Harlow
„Iron Man ist viel besser als Thor!"
Nachdem wir das Restaurant verlassen hatten, diskutierten Maxime und ich darüber, wer der bessere Superheld war. Im Grunde hatte ich keine Ahnung, aber ich mochte den Schauspieler, welcher Thor in den Filmen verkörperte und es freute mich, dass Maxime mir gegenüber nicht mehr so schüchtern war.
„Wir sollten jetzt nach Hause", versuchte Olivia unsere Diskussion zu beenden, als wir am Büro ankamen. „Ihr könnt ein anderes Mal darüber diskutieren, wer der bessere Superheld ist, aber es wird Zeit zu gehen."
„Willst du nicht noch mit hochkommen?" Tief in mir hatte ich doch noch die Hoffnung, dass Gibbs den Hochzeitstag nicht vergessen hatte. Aber aus Olivias Erzählungen, die sie mir beim Mittag anvertraut hatte, wusste ich, dass er bereits so einige wichtige Dinge in ihrer Ehe vergessen hatte. Dennoch kannten sich die beiden lange genug und die Beziehung war so gefestigt, dass ein vergessener Hochzeitstag nichts daran ändern konnte.
„Ich habe deine Zeit bereits viel zu lange beansprucht. Aber es war schön, endlich einmal die Frau kennenzulernen, die hinter dem kleinen Drachen steckt. Maxime hat es auch Spaß gemacht, oder?", fragte sie unseren kleinen Begleiter, welcher daraufhin wild mit dem Kopf nickte.
„Du musst mich besuchen kommen. Dann zeige ich dir, warum Iron Man der Beste ist."
Seine aufgeweckte und offene Art zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht und ich wusste, dass ich ihm diesen Wunsch nicht abschlagen konnte. „Ich komme dich sehr gerne besuchen."
Zu gerne wollte ich wissen, wie Gibbs und Olivia lebten und ob Maxime wirklich so viele Spielzeuge besaß, wie er behauptete. Laut seiner eigenen Aussage schlug sein Vater ihm keinen Wunsch ab.
„Da das nun geklärt wäre, wünsche ich dir noch einen schönen Tag. Ich verspreche, dass wir uns wieder sehen werden." Zum Abschied umarmten wir uns und ich sah den zweien noch etwas nach, wie sie den Bürgersteig entlang gingen.
Doch viel mehr Zeit durfte ich nicht vertrödeln. Ich war bereits jetzt zu spät dran und meine Arbeit müsste noch etwas liegen bleiben, denn bevor ich zu meinem Schreibtisch zurückkehren konnte, musste ich zuerst meinem Chef einen Besuch abstatten und ihm den Kopf waschen. Wie konnte man nur den eigenen Hochzeitstag vergessen? Besonders dann, wenn man mit einer so tollen Frau wie Olivia verheiratet war?
Ich steuerte direkt den Fahrstuhl an und wählte den Knopf der obersten Etage, nachdem ich diesen betreten hatte. Während der kurzen Fahrt nach oben sammelte ich meine Gedanken. Olivia hatte mich mit ihrer freundlichen Art den Stress und die Hektik der letzten Tage für einen kurzen Moment vergessen lassen, während Maxime einfach nur anbetungswürdig war.
In der gewünschten Etage angekommen konnte ich bereits auf dem Flur hören, wie Gibbs sich mit jemandem unterhielt und des es sich bei dieser Person um Jessie handeln musste. Die Stimmen wurden im lauter, je näher ich meinem Ziel kam. Ich klopfte kurz an der Tür, nur um sie direkt zu öffnen, ohne auf eine Antwort zu warten und zwischen den beiden Hin und Her zu sehen.
„Wie war das Essen?" Gibbs lächelte mich an, als er bemerkte, dass ich diejenige war, die den Raum betreten hatte. „Ich hoffe, meine Frau hat dich nicht erschreckt? Manchmal kann sie etwas fordernd sein. Sie hat es sich gestern Abend in den Kopf gesetzt und ich konnte sie einfach nicht davon abbringen."
Er redete und redete immer weiter, während Jessie sich damit zufriedengab, auf einem Sessel zu sitzen und scheinbar so zu tun, als wäre ich gar nicht anwesend.
