechte Hand, Justin Carr. Ein wirklich abscheulicher Mensch, dessen Augen nur zu gerne auf den Brüsten oder den Hintern der weiblichen Angestellten verharrten, während er sich dabei vermutlich unbewusst über seine Lippen leckte. Seine Halbglatze versuchte er zu verstecken, indem er sich einzelne Strähnen über den Kopf kämmte, was jedoch nur mäßigen Erfolg aufwies. Dazu kam sein kleiner, untersetzt wirkender Körper, der ständig zu schwitzen schien. Er war wahrlich von außen und innen eine hässliche Person.

„Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich die Firma verkauft habe und Mister Archer Gibbs von nun an Ihr neuer Arbeitgeber sein wird", erklärte unser bis dato Chef ohne große Umschweife und vermutlich jedem Anwesenden fiel die Kinnlade nach unten. Was hatte er getan? „Sie dürfen nun ihrer Arbeit nachgehen." Er machte eine Handbewegung und signalisierte uns somit, dass er scheinbar alles gesagt hatte, was es zu sagen gab.

Ich stand unter Schock und konnte nicht richtig verarbeiten, was genau passiert war. Einer der Gorilla sollte mein neuer Chef sein? Was hatte ich getan, um so etwas zu verdienen?

„Miss Winter", rief eine Stimme, während ich dabei war, den Raum als eine der Letzten zu verlassen. „Sie bleiben bitte hier."

Automatisch ließ ich meinen Kopf hängen und atmete einmal tief durch, bevor ich mich zu den drei Männern umdrehte, welche noch immer gemeinsam am Schreibtisch standen. Ich fühlte mich wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wurde, während ich auf die drei zuging. Jeder Einzelne von Ihnen bescherte mir auf eine andere Art und Weise einen gewissen Schauer und es war niemals ein Angenehmer.

„Schneller Miss Winter. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit", rief Carr in meine Richtung und ich wollte allein aus Trotz auf der Stelle stehen bleiben und ihm meinen Mittelfinger entgegenstrecken. Doch es war der Gorilla, der mir zuvorkam.

Mit beiden Händen stützte er sich auf die Tischplatte und sah an Miller vorbei in die Richtung des Zwischenrufers. „Wenn hier jemand Anweisungen gibt, dann bin ich das und nun sieh zu, dass du von hier verschwindest."

Carr blickte verdutzt zwischen uns hin und her, bevor er sich erhob und stampfend wie ein kleines bockiges Kind den Konferenzraum verließ. Natürlich nicht, ohne mich dabei anzurempeln. Er war tatsächlich noch schlimmer als Miller und mir blieb nur abzuwarten, wie mein neuer Chef sein würde. Vielleicht würde es die neue Spitze des Eisberges werden.

„Du kannst auch verschwinden. Ich werde meinen Boss gleich anrufen und ihm sagen, dass alles geklärt ist." Er sah zu Miller, der beinahe erleichtert wirkte und in einem Rekordtempo verschwand. Scheinbar lag ihm all das hier nicht allzu sehr am Herzen oder er hatte einfach Angst.

„Miss Winter", sprach er noch einmal meinen Namen aus und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Ich hätte Angst haben sollen, aber erschreckenderweise beruhigte sein Lächeln mich.

„Mister Gibbs", gab ich zurück, blieb aber dort stehen, wo ich bereits seit einer gewissen Zeit verweilte.

Sein schallendes Gelächter erfüllte den ganzen Raum, während ich mir vollends veralbert vorkam. „Bitte nenne mich nicht so. Ich bin nicht so vertraut mit dieser Art von Umgangsform. Gibbs reicht vollkommen. Alles andere wäre nicht ich. Romeo ist eher derjenige, den man mit Sie ansprechen sollte."

„Wer von den anderen beiden ist Romeo?", fragte ich noch, bevor ich verstand, dass mein Mund schneller als mein Verstand war.

„Deine Neugier wird dir eines Tages noch Probleme bereiten. Aber um dir eine Antwort auf deine Frage zu geben, es ist derjenige, der dir gestern Abend gefolgt ist."

Ein kleines Lächeln zeichnete sich in meinem Gesicht ab. Romeo. Was für ein passender Name.

„Und ich bin nicht hier, um dir dein Leben zur Hölle zu machen", machte er klar. „Doch Miller hat sich nicht an die Abmachung gehalten und wenn wir nicht eingegriffen hätten, würdet ihr alle ohne Job dastehen."

„Und warum kümmert euch das?", fragte ich.

Gibbs wiegte den Kopf hin und her, als würde er nach den richtigen Worten suchen. „Ich würde sagen, weil wir, auch wenn du es wohl nicht so siehst, zu den Guten gehören und deswegen wollte ich noch einmal mit dir allein reden. Keiner von uns möchte, dass du dich von uns eingeschüchtert fühlst oder Angst hast. Um ehrlich zu sein, hat dein Ausbruch heute Morgen eher dafür gesorgt, dass wir Angst vor dir haben. Es kam bisher noch nie vor, dass jemand uns so zusammengestaucht hat. Respekt, kleiner Drache."

Perplex blinzelte ich mehrmals. „Wie nennst du mich?"

„Kleiner Drache", meinte er, als wäre es das Normalste auf der Welt. „Wenn du Feuer speien würdest, dann wärst du ein großer Drache."

„In meinen Gedanken nenne ich deinen Freund und dich Gorilla."

Nun war er derjenige, der aus dem Konzept war. „Da wir das geklärt hätten", sprach er einige Zeit später. „Kannst du mir dann vielleicht erklären, was genau ihr hier macht?"

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