Ich nahm meine kleine Handtasche, welche ich unter den Arm geklemmt hatte, in meine rechte Hand und warf damit nach Gibbs. Leider waren meine sportlichen Fähigkeiten genauso beschränkt wie meine Kochkünste und ich verfehlte Gibbs um mindestens einen halben Meter. Innerlich konnte ich meinen alten Sportlehrer hören, der mich zumindest dafür loben würde, dass ich meine Tasche in die richtige Richtung warf und nicht hinter mir auf dem Boden landete.
„Hast du eben deine Tasche nach mir geworfen?" Entgeistert sah mein Chef mich an. „Wieso?"
Aus dem Augenwinkel konnte ich Jessie erkennen, welcher beschloss, dass es wohl besser war, in Deckung zu gehen und im Sessel weiter nach unten zu rutschen, bis mir doch ein kleiner Teil seines Kopfes zu erkennen war.
„Du bist so ein Ignorant", schleuderte ich Gibbs meinen Zorn entgegen. „Olivia ist eine großartige Frau und du bist so arrrggg!"
Er schien noch immer nicht zu begreifen, was mich so aus der Fassung brachte. „Was habe ich getan?"
„Die Kleine ist Irre." Jessies Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, aber ich konnte es hören und das machte mich nur noch wütender. „Sag am besten nicht. Es ist eine Falle."
Gibbs schien seinen Worten keine Beachtung zu schenken, sondern beugte sich nach unten, um meine Tasche vom Boden zu heben. „Ich möchte schon wissen, warum Harlow so wütend ist."
„Du hast euren Hochzeitstag vergessen!" Ich stampfte regelrecht auf ihn zu und riss meine Tasche aus seiner Hand.
Er runzelte seine Stirn und schien kurz nachzudenken, bevor er mir antwortete. „Das kann nicht sein. Unser Hochzeitstag ist erst am zwölften."
„Also", begann Jessie sich erneut zu melden. „Heute ist der zwölfte."
Kurz herrschte Stille, bis Gibbs das Gesagte realisierte. „Oh Gott!"
Jessie hingegen schien beschlossen zu haben, weiter darauf rumzureiten. „Du hast nicht allen Ernstes schon wieder euren Hochzeitstag vergessen?" Laut lachte er und fiel dabei beinahe vom Sessel. „Das wievielte Mal ist es nun schon? Das Dritte oder Vierte? Du scheinst es auch nicht zu lernen."
„Ich muss mir was einfallen lassen." Aufgeregt sah er sich um und schien nach irgendetwas zu suchen. Eine Art Strohhalm, an welchen er sich klammern konnte. „Sie hat mir so viele Signale gegeben und ich habe es einfach nicht verstanden."
Inzwischen tat es mir leid, dass ich ihn so angeschrien hatte und an mir nagte das schlechte Gewissen, welches sich durch meinen Körper zu fressen schien. So etwas konnte ich nicht gebrauchen, denn eigentlich sollte ich auf mich und meinen Körper achten.
„Mag sie Blumen?" Vorsichtig fragte ich Gibbs, welcher aussah, als würde er jeden Augenblick eine Panikattacke haben.
„Ich glaube kaum, dass ein Strauß Blumen ausreichen wird." Er erinnerte mich an einen kleinen traurigen Hund, der mit Wasser übergossen wurde. „Sie wird mich verlassen."
„Ich meinte damit auch nicht einen einzelnen Strauß. Es könnten ja mehrere sein."
Mit großen Augen sah er mich an. „Du meinst so etwas wie ein Meer aus Blumen?" Kurz ließ er sich den Gedanken durch den Kopf gehen, bis er schließlich nickte. „Das könnte klappen."
„Das wird mir zu romantisch. Da setze ich mich doch lieber an meinen Schreibtisch und versuche, mich mit meinem Schicksal abzugeben."
„Dann mach das bitte weniger theatralisch", rief Gibbs ihm hinterher, nachdem Jessie sich aus dem Sessel erhoben hatte, um zur Tür zu gehen. „Ich habe weitaus wichtigere Probleme, als mich mit deinem Sturkopf auseinanderzusetzen."
Nach seinem Ausruf blickte Gibbs erneut zu mir. Seine Augen waren diesmal weit aufgerissen. „Geht es dir gut? Du blutest!"
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Dedication
RomanceHarlow scheint die perfekte Definition für eine einfache und normale Frau zu sein. Sie lebt ihr Leben ohne größere Vorkommnisse und sitzt täglich, trotz jeglicher Widerstände, lächelnd an ihrem Schreibtisch. Das ändert sich jedoch, als sie nachts et...